Angewandte Linguistik für Sprachberufe

Die Bühne unserer Sprachberufe nutzen

Back Stage – Blick hinter die Kulissen

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Aufgabe 1: Tarzan-Experiment [10']

Was wir in der Welt immer wieder wahrnehmen, speichern wir also als Konzept im Kopf. Umgekehrt können einmal gebildete Konzepte beeinflussen, wie wir die Welt wahrnehmen und verstehen. Dazu finden Sie hier das Tarzan-Experiment: https://www.youtube.com/watch?v=lgiaiEffdiU&t=346s

Schauen Sie sich das Video an, das am Max-Planck-Institut in Nijmegen aufgezeichnet wurde. Es zeigt das Tarzan-Experiment. Fassen Sie in fünf bis zehn Sätzen zusammen, wie das Experiment abläuft und welche Vermutung es stützt.

  • Je eine Gruppe von Versuchspersonen aus Deutschland, Japan und den USA sehen sich eine Filmszene an, in der sich Tarzan an einer Liane von Ast zu Ast schwingt.

Danach werden die Versuchspersonen einzeln befragt, was sie gesehen haben. Während sie stehend und gestikulierend ihre Erinnerungen schildern, wird aufgezeichnet, was sie sagen und welche Gesten sie dabei benutzen.

Die Versuchspersonen aus Deutschland und den USA benutzen das Verb schwingen und zeichnen eine runde Geste in die Luft. Die Versuchspersonen aus Japan dagegen sprechen von ducken und springen und zeichnen eine eckige Geste in die Luft.
Als Grund für diesen Unterschied vermuten die Forschenden die Tatsache, dass das Japanische kein Verb kennt für Schwingen als Körperbewegung. Menschen, die Japanisch als Erstsprache sprechen, würden diese Bewegung deshalb zerlegen in zwei Komponenten, für die das Japanische über Begriffe und also auch über Konzepte verfügt.

 

Aufgabe 2: Mehrdeutig [5']

Idealerweise hält eine Sprache für jedes Konzept einen eigenen Begriff bereit. Das ist aber nicht immer so. Dazu finden Sie hier die Übung Mehrdeutig.

  • Welche Konzepte kommen Ihnen in den Sinn, wenn Sie an den Begriff Blüte denken?
  • Können Sie auch bei den Begriffen Hund, Laute und Office mehrere Konzepte abrufen?
  • Welche weiteren Begriffe kennen Sie, die sich auf unterschiedliche Konzepte beziehen?

  • Eine Blüte kann ein Teil einer Blume sein, aber auch ein unerlaubt nachgedruckter Geldschein oder aber der Höhepunkt einer Entwicklung oder Epoche, etwa in die Blüte der Renaissance.
  • Es gibt auch den Grubenhund, den kleinen Wagen, der im Bergbau durch die Stollen geschoben wird; die Laute als Musikinstrument ergänzt die Laute als den Plural von der Laut; im Office des Restaurants wird abgewaschen und Kaffee gekocht.
  • Verbreitet sind Metaphern, also Bedeutungsübertragungen, von Körperteilen auf Artefakte, etwa die Nase als vorderster Teil eines Flugzeugs.

 

Aufgabe 3: Pies [10']

Innerhalb einer Sprachgemeinschaft nutzen alle Menschen, vereinfacht gesagt, die gleichen Wörter für die gleichen Dinge – sie bezeichnen also die gleichen Konzepte mit den gleichen Begriffen. Zur Sprachgemeinschaft gehört, wer diese Begriffe kennt und gleich oder ähnlich verwendet wie die anderen Mitglieder der Sprachgemeinschaft. Eine bestimmte Laut- oder Buchstabenfolge löst also im Kopf aller Mitglieder einer Sprachgemeinschaft eine ähnliche Vorstellung aus. Die gleiche Laut- oder Buchstabenfolge kann aber für Mitglieder einer anderen Sprachgemeinschaft etwas ganz anderes bedeuten. Dazu jetzt die Übung Pies.

  • Das polnische pies und das französische pièce klingen gesprochen genau gleich. Was bedeuten die beiden Wörter in je ihren Sprachen?
  • Das geschriebene Wort pies gibt es im Polnischen wie im Englischen. Warum spricht man hier von Homographen, während man bei pies und pièce von Homophonen spricht?
  • Wenn Sie kurz und prägnant übersetzen in short and pregnant, tappen Sie in die Falle falscher Freunde. Recherchieren Sie im Internet, warum diese Falle so heißt.

  • Pies, im Polnischen, bedeutet Hund. Pièce, im Französischen, bedeutet Stück oder Raum.
  • Homo-graph, griechisch, bedeutet gleich geschrieben; das gilt etwa für pies als polnisches Wort für Hund und englisches Wort für Kuchen, im Plural. Homo-phon bedeutet gleich klingend; das gilt etwa für das polnische pies und das französische pièce, beide gesprochen als pjɛs.
  • Falsche Freunde oder false friends heißen so, weil sie in zwei Sprachen ähnlich geschrieben und gesprochen werden, aber etwas anderes bedeuteten, wie eben zum Beispiel pregnant, englisch für schwanger, und dem deutschen Wort prägnant, das Äußerungen bezeichnet, die viel und Wichtiges bedeuten, aber kurz gefasst sind.

 

Aufgabe 4: Schlagwort [5']

Auch innerhalb einer Sprachgemeinschaft können Konzepte unterschiedlich eingefärbt werden je nach Perspektive der Menschen und Gruppen, die sie verwenden. Mit anderen Worten: Konzepte und Begriffe sind kulturabhängig. Dazu die Übung Schlagwort.

  • Worin unterscheiden sich die Vorstellungen, die der Begriff Hund auslöst bei Menschen, die gerne Hunde züchten, und bei Menschen, die gerne joggen?
  • Wie kann sich das Konzept Radweg umfärben im Kopf einer Person, die grün wählt, mit einem geliehenen Kleinbus umzieht und zum fünften Mal in eine Critical-Mass-Demo gerät?
  • Mit welchen Leseweisen müssen Sie rechnen, wenn Sie in einem Medium, das eine breite Öffentlichkeit erreicht, die Redewendung vom rechten Weg abkommen benutzen?

  • Die Denotation, die Hauptbedeutung von Hund ist im Deutschen das Haustier, das vom Wolf abstammt. Die Konnotation, die Nebenbedeutungen, können sich bei allen Menschen unterscheiden, die dieses Wort nutzen. Jogger*innen können an ein kläffendes, beißendes Biest denken, Hundezüchter*innen dagegen an einen Freund oder eine Kapitalanlage.
  • Mit zunehmender Lebenserfahrung eines Menschen kann sich die Konnotation verändern, die ein Begriff evoziert – einfach gesagt: das Wort löst dann im Kopf etwas Anderes aus. Radweg kann etwa verstanden werden als ein sicherer Ort für ökologisch achtsame Verkehrsteilnehmende oder als Provokation gesetzeskonformer, arbeitsamer Steuerzahlender.
  • Die meisten Sprachbenützer*innen dürften bei der Redewendung vom rechten Weg abkommen eine Vorstellung aufbauen von beginnendem Übel: Jemand verlässt den Pfad der Tugend, und es tut ihm oder ihr und dem Umfeld nicht gut. Einige dürften die Wendung aber auch ironisch lesen: nicht mehr rechts-, sondern linkspolitisch denken und handeln.

 

Aufgabe 5: Ektisch [15']

Die Kurzgeschichte Ektisch von Franz Hohler erzählt von einer Kultur, die nur zwei Wörter kannte – was tragisch endete. Denn was wir nicht benennen können, können wir kaum denken. Wo der Begriff fehlt, fehlt oft auch das Konzept.

  • Lesen oder hören Sie die Kurzgeschichte Ektisch von Franz Hohler. Welche Parallelen sehen Sie zur politischen Wirklichkeit, in der Sie leben oder die Sie andernorts beobachten?

http://mikiwiki.org/wiki/Text_%22Ektisch%22_(Franz_Hohler)
https://www.youtube.com/watch?v=VZb0vHSTuT8

  • Listen Sie Begriffe auf, die Sie nur benutzen, wenn Sie über Ihr Hobby sprechen, zum Beispiel über Ihren Freizeitsport.
  • Nennen Sie ein paar Begriffe aus Ihrer künftigen Berufswelt, die Sie in der Praxis oder im Studium bereits kennen gelernt haben.

  • Was wir im Alltagswortschatz noch nicht benennen können, existiert in unserer Wahrnehmung nicht oder wird nur undeutlich wahrgenommen. Vor 2019 galt das im Westen etwa für Pandemie.
  • Zu solchen Fachbegriffen aus dem Freizeitsport zählen etwa Eskimo-Rolle beim Kajakfahren oder Doppelstockeinsatz beim Skifahren.
  • Falsche Freunde zum Beispiel kennen alle Übersetzer*innen, Medien-Clippings alle Fachleute der Organisationskommunikation, language attrition die Expert*innen in sprachlicher Integration.

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Aufgabe 1: Abkürzung [5']

Weglassen, was sich die Adressaten und Adressantinnen selbst dazu denken können. So sparen wir Zeit und Wörter – und dies im Alltag wie im Beruf. Ein Beispiel aus der Berufswelt finden Sie in der Übung Abkürzung:

  • «Rechner abgestürzt, Datei nicht gesichert – es wird morgen, bis ich fertig bin» – Denken Sie sich eine Situation aus, in der diese SMS Sinn ergibt, und überlegen Sie, was alles zwischen den Zeilen steht.

  • Die Kollegin hätte den Text bis heute 17 Uhr fertig schreiben und Ihnen zustellen sollen. Statt einer E-Mail mit der Textdatei im Anhang erhalten Sie nun diese SMS – die, wie üblich, nur die Brückenpfeiler für die Kommunikation liefert. Die Brückenbogen müssen Sie selbst ergänzen, aus Ihrem Wissen über die Welt und den Kommunikationskontext. Stünden die Brückenbogen auch der SMS selbst, würde sie jeden Rahmen sprengen und klänge etwa so:

„Du, ich hatte Dir doch diesen Text bis heute um 17 Uhr versprochen. Und ich hätte diese Frist locker geschafft, wäre nicht vor einer Stunde mein Rechner abgestürzt. Erst nach dem Absturz merkte ich, dass ich die Datei nie gesichert hatte. Jetzt ist alles weg, und ich muss wieder ganz von vorne anfangen mit Schreiben. Du kannst Dir vorstellen, wie mich das ärgert. Ich lege mich ins Zeug, um morgen fertig zu werden; wann genau, weiß ich noch nicht.“

 

Aufgabe 2: Fall Tanker [10']

Dass wir beim Verstehen sofort Kohärenz herstellen, fällt uns selber auch gar nicht auf. Dazu der Fall Tanker:

  • Der gesprochene Text zu einer tatsächlich ausgestrahlten Kurznachricht am Fernsehen lautete:
    «50 km östlich der Küste Hongkongs ist ein weiteres Schiffsunglück im Gang. Der am Samstag in Brand geratene Tanker ist mit 20.000 Tonnen Flüssiggas beladen. An der Küste befindet sich ein Atomkraftwerk.»
    Die Bilder des Beitrags zeigten zuerst eine Landkarte mit dem Umriss von China, eingezeichnet die Stadt Hongkong und davor im Meer ein sehr großer gezeichneter Tanker. Dann waren Luftaufnahmen zu sehen des echten Tankers, in Rauchschwaden gehüllt.
  • Überlegen Sie sich, welchen Film diese Wörter und Bilder im Kopfkino auslösen, wenn wir beim Verstehen Kohärenz herstellen und die Lücken zwischen dem Gesagten füllen mit Ausschnitten aus unserer Welterfahrung.

  • So etwa entwickelt sich der Film im Kopfkino, wenn wir, aus unserer Welterfahrung mit Gas und Explosionen, die Brückenbogen zwischen den Pfeilern ergänzen:

Direkt neben China brennt ein riesengroßer Tanker im Meer. Es raucht gewaltig. Da ist also Feuer – und Gas! Der Tanker hat ganz viel Flüssiggas geladen, das bekanntlich hochexplosiv ist. Dieses Gas wird nun sicher Feuer fangen und der Tanker explodieren – und dies so nah an einem Atomkraftwerk. Zweifellos droht nun eine Havarie und damit eine atomare Katastrophe.

 

Aufgabe 3: Eindeutig [10']

In der Kommunikation kommen Begriffe nie isoliert vor. Sie sind eingebettet in einen sprachlichen Rahmen und in eine Kommunikationssituation – also in einen Kotext und in einen Kontext. Diese Einbettung bewirkt, dass selbst mehrdeutige Begriffe in einem konkreten Verwendungszusammenhang oft eindeutig scheinen. Dazu die Übung Eindeutig:

  • Denken Sie sich zwei Situationen aus, in denen der Begriff Schwester unterschiedlich verstanden werden muss.
  • Machen Sie nun das Gleiche mit den Begriffen WAGEN und SINGEN. Worin besteht der grundsätzliche Unterschied dieser beiden Beispiele zum Begriff Schwester?
  • Finden Sie selbst je ein weiteres Beispiel des Typs Schwester und des Typs WAGEN. Betten Sie die Begriffe in Kotexte und Kontexte ein, in denen sie eindeutig sind.

  • Nehmen Sie das Gesundheitswesen oder ein Spital als Kontext, stellen Sie sich bei Schwester eine Krankenpflegerin vor im Kopfkino. Nehmen Sie dagegen ein Familienfest oder einen Erbstreit als Kontext, löst Schwester sicher die Vorstellung von Verwandtschaft aus.
  • Ein Wagen ist ein Gefährt, mit dem man durchaus etwas wagen kann. Im ersten Fall ist WAGEN ein Nomen, im zweiten ein Verb im Infinitiv. Das Gleiche gilt für die Ortsbezeichnung Singen und das Verb singen. Bei Schwester dagegen sind beide Formen Nomina.
  • Beispiele für Homonyme wie Schwester, also Wörter gleicher Schreibweise und Aussprache, aber unterschiedlicher Bedeutung: Der Arme (ein Mensch) kann seine Arme (ein Körperteil) nicht mehr spüren. Vor der Bank (Geldinstitut) steht eine Bank (Sitzgelegenheit).
  • Ein Beispiel für ein Begriffspaar nach dem Muster WAGEN oder SINGEN: Der Topfen als ein Milchprodukt und (um-)topfen als Tätigkeit, bei der eine Pflanze mit ihren Wurzeln in einen Topf versetzt wird, damit sie dort an- und weiterwachsen kann.

 

Aufgabe 4: Loftus-Experiment [15']

Erleben Sie im Loftus-Experiment, wie stark Framing das Verstehen und das Erinnern beeinflussen kann:

  • In einem bekannten und oft überprüften Experiment von Elizabeth Loftus und John Palmer (1974) sehen zuerst alle Versuchspersonen den gleichen Film: Zwei Autos stoßen zusammen.
    https://www.youtube.com/watch?v=Rg5bBJQOL74
    Dann werden die Versuchspersonen in fünf Gruppen aufgeteilt und jede Gruppe wird einzeln gefragt: «Wie schnell fuhren die Autos, als sie x?», wobei für x in jeder Gruppe ein anderes Verb steht: In Gruppe a ist es smashed, in Gruppe b collided, in Gruppe c bumped, in Gruppe d hit und in Gruppe e contacted.
    Das durchschnittliche Ergebnis der Schätzungen in jeder dieser Gruppen:
    a 65 km/h, b 62 km/h, c 61 km/h, d 54 km/h, e 50 km/h
  • Wie erklären Sie sich diese unterschiedliche Erinnerung an ein und die gleiche Filmszene?
  • Falls Sie in wenig Zeit mehr erfahren wollen dazu, «How language shapes the way we think», gönnen Sie sich diesen TED-Talk von Lera Boroditsky:
    https://www.youtube.com/watch?v=RKK7wGAYP6k

  • Das Verb löst die Erinnerung an die Szene aus, aber weil wir beim Erinnern den Film im Kopfkino neu zusammensetzen, evoziert ein Verb, das nach härterem Zusammenstoß klingt, eine schnellere Bewegungsvorstellung im Kopf.
  • Jede Sprache, die wir sprechen, beeinflusst, wie wir denken.

 

Aufgabe 5: Fisch ist Fisch [10']

Wir bilden, wir konstruieren Kohärenz, indem wir die Lücken im Gelesenen oder Gehörten füllen mit Wissen aus dem eigenen Kopf. Deshalb bestimmt unsere Lebenserfahrung mit, wie wir ein Kommunikationsangebot verstehen. Dazu die Geschichte Fisch ist Fisch von Leo Leonni:

  • In der Geschichte Fisch ist Fisch erklärt der Art Director, Autor und Illustrator Leo Leonni den Konstruktivismus so, dass ihn, wörtlich, jedes Kind versteht.
    https://www.youtube.com/watch?v=IoI0v0yL7NM
  • Genießen Sie die Geschichte – und erklären Sie dann, warum die Vögel wie Fische gezeichnet sind, bloß mit Flügeln, zwei Beinen und vielen bunten Farben.

  • Der Fisch hat immer nur im Teich gelebt und kennt nur fischartige Lebewesen. In seinem Weltwissen sieht alles, was lebt, wie ein Fisch aus. Wenn der Frosch nun Vögel schildert als „sie haben zwei Beine, zwei Flügel und viele, viele bunte Farben“, kann sich der Fisch diese Vögel gar nicht anders vorstellen denn als Fischkörper mit zwei Beinen, zwei Flügeln und vielen bunten Farben.

Natürlich greift die Geschichte etwas kurz. Wie soll sich der Fisch Flügel vorstellen, wenn er noch nie welche gesehen hat? – Aber das merken die Kinder nicht, wenn sie gebannt der Geschichte lauschen. Und Hand aufs Herz oder sonstwo hin: Haben Sie’s gemerkt?

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Aufgabe 1: Sprechaktpaar [10']

Ein Gruß ist ein Sprechakt; ein Gegengruß auch. Man tut etwas, indem man Sprache nutzt: Man nimmt Kontakt auf zum Gegenüber. Gruß und Gegengruß bilden also ein Paar, sie kommen meist gemeinsam vor. Dieses paarweise Auftreten findet sich in unserer Kommunikation bei vielen Sprechakten. Dazu die Übung:

  • So, wie jeder Gruß nach einem Gegengruß ruft, ist auch ein Dank nur der erste Teil eines Sprechaktpaares. Welche Möglichkeiten kennen Sie, einen Dank zu erwidern?
  • Wovon hängt ab, welche dieser Möglichkeiten Sie tatsächlich nutzen, wenn Sie einen Dank erwidern?
  • Ein Niesen zieht je nach Kultur, in der Sie sich gerade bewegen, andere Sprechakte nach sich. Nennen Sie je ein übliches Muster für den deutschen und den englischen Sprachraum.

  • Übliche Praktiken der Erwiderung eines Dankes verdeutlichen die Freude am Schenken, ausgedrückt etwa als Danke! – Gern geschehen! Es gibt aber auch Praktiken, mit welchen die eigene Leistung herabgestuft wird: Milles mercis!De rien! Oder wie meine Großmutter den Dank für ihre Geschenke zu erwidern pflegte: „S isch numen es Nüüteli“, also es ist nur ein Nichts.
  • Starken Einfluss auf die gewählten Praktiken und sprachlichen Mittel kann haben, wie formell eine Situation erlebt wird. Der Chefin, die man noch kaum kennt, dankt man anders als dem Lebenspartner.
  • Im deutschen Sprachraum wünschen die anderen der Person, die geniest hat, Gesundheit; im englischen Sprachraum verbreitet ist die gegenteilige Praxis, nämlich dass sich die Person, die geniest hat, danach bei den Anwesenden entschuldigt.

 

Aufgabe 2: Am Anfang war das Wort [10']

Es gibt viele Möglichkeiten, mit Sprache Kontakt aufzunehmen und in Beziehung zu anderen zu treten. Welche davon kennen Sie? Und welche nutzen Sie – in welcher Situation? Dazu die Übung Am Anfang war das Wort:

  • Treffen Sie beim Wandern oder Spazieren in der weiten Natur auf eine fremde Person, verhalten Sie sich kommunikativ anders als im Menschenmeer der Stadt. Wie nämlich?
  • Wie machen Sie sich bemerkbar, wenn Sie bezahlen möchten im Restaurant? Kennen Sie aus unterschiedlichen Kulturen unterschiedliche Muster?
  • Im Fitness möchten Sie in Kontakt treten zu einer Person, die Sie interessiert. Wie gehen Sie vor, was sagen Sie, und warum wählen Sie diesen Weg?
  • Was könnte aus Ihrer Sicht der Grund sein dafür, dass wir von einem ansprechenden Thema oder einer ansprechenden Person sprechen, obwohl hier gar nicht wirklich geredet wird?

  • In einsamer Natur pflegen viele Menschen auch Fremde zu grüßen, während eine solche Praktik in einer dicht bevölkerten Umgebung zum Dauergrüßen führen müsste.
  • Übliche Praktiken reichen vom dezenten Zeigen des Zahlungsmittels, etwa einer Kreditkarte oder Brieftasche, bis zum Ruf durch den Raum, man wolle zahlen.
  • Bewährt haben sich in solchen Situationen fachliche Bemerkungen, die auch als kompetente Komplimente deutbar sind, etwa Wow, deinen Lat-Zug sollten sich alle hier abschauen.
  • Die Metapher, griechisch meta-pher für übertragen, verdeutlicht, wie sehr das Angesprochen-Werden unsere Aufmerksamkeit weckt und Beziehung ermöglicht.

 

Aufgabe 3: Wortwirkung [20']

Von I have a dream bis Friday for future: Blicken Sie in der Übung Wortwirkung hinter Parolen, die die Welt verändert haben.

  • «I have a dream» – recherchieren Sie kurz im Internet, wie Martin Luther King zu diesem Mantra seiner Rede kam und was er damit bewirkte.
  • Parolen wie Yes we can oder Friday for future gehen um die Welt. Wofür stehen sie – und welche formalen Merkmale machen sie so eingängig?
  • Als das Regierungsoberhaupt eines kleinen Landes die USA besuchte, als deren Präsident damals Donald Trump galt, schrieb es ins Gästebuch des Weißen Hauses:
    «Thank you for your invitation to the Withe House. Together ahead!»
    Was macht diesen Sprechakt so komisch?

  • Einen leichten Einstieg ins Thema bietet dieser Artikel:
    https://www.srf.ch/kultur/im-fokus/der-archivar/i-have-a-dream-die-rede-die-ganz-anders-geplant-war
  • Beide Parolen stehen für den Willen, gemeinsam etwas zu verändern. Formal sind beide kurz und bündig; Yes we can besteht aus nur drei Silben, Friday for Future aus 2+1+2 Silben mit Stabreim. Und beide Parolen bestehen aus gewöhnlichen Wörtern, sagen dabei aber ungewöhnliche Dinge (nach Arthur Schopenhauer, 1851).
  • Die Komik ergibt sich für viele kritische Zeitgenoss*innen zum einen aus dem völligen Hinwegsetzen über den Größenunterschied zwischen den beiden beteiligten Ländern in together ahead, zum anderen durch den Rechtschreibfehler in Withe House, der dieses ahead in Frage zu stellen scheint, weil man annehmen würde, ein Staatsmann wisse sich auch auf einen solch komplexen Auftritt vorzubereiten.

 

Aufgabe 4: Der Zauberlehrling [20']

In der Ballade Der Zauberlehrling lässt Johann Wolfgang von Goethe einen Anfänger an der Magie der Sprache scheitern. Überlegen Sie, wann Sie das letzte Mal als Zauberlehrling unterwegs waren:

  • Lesen Sie die Ballade Der Zauberlehrling von Johann Wolfgang von Goethe, zum Beispiel hier:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Zauberlehrling
  • Welche Rolle spielt die Sprache in der Ballade? Und welche Rolle spielt sie, wenn Sie jemanden mit Worten verführen oder etwas heraufbeschwören?
  • Stellen Sie sich eine Szene vor, in die der Satz Ich wünschte, ich hätte es nie gesagt passt. Wie wäre die Geschichte verlaufen, wenn «es» tatsächlich nie gesagt worden wäre?
  • Und umgekehrt: Wann haben Sie zum letzten Mal gelogen? Warum dies? Was hätte in dieser Situation die reine Wahrheit anrichten können?

  • Mit Sprache wird gezaubert, es werden Taten angestrebt und schließlich geschaffen – die Perlokution entspricht der Illokution. Dies allerdings nur unvollständig und kurzfristig, wenn die Worte fehlen, wieder zu stoppen, wenn es einem zu viel wird.
  • Bei jeder hier denkbaren Geschichte haben Wörter Wirklichkeit verändert – und zwar so, wie es nicht der Illokution entsprach. Hätte man geschwiegen statt geredet, so vermutet man dann, hätte die kleine Welt einen anderen Lauf genommen.
  • Lügen kann einen – sicher kurzfristig – vor Sprachwirkungen bewahren, die man vermeiden will. Die Wahrheit dagegen, vermutet man in solchen Situationen, würde genau diese Wirkungen auslösen oder begünstigen.

 

Aufgabe 5: Pajero&co. [10']

Die Perlokution einer Sprachhandlung kann beträchtlich von der Illokution abweichen. Zeigen Sie am Beispiel unglücklich gewählter Produktenamen, woran das liegen mag. Die Übung dazu heißt Pajero&co.:

  • «Das sind die peinlichsten Autonamen» – Lesen Sie diesen Artikel und überlegen Sie, wie eine Organisation vorgehen kann, um solche sprachlichen Totalschäden zu vermeiden.

https://www.t-online.de/auto/recht-und-verkehr/id_83122714/-wichser-pimmel-das-sind-die-peinlichsten-autonamen.html

  • Produktenamen in einer globalisierten Welt sollten in möglichst vielen Sprachen positive Vorstellung auslösen und in möglichst keiner negative. Es gibt Beratungsunternehmen, die sich darauf ausgerichtet haben, solche Namen zu entwickeln. Sie finden zuerst gute Wortkandidatinnen, also solche, die in Sprachen mit weltweit hohem Prestige so klingen und verstanden werden, dass es zum gewünschten Produktbild passt. Dann überprüfen sie diese Wortkandidaten in möglichst vielen Sprachräumen der geplanten Absatzmärkte auf unerwünschte Denotationen und Konnotationen, also Haupt- und Nebenbedeutungen.
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Aufgabe 1: Anders gesagt [10']

In der Übung Anders gesagt trainieren Sie, von der Varietät auf die Sprachgemeinschaft zu schließen.

  • Wo erwarten Sie eine Äußerung wie Das gereicht uns zum Guten? Und wo Zentrieren Sie Ihre Schulterblätter, bevor Sie die Rotatoren-Manschette belasten?
  • Überlegen Sie, warum es so selten gelingt, in Werbetexten die Jugendsprache etwa von 16-Jährigen so zu sprechen, dass sich die Zielgruppe angesprochen fühlt.
  • Welche Funktionen erfüllen die Varietäten aus den ersten beiden Punkten in ihren jeweiligen Umgebungen? Was ginge beim Übersetzen in übliche Umgangssprache verloren?

  • Das gereicht uns zum Guten kann aus einem sehr formellen Kontext stammen, wo der Sprachgebrauch anzeigen soll, dass man Tradition und Stil pflegt. Die Wendung ist sozusagen Frack und Zylinder in Worten. Zentrieren Sie Ihre Schulterblätter … deutet auf Kontexte wie Fitnesstraining oder Physiotherapie.
  • Jugendsprache verändert sich sehr schnell. Wer fünf Jahre älter ist und Werbetexte schreibt, schreibt meist so, wie man vor fünf Jahren in der Szene sprach und schrieb. Wenn, müssen die Texte von Menschen verfasst sein, die jetzt tatsächlich in der Szene leben. Dazu kommt aber, dass die Textsorte Werbetext schon eine Übersetzung aus der Szene in einen formalen Rahmen bedingt. Dieses Problem umgehen Influencer*innen, die aus der Szene für die Szene bloggen, scheinbar aus Freude, ihr Leben in ihrer Sprache mit Peers zu teilen.
  • All diese Varietäten stellen Nähe zur Domäne oder Szene her, in der sie gesprochen werden, etwa Fitness oder Jugendszene. Beim Übersetzen in Umgangssprache geht dieses Gefühl verloren, über die Sprache dazuzugehören.

 

Aufgabe 2: Dialäkt Äpp [20']

Unsere Sprache zeigt nicht nur, wer wir sind, sondern auch, woher wir kommen. Für schweizerdeutsche Dialekte, also für die regional bestimmten Varietäten der Deutschschweiz, hilft Ihnen dabei die Dialäkt Äpp.

  • Wer die App nutzen will, wählt bei zehn vorgegebenen Wörtern unter jeweils einer überschaubaren Anzahl vorgegebener Varianten aus, wie sie oder er dieses Wort spricht im eigenen Dialekt. Diese Angaben reichen der App aus, um auf wenige Kilometer genau zu bestimmen, wo in der Schweiz man aufgewachsen ist – vorausgesetzt, man mischt die Dialekte nicht beim Sprechen.
  • In der Beschreibung der Dialäkt-Äpp erfahren Sie Wesentliches dazu, was es aus sprachwissenschaftlicher Sicht bedeutet, wenn das Ergebnis der App zutrifft oder eben nicht:
    https://apps.apple.com/de/app/dialäkt-äpp/id606559705

 

Aufgabe 3: Repertoire [10']

In welchen Kulturen bewegen Sie sich? Und welche sprachlichen Praktiken sind dort üblich? Mit anderen Worten: Wie spiegelt sich Ihre Welterfahrung in ihrem sprachlichen Repertoire?  – Als künftige Sprachprofis schauen Sie hier auf Ihr bisheriges Repertoire von Begrüßungsformen und Sprachstilen:

  • Wie begrüßen Sie Ihre Partnerin, Ihren Partner? Ihre Geschwister, Eltern und Großeltern? Ihre Sportskollegen und Sportskolleginnen? Ihre Mitstudierenden? Die Kollegen und Kolleginnen am Arbeitsplatz?
  • Duzen Sie Ihre Nachbarn? Wenn ja, welche, und warum? Mit wem sind oder waren Sie am Arbeitsplatz per Sie? Und warum das?
  • Welche Unterschiede in Stil, Grammatik und Rechtschreibung fallen Ihnen selbst auf, wenn Sie an Ihre Briefe, E-Mails, WhatsApp-Nachrichten und Tweets denken?

  • Je persönlicher eine Beziehung, desto informeller und individueller kann der Sprachgebrauch sein. Wer sich persönlich sehr gut kennt, kann sich auch mit Blicken und Berührungen begrüßen. In formellen Beziehungen dagegen, etwa an einem neuen Arbeitsplatz, prüfen viele Menschen, wie man einander hier begrüßt, und übernehmen dann diese sozial eingeschliffene Norm, um dazuzugehören.
  • Duzen im Deutschen dokumentiert und suggeriert eine gewissen informelle Nähe, sozusagen das Unkomplizierte.
  • Je kommunikationsgewandter Sie sind, desto stärker werden Sie Ihren Stil dem Kontext anpassen – oder ganz bewusst dagegensteuern, um aufzufallen. Beides bedingt ein breites Repertoire an Varietäten und die Kompetenz, jeweils die passende Varietät auszuwählen.

 

Aufgabe 4: I ha gnue [15']

Die beiden Schweizer Dialekte Zürichdeutsch und Berndeutsch klingen für die Musikerin Dodo Hug nach unterschiedlichen Welten mit unterschiedlichem Lebensgefühl: der eine Dialekt geschäftig, der andere gemütlich. Welcher Dialekt steht in ihrem Lied I ha gnue wofür?

  • Zürichdeutsch steht für Stress, Berndeutsch für Entspannung.
  • Das Zürichdeutsch spricht sie höher, schneller, kantiger; das Berndeutsch tiefer, langsamer, runder.

 

Aufgabe 5: Stilsicher [10']

Zeigen Sie kommunikative Kompetenz. In der Übung Stilsicher wählen Sie den Ausdruck, der für Sie im Stil am besten passt, und begründen Ihre Wahl:

  • Mir graut vor … – was schließt hier stilistisch nahtlos an:
    dieser Panne | diesem Ungemach | diesen Problemchen | diesem Berg Arbeit
  • Hallo Lea! – Ein Text, der mit dieser Anrede beginnt, schließt am besten mit:
    Herzlichst | Herzlichen Gruß| Bis bald | Cheers
  • In einen Text, der das Phänomen der Resilienz beschreibt, passt auch der Begriff der
    Inkompetenzkompensationskompetenz | Zoom Fatigue | starken Deklination
  • Warum sind diese drei Aufgaben in einem Lehrmittel, das von wissenschaftlich erzeugtem Wissen ausgeht, nicht ganz unproblematisch?

  • Zwei Varianten: diesem Ungemach passt, weil es ebenfalls alt, gewählt und gesetzt klingt; diesem Berg Arbeit kommt hin, weil das Ganze zusammen leicht ironisch wirkt. Der Berg muss wirklich hoch sein, wenn einem davor graut. Das sind persönliche Einschätzungen und Begründungen. In bestimmten Kommunikaitonskontexten kann jede dieser Varianten als passend begründet werden.
  • Auch hier: persönliches Stilempfinden. Nach dem deutschen informellen Hallo passt für mich Bis bald. Die Herzvarianten klingen zu förmlich, Cheers zu englisch. Was mit  Cheers aufhört, könnte mit Hi Lea beginnen, damits passt.
  • Die Zoom Fatigue stammt aus der gleichen Sprache, der Fachsprache einer Psychologie, die mit Laien kommuniziert. Das gilt zwar für das superlange Kompetenzwort auch, aber hier ist das Thema ein anderes. Die starke Deklination stammt aus einer anderen Fachsprache, Linguistik.
  • Weil bei allen drei Aufgaben, vor allem aber den ersten beiden, individuelles, persönliches Stilempfinden mitschwingen. Aus wissenschaftlicher Sicht lässt sich für praktisch jeden Fall ein Kontext finden, in dem genau diese Äußerung von vermutlich vielen Sprecher*innen als angemessen eingestuft würde.
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Aufgabe 1: Sprechwerkzeug [20']

Warum bloß dieser Absatz zum Körpertraining in einem Lehrmittel zu Angewandter Linguistik im Beruf? – Sprachgebrauch setzt den Körper voraus, Kommunikation ist Ganzkörpereinsatz. Tippen am Computer etwa bedingt bewegliche Finger, Hände, und Arme und einen Körper, der so sitzen und sich zwischendurch bewegen kann, dass er sich nicht verspannt. Ohne geschickte Körperführung, die wir allerdings oft unbewusst steuern, schaffen wir diese extrem einseitige Tätigkeit lange, ohne krank zu werden. Und beim Sprechen? Wie ist es da? Dazu die Übung Sprechwerkzeug.

  • Bei Susi vibriert der Kehlkopf, bei Wasser nicht. Sie fühlen das deutlicher, wenn Sie die S künstlich lang sprechen: SSSSSSusssssi, Wassssssser.
  • Auch der Stimmtrakt ist Teil des Körpers. Steigt die allgemeine Körperspannung, sind auch die Organe angespannter, die wir brauchen, um Luftdruck aufzubauen und Laute zu bilden.
  • Berufliches Sprechen bedingt eine gute körperliche Verfassung und wird ähnlich geübt wie Bewegungsmuster im Sport.

 

Aufgabe 2: Holzschnitt [10']

Alltagstheorien haben aber auch ihre Grenzen. Vergessen wir nicht: Reden ist Schweigen, Silber ist Gold (oder so ähnlich). – Überlegen Sie in der Übung Holzschnitt, warum Alltagstheorien zwar helfen können, aber nicht immer ausreichen für erfolgreiche berufliche Kommunikation.

  • Gelernt ist gelernt. – Suchen Sie ein Beispiel für berufliches Übersetzen, bei dem diese Alltagstheorie aus Ihrer Sicht zutrifft, und eines, bei dem sie zu kurz greift.
  • Zu viel ist zu viel. – Finden Sie ein Beispiel aus Ihrer Erfahrung mit Journalismus oder Organisationskommunikation, wo diese Alltagstheorie nicht zutrifft?
  • Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. – Sie begleiten Migrantinnen und Migranten dabei, Deutsch als Fremdsprache lebensnah zu lernen. Finden Sie ein Beispiel, das ihnen zeigt, wann reden Gold ist.

  • Wer einmal verstanden, dass gute Übersetzungen profundes Wissen aus beiden Sprachkulturen bedingt, wird beim Übersetzen immer auf den kulturellen Kontext achten. Die Hilfsmittel für berufliches Übersetzen dagegen entwickeln sich rasch weiter, was ständiges Weiterlernen erfordert. Dies gilt auch für die sprachlichen Praktiken in Ausgangs- und Zielkultur. Auch sie ändern sich, und auch da will auf dem Laufenden bleiben, wer professionell übersetzt.
  • Man kann zwar zu viel Zeit verwenden, um zu überprüfen, ob ein Text richtig und angemessen ist – aber das Ergebnis dieser Arbeit, der fertige Text, kann in den üblichen denkbaren Kontexten von Journalismus oder Organisationskommunikation kaum zu richtig und zu angemessen sein. Ein Gegenbeispiel wäre die gezielte Provokation, wo eine Journalistin oder ein Kommunikator Normen und Erwartungen bewusst verletzen wollen.
  • Vor Gericht oder in medizinischen Kontrollen etwa kann es für Migrant*innen von Vorteil sein, Sachverhalte auch dann zur Sprache zu bringen, wenn dadurch in der eigenen Kultur Tabus verletzt würden. Denn: Sind diese Tabus hier nicht bekannt, kommt die Gegenseite im Gespräch nicht von selbst auf die Idee, dass an diesem Ort noch etwas sein könnte, an das man sich nun andeutungsweise herantasten muss im Gespräch.

 

Aufgabe 3: Wegweiser [15']

Sich orientieren in Straßendschungel einer Stadt – da ist Schauen aus Distanz besonders gefragt. In unterschiedlichen Kulturen haben sich unterschiedliche Theorien herausgebildet, wie das am besten gelingt. Diese Theorien beeinflussen das Verhalten der Menschen im Alltag, wenn sie einander erklären, wo es lang geht. Finden Sie die Unterschiede im Fall Wegweiser.

  • In Japan werden Adressen anders beschrieben als in weiten Teilen Westeuropas. Das hat Auswirkungen etwa darauf, wie die Menschen in diesen Kulturen durch Städte navigieren und einander den Weg beschreiben. Die geografische Alltagstheorie bestimmt das Verhalten.
    https://youtu.be/q1zh49J5rsg
    Überlegen Sie, was das mit der Sentenz tun hat, die zum Schluss des Videos erwähnt wird: «Whatever true thing you can say about India, the opposite is also true».

  • Es kommt auf die kulturelle Brille an, mit der man einen Gegenstand betrachtet und dadurch im Kopf konstruiert. Ein und dieselbe Sache in der Welt an sich ist in der Welt für dich nicht das Gleiche wie in der Welt für mich. Das zeigt sich zum Beispiel eben in unterschiedlichen kulturellen Ausprägungen, die Architektur von Städten zu verstehen, durch Städte zu navigieren und sich über diese Navigation mit anderen auszutauschen.

 

Aufgabe 4: Desserts [10']

Unbewusst überprüfen wir unsere Alltagstheorien ständig, indem wir daraus Hypothesen für unser Handeln ableiten. Das hilft uns, angemessene Erwartungen an die Zukunft aufzubauen und uns in der Gegenwart angemessen zu verhalten. Verhält sich die Welt dann einmal deutlich anders, als wir es aufgrund der Alltagstheorie der abgeleiteten Hypothesen erwartet hätten, sind wir erstaunt bis überfordert. Damit spielt der Kurzfilm Desserts von Jeff Stark. Gönnen Sie sich den Schock einer völlig überraschend widerlegten Hypothese:

  • Schauen Sie sich den Kurzfilm Desserts von Jeff Stark an, zuerst nur den Vorspann und den Anfang, bis Zeitpunkt 1:36:
    https://www.youtube.com/watch?v=H18ljZBm5uU
  • Welche Erwartung bauen Sie auf, welche Hypothesen zu Fortsetzung und Ende des Films laden Sie, unbewusst, im Kopfkino?
  • Dann schauen Sie den Film zu Ende. Zu welchem Zeitpunkt bricht der Film Ihre Erwartung? Und wie lässt er Sie zurück?
  • Mit etwas Abstand zum Schock: Welche Hypothesen zum Zusammenhang von Mensch und Natur kommen Ihnen in den Sinn?
  • Sind diese Hypothesen übertragbar auf den Zusammenhang von menschlichem Tun und Natur in größerem Rahmen?

  • Alle möglichen, aber kaum die, dass hier die Erfahrung von Mensch angelt Fisch ins Gegenteil gekehrt wird.
  • Das Dessert scheint an einer bisher versteckten Strippe zu hängen, die aus dem Sand emporschnellt. Surreal, aber deutlich erkennbar.
  • Der Mensch denkt, er dominiere die Natur. Vermutlich ist es aber umgekehrt, und da könnten noch ein paar Überraschungen auf uns zukommen.
  • Pandemien und Klimawandel kommen, obwohl längst angewarnt, für viele überraschend und überwältigend, wie das Geangelt-Werden im Film.

 

Aufgabe 5: Labov-Experiment [10']

Am wesentlichen Ort hinschauen und dann die Erfahrungen aus der Wirklichkeit überlegt verallgemeinern, so bilden wir Theorien, im Alltag wie in der Wissenschaft. In der Wissenschaft tun wir dies methodisch überlegt und begründbar. Wissenschaftliches Beobachten der Wirklichkeit – Empirie – geht also systematisch vor. Dazu finden Sie hier das Labov-Experiment:

  • William Labov unterscheidet Warenhäuser, deren Angebot sich an unterschiedliche Kaufkraftklassen und damit soziale Schichten richtet. An jedem dieser Orte bringt er die Kund*innen in kurzen Interviews dazu, die Kollokation fourth floor zu sprechen. Dann zeigt er, dass die Art, wie das r artikuliert wird, von der sozialen Schicht abhängt.
  • Sprache spiegelt also soziale Schicht, und dies sogar auf der Ebene der Lautbildung. Diese Hypothese hat Labov überprüft und weiter gefestigt an Orten, wo die Schicht aufgrund äußerer Einflüsse – Preise und Prestige der angebotenen Waren – unter sich ist. Die empirischen Daten sind die aufgezeichneten Lautvarianten in den Auskünften der befragten Leute, zu den Metadaten zählt der Aufzeichnungsort, also das Warenhaus mit seinem gesellschaftlichen Status.

 

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Aufgabe 1: Inklusive Sprache [15']

Keine Ahnung? Was genau bewirken wir, wenn wir etwas tun? Solides Wissen gibt es auch dazu, was wir in der Gesellschaft bewirken, wenn wir Menschengruppen im Sprachgebrauch nur mitmeinen – oder wenn wir sie direkt ansprechen und benennen. Mehr dazu finden Sie in der Übung inklusive Sprache:

  • Texte in leichter Sprache werden von den Zielgruppen eines Kommunikationsangebots besser wahrgenommen, zu Ende gelesen oder gehört, verstanden, behalten und in Tat umgesetzt als Texte, die nicht in leichter Sprache abgefasst sind.
  • Wir neigen dazu, die Welt, die wir als Kind wahrnehmen, etwa in Kindermedien, im späteren Leben zu reproduzieren. Zu dieser Wahrnehmung der Welt gehört, welche Gender welche Rollen einnehmen können und sollen.

 

Aufgabe 2: Unstoppbar [15']

Die Wissenschaftsdisziplin, die sich mit Sprache befasst, heißt Linguistik. Sie kann zum Beispiel empirisch begründet erklären, warum sich Sprache ständig weiterentwickelt und damit auch wandelt – selbst wenn dies vielen sprachlichen Laien nicht gefällt, die ihre Sprache in einem bestimmten Zustand bewahren wollen. Sprachpflegerische Bemühungen, die den Sprachwandel zu stoppen versuchen, indem sie etwa Anglizismen aus dem Deutschen auschließen wollen, müssen scheitern. Warum, erfahren Sie in der Übung Unstoppbar:

  • Warum muss sich Sprache weiterentwickeln? Warum sind Sprachen immer im Fluss? Erfahren Sie das in fünf Minuten von Claire Bowern, am Beispiel «des» Englischen:
    https://www.youtube.com/watch?v=YEaSxhcns7Y
  • Das Wort des steht oben in Anführungszeichen, genauer gesagt, in Scare Quotes oder Gänsefüßchen. Sie schaffen Distanz zum angeführten Wort. Warum ist dies hier am Platz?
  • Nutzen Sie Ihre Einsichten aus dem Video, um die Idee von Sprachpurist*innen zu kommentieren, das Deutsche von Einflüssen des Englischen rein zu halten.

  • Es gibt nicht das oder ein einziges Englisch, es gibt viele Varietäten davon.
  • Mit der Welt verändert sich auch die Sprache, mit der wir die Welt benennen und gestalten.

 

Aufgabe 3: Herausforderung [10']

Nehmen Sie irgendein drängendes gesellschaftliches Problem – Sprache und Kommunikation können wesentlich zu seiner Lösung beitragen. Deshalb sind sprachliches Wissen und Können gefragt in einer Welt, in der wir die größten Herausforderungen nur noch gemeinsam angehen können. In der Übung Herausforderung begreifen Sie den Nutzen Angewandter Linguistik:

  • Erfahren Sie auf der Webseite der Weltorganisation der Angewandten Linguistik, AILA, wozu sich das Fach verpflichtet und wofür sich die Fachorganisation einsetzt:
    https://aila.info/home/qa/
  • Nennen Sie zwei Beispiele für gesellschaftlich zentrale Probleme, zu deren Lösung Sprache und damit auch ihre Erforschung wesentlich beitragen.

  • Welche Sprachen sollen Migrant*innen in ihrem neuen Sprachraum sprechen, und warum? Wie können wir den Klimawandel so erklären, dass möglichst viele Menschen ihre Mitverantwortung wahrnehmen?

 

Aufgabe 4: Tattuh, Kebap, Presidiot [10']

Normverstöße im Sprachgebrauch können unter die Haut gehen, und kommunikative Angemessenheit kann ins Kleingedruckte rutschen. Dazu die Fälle Tattuh, Kebap, und Presidiot:

  • Dass es durchaus sein könnte, dass die Trägerin dieses Tattoos bereut, die Rechtschreibung vor dem Stechen nicht überprüft zu haben. Das Ganze könnte allerdings auch einem sehr hingebungsvollen Sinn für Ironie entsprungen sein.
  • Die Normverstöße bestehen darin, dass die Begriffe Hühner Kebap und Kinder Kebap nicht mit Bindestrich gekoppelt sind. Anders als im Englischen werden im Deutschen Nominalkomposita zusammen oder mindestens gekoppelt geschrieben.
  • Aber das wirkliche Problem besteht in kommunikativer Unangemessenheit. Der erste Begriff suggeriert das Verknüpfungsmodell Kebap aus Hühnerfleisch, was beim Lesen des zweiten Begriffs zur gruseligen Deutung Kebap aus Kinderfleisch führt.
  • Politischen Protest an dieser Stelle erwartet niemand; das kann aus der Sicht von Menschen, die ähnlich denken wie die hier Protestierenden, gerade die Angemessenheit der Kritik am Präsidenten ausmachen. Eine erfrischende Art des Wadenbeißens.

 

Aufgabe 5: Uns-ich-er-es [10']

Sprachliches Wissen und Können, sprachliche Kompetenz in Alltag und Beruf, greifen dort besonders stark ineinander, wo wir mit Sprache spielen, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen. Ein Sprachspiel dieser Art bedingt linguistische Analyse (griechisch ανάλυσις, Zergliederung): Wir zerlegen Sprache und setzen sie auf unerwartete, aber einleuchtende Weise wieder zusammen. Artistisches, Uns-ich-er-es dazu von Beat Gloor:

  • Besuchen Sie die Webseite uns-ich-er des Sprachprofis Beat Gloor. Welche Filme im Kopfkino lösen die Worttrennungen unter der Rubrik mensch in Ihnen aus? Warum?
    https://www.uns-ich-er.ch/mensch.html
  • Woher kommt es, dass Wortspiele und Sprachwitz sehr spät dazukommen, wenn Sie eine neue Sprache lernen? Was ist Ihre Vermutung dazu?
  • Wie schätzen Sie unter diesem Blickwinkel die Tatsache ein, dass in internationalen Organisationen oft alle Menschen die gleiche Verkehrssprache sprechen, heute Englisch?

  • Welche Filme das immer sind, ausgelöst werden sie durch einen neuen Blick auf ein Wort, das man bisher nie in diese Teile zerlegt hat beim Lesen und Verstehen.
  • Um mit Wörtern und Sprache überhaupt spielen zu können, muss man in die Wörter hineinschauen können, ihren entlegenen Nebensinn kennen oder, wie hier, den ihrer Bruchstücke.
  • Eine Verkehrssprache, die von sehr vielen Menschen sehr mittelmäßig gesprochen wird, ermöglicht einfache und ungefähre Kommunikation über Sprachgrenzen hinweg, erschwert aber Präzision, Hintersinn und Humor erschweren, was sowohl die Freude am Kommunizieren dämpfen also auch das Ergebnis der Verständigung schmälern kann.

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Aufgabe 1: Zum Diktat [20']

Künstliche Intelligenz kann auch Sprache – und auch da beruhen Entscheidungen auf großen Mengen von Daten, in denen die Maschine Muster erkennt. Erleben Sie das in der Übung Zum Diktat:

  • Nutzen Sie die Möglichkeit, Ihrem Computer einen Text zu diktieren. Sprechen Sie ganze Sätze. Beobachten Sie, wie sich der diktierte Text am Bildschirm verändert, während Sie sprechen.
  • Stellen Sie Hypothesen dazu auf, warum sich dieser Text laufend verändert, während Sie Ihre Sätze zu Ende sprechen beim Diktieren.
  • Stellen Sie ebenfalls Hypothesen dazu auf, warum der Computer einige Wendungen besser versteht, andere dagegen kaum oder gar nicht.

  • Beim Diktieren bringen wir die Luft zum Schwingen. Der Computer analysiert die aufgenommenen Schwingungsverläufe, zerlegt sie in Einheiten und ordnet den Einheiten möglichst passende Wörter zu. Bei dieser Musteranalyse bezieht er den Ko-Text der Einheiten mit ein: Mit jeder neuen Schallinformation, die den Computer erreicht, bevor der Schallstrom kurz versiegt, weil wir am Satzende kurz pausieren, wird alles Bisherige neu durchgerechnet und mit abgespeicherten Mustern verglichen, um das passendste zu finden.
  • Dieser Mustervergleich funktioniert umso besser, je häufiger die Muster sind, die der Computer wahrnimmt. Häufige Muster – also übliche Formulierungen – kann er mit mehr bereits gelösten Fällen vergleichen und deshalb sicherer zuordnen.

 

Aufgabe 2: Künstliche Intelligenz [10']

Künstliche Intelligenz entsteht durch Algorithmen, die so gebaut sind, dass die Maschine in der Anwendung dieser Algorithmen auf bestimmte Daten lernt – dass also die Algorithmen sich selbst weiterentwickeln und sich dabei die Tätigkeit der Maschine der Umwelt anpasst. Dass auch wir Menschen die Sprache ein Stück weit algorithmisch verarbeiten, also Schritt für Schritt in immergleichen Handlungsmustern, das zeigt Ihnen das Wortquirl-Experiment. Hier erfahren Sie, warum wir schneller lesen, als wir eigentlich lesen könnten:

  • Lesen Sie den Text im nächsten Absatz laut und flüssig. Stellen Sie eine Hypothese dazu auf, warum das möglich ist.

Gmäeß eneir Sutide eneir elgnihcesn Uvinisterät, ist es nchit witihcg in wlecehr Rneflo-gheie die Bstachuebn in eneim Wrot snid, das ezniige was wcthiig ist, ist dass der estre und der leztte Bstabchue an der ritihcegn Pstoiion snid. Der Rset knan ein ttoaelr Bsin-öldn sien, tedztorm knan man ihn onhe Pemoblre lseen. Das ist so, wiel wir nciht jeedn Bstachuebn enzelin leesn, snderon das Wrot als gseatems. Ehct ksras! Das ghet wicklirh!

  • Und jetzt das Gleiche nochmal, aber in Englisch. Überdenken Sie dann Ihre Hypothese von oben. Wie, vermuten Sie, funktioniert der menschliche Textprozessor beim Lesen?

Aoccdrnig to a rscheearch at Cmabrigde Uinervtisy, it deosn't mttaer in waht oredr the ltteers in a wrod are, the olny iprmoetnt tihng is taht the frist and lsat ltteer be at the rghit pclae. The rset can be a total mses and you can sitll raed it wouthit porbelm. Tihs is bcuseae the huamn mnid deos not raed ervey lteter by istlef, But the wrod as a wlohe. Fcuknig amzanig huh?

  • Wenn wir flüssig lesen, achten wir besonders auf die Ränder der Wörter. Was dazwischen liegt, wird summarisch wahrgenommen: Dort stört es kaum, wenn die Reihenfolge der Buchstaben nicht stimmt.
  • Dabei spielt keine Rolle, ob man eine Sprache sehr gut oder nur OK spricht. Das Abscannen des Gelesenen auf die Ränder der Wörter als der offensichtlichen Einheiten hin ist ein Verfahren, das beim Lesen aller Sprachen zum Zug kommt, die Laut um Laut geschrieben werden.

 

Aufgabe 3: Kürzestgeschichte [5']

Zum Beispiel herausfordern mit Sprache, die Grenzen zum Tabu kennen und nur ganz leicht überschreiten – und so bei unseren Adressaten ganz bewusst einen Cocktail von Emotionen wecken … das schaffen wir Menschen mit sprachlicher Kreativität und mit unserer Lebenserfahrung. Solch menschlichen Mehrwert im Sprachgebrauch erleben Sie beim Verstehen dieser Kürzestgeschichten:

  • Beobachten Sie und halten Sie fest, was in Ihrem Kopfkino abgeht, wenn Sie die folgende Kürzestgeschichte lesen:
    Zwei Männer trafen einander auf der Jagd.

Was brauchen Autorinnen und Autoren, um eine Kürzestgeschichte wie die folgende schreiben zu können? Und was brauchen die Leser*innen, um den Hinter-Sinn zu verstehen?
Ungebrauchte Baby-Kleider zu verkaufen.

  • Der Begriff treffen ist doppeldeutig. Dieser Doppelsinn führt dazu, dass wir eine mentale Vorstellung aufbauen, in der die Männer einander erschießen.
  • Mit genug Weltwissen aus Lebenserfahrung erkennen wir hinter dem ungebrauchte die Tragödie, dass ein Baby sicher erwartet wurde, dann aber früh ging oder nie kam.

 

Aufgabe 4: Versprecher[15']

Ob Analphabetismus statt Alphabetismus oder genull nau Uhr statt genau null Uhr, Patzer beim Reden verraten, wie unser Hirn Sprache produziert, bevor der Mund sie artikuliert. Und dies kann damit zusammenhängt wie wir uns fühlen, zum Beispiel vor Publikum. Sprache ist also eine Schnittstelle ins Gehirn, in die Seele des Menschen und in seine Gemeinschaften. Das hat die Psycholinguistik herausgefunden. Die Soziolinguistik kann erklären, warum sich Versprecher oft häufen, wenn Menschen vor vielen anderen sprechen.

 

  • Wenn Sie schön- äh schon im Internet sein- äh sind, recherchieren Sie kurz, was Helen Leuninger unter einem Versprechervirus versteht.
  • Und jetzt das Gleiche, aber mit den Freudschen Versprechern. Wie kommen sie zustande und warum heißen sie so?

  • Sprechen vor Mikrofon, Kamera und Publikum bedingt Präsenz auf ganz vielen bewussten und unbewussten Ebenen der Kommunikation und Sprachverarbeitung: vom Herstellen einer Beziehung zum Publikum bis zum Artikulieren der einzelnen Laute. Zugleich stehen Sprecher*innen in ausgestellten Situationen unter psychischem Druck, ihre Sache gut zu machen und Versprecher zu vermeiden. Nach einem ersten Versprecher gerät die Sprachverarbeitung so durcheinander, dass leicht ein zweiter folgt.
  • Der Psychoanalytiker Sigmund Freud stellte die Theorie auf, dass hinter all unserem Tun ein paar wenige, grundsätzliche Triebe wirken. Auch wenn sie im Alltage verdrängt werden, prägen sie unser Verhalten, unser Handeln und unsere kommunikativen Angebote. In Freudschen Versprechern schlagen sie durch und werden auf der Ebene des Geäußerten greifbar. Dies etwa dann, wenn jemand dem Gegenüber im Streit empfiehlt, jetzt doch wieder pfleglich miteinander unterzugehen (statt umzugehen).

 

Aufgabe 5: I have a dream [20']

Im richtigen Moment genau das Richtige sagen und dabei so überraschen, dass das scheinbar unentrinnbar schwierige Schicksal sich zum Guten wendet: Sprache als beherzte Tat, dies gelang zum Beispiel Martin Luther King, und zwar mit dem Satz I have a dream, mit dem er spontan seine Rede veränderte und damit Weltgeschichte schrieb:

  • Lesen Sie, was sich alles in und zwischen den Beteiligten abgespielt hat, bis Martin Luther Kings Rede zu dem wurde, als das sie heute berühmt ist:
  • Welche Rolle spielen dabei der Berater, das Publikum, die Mahalia Jackson? Wo und wie kommen Empathie, Spontaneität, Kreativität ins Spiel?

  • Der Berater hatte Martin Luther King nahegelegt, auf das Leitmotiv I have a dream zu verzichten, das der Redner schon zu oft verwendet habe in seiner bisherigen Laufbahn. Ergebnis der Beratung war eine anständige, aber nicht besonders packende Redevorlage, auf die das Publikum träge reagierte. Luthers Freundin Mahalia Jackson im Publikum merkte, dass der Rede das Herz des Redners fehlte und deshalb kein Funke sprang, so schrie sie ihm zu, „Tell ’em about the dream, Martin“. Beim zweiten solchen Zuruf löst sich Luther vom Manuskript und beginnt, aus dem Herzen über seinen Traum zu sprechen. Ab da packt er die Menschen, der Funke springt zwischen Redner und Publikum hin und her – und die Rede schreibt Geschichte.
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Aufgabe 1: Progressionsgrafik [20']
Auf welcher empirischen Grundlage entstehen Handlungsempfehlungen wie der Überfalltest? Was leistet eigentlich Textproduktionsforschung? – Erkunden Sie das Besondere dieses Forschungsfelds der Angewandten Linguistik am Beispiel einer ihrer typischen Datenvisualisierungen, der Progressionsgrafik:

  • Überfliegen Sie den Artikel «Irgendwie bin ich immer am Schreiben» von Daniel Perrin und lesen Sie dort genau die Beschreibung der Progressionsgrafik, Abbildung 3. https://jfml.org/article/download/18/26
  • Was stellen die roten Punkte dar, und wie sind sie angeordnet auf der x-  und der y-Achse? Welches Bild zeigt also die gesamte Grafik?
  • Warum kann es hilfreich sein, zu messen und mit solchen Grafiken zu veranschaulichen, wie ein Text entstanden ist?
  • Wie sieht die Progressionsgrafik eines Schreibprozesses aus, bei dem die Autorin hin und her springt und alles immer wieder umstellt?
  • Und wie sieht die Grafik aus, wenn die Autorin zu Beginn des Schreibprozesses überlegt, was sie sagen will und wie sie den Text aufbaut – bevor sie ihn in einem Zug niederschreibt?

  • Die  roten Punkte stellen Revisionen dar, also Stellen, wo etwas in den entstehenden Text eingefügt oder etwas daraus gelöscht wurde. Auf der x-Achse stehen diese Revisionen geordnet nach Zeit, also die zeitlich erste ganz links, die zeitlich letzte ganz rechts. Auf der y-Achse stehen sie geordnet nach ihrer Position im entstehenden Text, also die oberste im Text ganz oben in der Grafik, die unterste im Text ganz unten in der Grafik. Eine solche Grafik zeigt also, wie sich jemand beim Schreiben durch den entstehenden Text bewegt hat.
  • So zeigen sich Prozessmuster, also wiederkehrende Verhalten beim Schreiben eines Textes. Es gibt Menschen, die neigen dazu, unterwegs sehr viel zu korrigieren, während andere flüssig durchschreiben. Diese Verhaltensweisen begünstigen oder erschweren es, bestimmte Ziele zu erreichen, die sich die Schreibenden für ihre Prozesse und Produkte gesteckt haben.
  • Eine solche Grafik ist sehr zackig. Jedes Springen nach oben im entstehenden Text führt zu einem Sprung des Graphs nach oben.
  • Eine solche Grafik ist linear, der Graph zeigt von links oben nach rechts unten, weil jede zeitlich spätere Revision jeweils weiter unten im Text erfolgt als die vorangehende.

Aufgabe 2: Welt retten [15']
Tun Sie das. Testen Sie den Überfalltest und erfassen Sie die Hauptbotschaft! Nutzen Sie dazu die Aufgabe Welt retten:

  • Lesen Sie den Text unten. Wenden Sie dann den Überfalltest an. Sobald Sie wissen, was Sie wollen, schreiben Sie den Text in einem Zug von oben nach unten durch. 

ap. Eine Abwendung der von vielen Wissenschaftlern befürchteten Klimakatastrophe wäre mit heute bereits bekannten und einsatzreifen Techniken möglich, würde aber einen unvorstellbaren Kraftakt der gesamten Menschheit erfordern. Über dieses Ergebnis eigener Berechnungen berichtet der Leiter des Eduard-Pestel-Instituts für Systemforschung in Hannover, Klaus-Peter Möller, in der Februar-Ausgabe der Zeitschrift »Bild der Wissenschaft«. Nach den Berechnungen Möllers wäre eine Summe von 22 1/2 Billionen Dollar (4000 Dollar pro Erdenbürger!) notwendig, um 75 Prozent der heute genutzten fossilen Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas einzusparen oder durch andere Energien zu ersetzen, deren Nutzung nicht das Klima-Schadgas Kohlendioxid (CO2) freisetzt.

  • Wie lautete Ihre Hauptbotschaft für den Text, die Sie im Überfalltest vor dem Schreiben festgelegt hatten?
  • Welche Probleme stellen sich Ihnen beim Herunterschreiben in einem Zug? Wie gehen Sie mit diesen Problemen um, damit Sie im Schreibfluss bleiben zu können?

  • Zum Beispiel: Die Welt kann zu retten sein, wenn dafür entsprechend Mittel eingesetzt werden. Oder: Die Welt wäre zu retten, aber das ist sehr teuer. Oder: Die Welt zu retten, kostet einen überschaubaren Betrag.
  • Details kommen einem nicht einfach so in den Sinn beim flüssigen Herunterschreiben. Waren es jetzt 70 oder 75 Prozent? – Viele erfahrene Schreibende setzen in solchen Situationen einfach xxx in den Text und schreiben weiter, bleiben also im Schreibfluss. Sie kennen ja die Größenordnung, weil Sie sich die Geschichte im Großen und Ganzen überlegt haben, und Sie wissen, wo Sie die Details nachschauen können. Dies tun Sie nach dem ersten Durchlauf, wenn Sie alle xxx ersetzen durch konkrete Formulierungen.

Aufgabe 3: Schreibgefühle [5']
Adrenalinschub … In der Tat beeinflussen Emotionen unser Schreibhandeln stark. Gönnen Sie sich dazu das Quiz Schreibgefühle:

Lesen Sie die folgenden drei Fragen. Wählen Sie bei jeder die Antwort, die Ihrer Meinung nach am besten zutrifft. Begründen Sie Ihre Wahl.

1.Beim Schreiben wecken nur emotionale Texte Gefühle

                .     richtig

                .     falsch

2. Beim Schreiben kann man negative Gefühle so leicht abbauen wie in einem Gespräch.

                .     richtig

                .     falsch

3. Emotionen, aufgebaut im letzten Schreibprozess, werden im nächsten wieder wach.

                .     richtig

                .     falsch

  1. falsch. Auch ein knochentrockener Text kann beim Schreiben Gefühle wecken, etwa Ärger und Wut über den Auftraggeber oder eigene Langsamkeit.
  2. falsch. Beim Schreiben sind die meisten Menschen allein, können sich also nicht austauschen mit anderen, wie im Gespräch. Die Gefühle stauen sich auf.
  3. richtig. Sitzt man später wieder in einer ähnlichen Situation, mit ähnlicher Aufgabe und ähnlichen Problemen, kommen die alten Gefühle wieder hoch.
Aufgabe 4: Werkzeugkasten [20']
Wenn Sie hier arbeiten, haben Sie in Ihrem bisherigen Leben bestimmt schon Tausende von Texten geschrieben, Präsentationen gegeben und Diskussionen geführt. Dabei haben Sie sich, unbewusst, Ihre eigenen Techniken angeeignet. Machen Sie sich einige davon bewusst mit der Checkliste Werkzeugkasten.
  • Welche dieser Praktiken kommen Ihnen vertraut vor? Welche wenden Sie selbst an, weil sie sich in Ihrem Leben als schreibende Person bisher bewährt haben?
a. Ich überlege mir vor dem Schreiben, ob dieser neue Text wirklich nötig ist.
b. Nach dem Schreiben bleibe ich dran, bis der Text in der Zielgruppe angekommen ist.
c. Ich versuche, alle Notizen und Quellentexte gelesen und bereit zu haben, bevor ich schreibe.
d. Ich wechsle bewusst ab zwischen Schreiben und Nachlesen des bereits Geschriebenen.
e. Die Möglichkeiten und Macken meines Schreibcomputers sind mir vertraut.
f. Wenn ich schreibe, schiebe ich andere Aufgaben beiseite bis zum nächsten Etappenziel.
g. Ich plane Kontakte zu anderen bewusst ein beim Schreiben und lasse mich nicht ablenken.
h. Ich kenne meine Hauptbotschaft, wenn ich schreibe.
i. Ich habe eine grobe Vorstellung vom Aufbau, bevor ich loslege.
j. Um im Schreibfluss bleiben zu können, lasse ich offene Fragen auch mal stehen.
k. Beim Überarbeiten achte ich darauf, dass Stil und Ton durchgezogen sind.
l. Ich grenze mein Thema so ein, dass ich dazu das Wesentliche schreiben kann.
m. In meinem Text treten die wichtigsten Akteure auf, die zum Thema beizusteuern haben.
n. Meine eigene Stimme, meine Meinung bringe ich bewusst so ein, dass es passt.
o. Den Text baue ich bewusst so auf, dass die Form zum Thema passt.
p. Ich versuche, so zu schreiben,  dass sich die Adressatinnen und Adressaten angesprochen fühlen.
  • Ordnen Sie diese Techniken den 16 Handlungsfeldern der Textproduktion zu, wie Sie im Text «Irgendwie bin ich immer am Schreiben», Abbildung 7, beschrieben sind.  https://jfml.org/article/download/18/26

  • Praktiken zur Nutzung des Arbeitsplatzes
    HANDLING SOCIAL ENVIRONMENT: Praktik g
    HANDLING TASK ENVIRONMENT: f
    HANDLING TOOLS ENVIRONMENT: e
  • Prakiken an der Schnittstelle zur Wertschöpfungskette
    COMPREHENDING THE TASK: a
    IMPLEMENTING THE PRODUCT: b
  • Praktiken zum Schreiben im engeren Sinn
    GOAL SETTING: h
    PLANNING: i
    CONTROLLING: j
    MONITORING: k
  • Praktiken im intertextuellen Umfeld
    READING SOURCE TEXT: c
    READING OWN TEXT: d
  • Praktiken zum beabsichtigten Wirkungsfeld des Produkts
    LIMITING THE TOPIC: l
    FINDING THE SOURCES: m
    TAKING OWN POSITION: n
    STAGING THE STORY: o
    ESTABLISHING RELEVANCE FOR THE AUDIENCE: p

 

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Aufgabe +1: Angewandte Linguistik [20']
Schreiben Sie in einem Satz auf, was Angewandte Linguistik leistet. Tun Sie dies zweimal: zuerst aus der Erinnerung und dann, nachdem Sie die entsprechenden Textstellen in diesem MOOC nochmal gelesen haben.

  • Angewandte Linguistik erkennt und löst Probleme von gesellschaftlicher Bedeutung, bei denen Sprache eine wesentliche Rolle spielt.
Aufgabe +2:  Sprache und Sprachwissen [10']
1. Welche Aussagen zum Zusammenhang von Sprache, Denken und Handeln treffen zu?
a Sprache ist das Gleiche wie Denken und Handeln.
b Sprachgebrauch beeinflusst Denken und Handeln.
c Wir können nur denken, was wir handeln können.
d Die Perlokution muss nicht der Illokution entsprechen.
2. Welche Aussagen zum Wissen über Sprachgebrauch treffen zu?
a Alltagswissen ist systematischer, aber impliziter als wissenschaftliches Wissen.
b Abstraktes Wissen bedeutet vom Einzelfall losgelöstes, verallgemeinertes Wissen.
c Theorien Angewandter Linguistik erleichtern es, neue Situationen einzuschätzen.
d Wissen über Sprachnormen erleichtert Kommunikation, reicht aber nicht aus.

  • Zutreffend sind 1b, 1d, 2b, 2c, 2d
Aufgabe +3: Die Macht der Sprache [30']
Was verstehen Sie unter der Macht der Sprache, im Alltag und im Beruf? Finden Sie ein starkes Beispiel aus Ihrer Alltags- oder Berufserfahrung und verfassen Sie einen Text von hundert Wörtern, in dem Sie einer Kollegin Ihr Verständnis von Macht der Sprache an diesem Beispiel erklären. Nutzen Sie vor dem Schreiben den Überfalltest.

  • Ein Beispiel: Macht der Sprache bedeutet, dass ich mit Sprache etwas erreichen kann. Zum Beispiel kann ich im Studium zeigen, dass ich mein Werkzeug geschliffen habe für meinen Beruf und nun in der Gesellschaft zum Ganzen beitragen kann. Denn diese Fähigkeit, zum Ganzen beizutragen, ist der Grund, warum die Öffentlichkeit meine Ausbildung bezahlt: Ich mache mich fit, die Welt weiterzuentwickeln, zusammen mit vielen anderen. Meine Fitness zeigt sich in meinen sprachlichen Äußerungen in Praktika und in Prüfungen. Sprache gibt mir also die Macht, berufliche Fitness so unter Beweis zu stellen, dass ich das nächste Level erreiche: den Bachelorabschluss von Studium und Berufsausbildung.

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Aufgabe 1: «gewinkt/gewunken» [15’]

Die folgende Aufgabe wird Ihnen ein Beispiel dafür geben, wie differenziert korpuslinguistische Daten den Sprachgebrauch abbilden können – und dass man mit Pauschalurteilen vorsichtig sein muss.

Bitte lesen Sie zunächst die Kolumne von Bastian Sick (Link zur Kolumne). Anschließend analysieren Sie die Daten (siehe Abbildungen unten) zu gewunken und gewinkt aus dem Deutschen Referenzkorpus (DeReKo) des Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (Abfrage vom 28.08.2021).
Hat Bastian Sick Recht? Was sagen die Daten zur zeitlichen und nationalen Entwicklung der beiden Varianten?

 

Abfrage gewunken, Ergebnisdarstellung in Länderansicht (Daten aus DeReKo)

 

Abfrage gewinkt, Ergebnisdarstellung in Länderansicht (Daten aus DeReKo)

 

Abfrage gewunken, Ergebnisdarstellung in Jahrzehnt-Ansicht (Daten aus DeReKo)

 

Abfrage gewinkt, Ergebnisdarstellung in Jahrzehnt-Ansicht (Daten aus DeReKo)

Quelle: Institut für Deutsche Sprache (IDS). (o.J.). Das Deutsche Referenzkorpus – DeReKo: COSMAS II, https://cosmas2.ids-mannheim.de, letzter Abruf am 05.09.2022.

 

Für Bastian Sick ist die Form gewunken nur «landschaftlich verbreitet» und «streng genommen ein Irrtum».
Die Daten aus DeReKo zeigen aber, dass die Form gewunken in Deutschland und in Österreich fast doppelt so häufig vorkommt wie gewinkt. Auch die wenigen Vorkommen in Luxemburg zeigen Ähnliches. Einzig in der Schweiz wird gewinkt bevorzugt und doppelt so häufig wie die Form gewunken verwendet. Insgesamt kann also nicht von einer rein landschaftlichen Verbreitung gesprochen werden.
Auch die Verteilung über die Jahrzehnte in allen drei Ländern zeigt, dass die Form gewunken deutlich häufiger verwendet wird. Gewinkt scheint zwar älter zu sein, wird aber seit den 1970er Jahren durch gewunken verdrängt.
Kann man also noch sagen, dass winken regelmäßig («ich winke, ich winkte, ich habe gewinkt») konjugiert wird?

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Erfahren Sie durch die folgenden beiden Aufgaben, inwiefern Wörterbuchredaktionen und Forschende die Korpuslinguistik nutzen, um Wandel im Wortschatz zu beobachten und nachzuweisen.

 

Aufgabe 1: «Blick hinter die Kulissen des Dudens» [10']

Bitte informieren Sie sich, nach welchen Kriterien der Duden neue Wörter in das Wörterbuch aufnimmt (Link zum Duden).

Neue Wörter (Neologismen) werden erst in eines der Duden-Wörterbücher aufgenommen, wenn sie in einer gewissen Häufigkeit auftreten. Das überprüft die Duden-Redaktion anhand des redaktionseigenen Korpus (sog. «Dudenkorpus»).

Wenn ein Wort häufig und mit einer Streuung über verschiedene Textsorten hinweg immer wieder verwendet wird, entscheidet die Duden-Redaktion zunächst, in welches Wörterbuch der Neologismus aufgenommen werden soll (z.B. Fremdwörterbuch oder Rechtschreibwörterbuch). Und schliesslich tauschen sich die Duden-Redakteure in einer Sitzung aus und entscheiden über die Aufnahme.

 

Aufgabe 2: «Blick in die Kinderstube neuer Wörter» [10']

Wörter, die zu neu sind, um auf einer Kandidatenliste des Dudens aufzutauchen, können ebenfalls durch korpuslinguistische Verfahren ermittelt werden. Informieren Sie sich, wie die «Wortwarte» neue Wörter entdeckt (Link zur Wortwarte).

Neue Wörter entstehen vor allem durch die Kreativität der Sprecher und strukturelle Merkmale einer Sprache. So kann im Deutschen ein neues Substantiv durch Komposition oder Derivation relativ einfach gebildet werden.
Die erstmalige Verwendung eines Worts kann entdeckt werden durch den Vergleich von Texten aus verschiedenen Tageszeitungen mit einem Korpus, welches die Gegenwartssprache beschreibt, einem sogenannten Referenzkorpus.
Nicht alle gefundenen Wort-Kandidaten sind Neologismen, einige sind einfach falsch oder anders geschrieben worden. Nur wenige Wörter bleiben übrig, die Kandidaten für einen Lexikalisierungsprozess sein können. Lexikalisierung meint die Verbreitung eines Worts in der Sprache und schließlich die Aufnahme eines Worts in den deutschen Wortschatz, was sich z.B. in einem Wörterbuch zeigt.

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Aufgabe 1: «Repräsentativität und Ausgewogenheit in einem Medienkorpus» [15']

Überlegen Sie sich bei der folgenden Aufgabe, wie Repräsentativität und Ausgewogenheit in einem Korpus konkret umgesetzt werden können.

Sie wollen den Diskurs über den Brexit im Jahr 2019 in den deutschen Print-Medien untersuchen. Bitte überlegen Sie sich kurz, wie Ihr Korpus aussehen müsste.

Im Folgenden finden Sie zwei mögliche Zusammensetzungen von Zeitungs-Korpora. Wenn Ihnen die Medien nicht vertraut sind, recherchieren Sie bitte kurz zu den Zeitungen.
Was spricht für die eine Korpus-Zusammensetzung, was für die andere und welche würden Sie für Ihre Untersuchung aus welchen Gründen verwenden?

Zusammensetzung 1: Angaben in Prozent

 

Zusammensetzung 2: Angaben nach Auflagenstärke

Bei der Zusammensetzung 1 werden alle Medien in gleichen Anteilen ins Korpus aufgenommen. Diese Verteilung eignet sich z.B. für Fragestellungen, bei denen der Fokus der Untersuchung darin liegt, die verschiedenen Medien miteinander zu vergleichen, etwa durch welche Lexik sich die einzelnen Zeitungen voneinander unterscheiden.

Bei der Zusammensetzung 2 sind die Medien nach ihrem Anteil an der Auflagenstärke pro Tag bei den Tageszeitungen und pro Woche bei den Wochenzeitungen ins Korpus aufgenommen worden. Diese Verteilung eignet sich z.B. für Fragestellungen, bei denen es um das Korpus als Ganzes geht und dieses repräsentativ für den Brexit-Diskurs von Print-Medien in Deutschland untersucht werden soll.

 

Aufgabe 2: «Tagging und Parsing» [3']

Hier sehen Sie ein Beispiel für einen sehr kurzen getaggten und einen geparsten Text. Welcher Text ist getaggt, welcher geparst?

Beispiel 1 (Beispiel erstellt mit INESS)

 

Beispiel 2 (Beispiel eines Artikels aus der «Südostschweiz», Korpus Swiss-AL)

Beispiel 1 ist geparst, d.h. die syntaktische Struktur ist sichtbar gemacht worden.
Beispiel 2 ist getaggt, d.h. in diesem Beispiel, dass die Angaben zu den Wortarten nach dem Wort durch einen Unterstrich erfolgen.

 

Aufgabe 3: «Metadaten» [3']

Ordnen Sie im folgenden Beispiel den Buchstaben die Begriffe «Primärdaten», «Metadaten» und «Annotationen» zu:

C = Metadaten. Hier z.B. mit Zuordnung zu Medien/Tageszeitung, Quelle («Südostschweiz»), Format («HTML») und Datum («2020 08»).
A = Primärdaten. Das ist aus dem Textausschnitt selbst.
B = Annotation. Hier in Form der Wortart-Angabe (des Tags) «NN», also Nomen.

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Aufgabe 1: «Korpusabfrage»

Die folgende Aufgabe wird Sie durch ausgewählte Abfragen in Swiss-AL führen und Ihnen zeigen, was quantitative Abfragen von Sprachdaten (z.B. von Kollokationen) zur Untersuchung von gesellschaftlichen Diskursen beitragen können.

1. Gehen Sie zu Swiss-AL: https://swiss-al.linguistik.zhaw.ch/CQPweb/ Bei der ersten Benutzung müssen Sie einen Account anlegen. Allgemeine Informationen zu Swiss-AL gibt es hier.

2. Wählen Sie das Korpus «Parlamentsdebatten». Das sind Mitschriften der Schweizer Parlamentsdebatten ab 1999.

3. Geben Sie als Suchwort «Kind» ein. Tipp: Wenn Sie die Abfrage [lemma="Kind"] im Query-Mode «CQP syntax» eingeben, werden alle Wortformen («Kind», aber auch «Kinder», «Kindern» etc. abgefragt). Als Ergebnis erhalten Sie die ersten 50 Vorkommen in Form einer Konkordanz-Liste im Korpus.

4. Schauen Sie sich nun die Kollokationen zu «Kind» näher an.
Wählen Sie in dem angezeigten Menü «Collocations» aus und starten Sie die Abfrage.
Verwenden Sie generell die Standardeinstellungen, binden aber «POS» (Part of Speech, also Wortart) ein (include). Ihnen werden die Kollokationen in einer Liste angegeben, wobei sich die Reihenfolge nach dem Wert in der letzten Spalte richtet.
5. Adjektive können uns etwas über die Eigenschaften vermitteln, welche Kindern zugeschrieben werden.
Wählen Sie die Option «ADJA» (Adjektive in attributiver Verwendung) zum Filtern und starten Sie die Abfrage. 

Schreiben Sie die ersten 10 Kollokatoren auf. Welches sind die Gemeinsamkeiten dieser Kollokatoren?

Aus den Parlamentsdebatten wird ersichtlich, dass Kinder in bestimmten Diskursen Erwähnung finden – sexuell missbrauchte Kinder, Kinder und andere abhängige Personen, ungeborene, behinderte, minderjährige und schulpflichtige Kinder.

6. Verben sind interessant, da sie uns über Tätigkeiten aufklären – was Kinder tun bzw. was mit Kindern getan wird.
Wählen Sie die Option «VVFIN» (finite Verben) und starten Sie die Abfrage.

Schreiben Sie die ersten 10 Kollokatoren auf. Welches sind die Gemeinsamkeiten der Kollokatoren?

Auch hier wird wieder in bestimmter Art und Weise über Kinder gesprochen – meist handeln diese nicht aktiv, sondern sie kommen in Passivkonstruktionen vor. Sie werden betreut, erzogen, geschützt, sie erscheinen gefährdet, sie sind von etwas betroffen oder erhalten Leistungen.
Haben Sie sich gewundert, dass bei den Verben auch schütten als Verb erscheint? Durch Anklicken auf die Zahl «9» bei der Frequenz, können Sie die Belege aus dem Korpus anschauen.
Sie werden feststellen, dass es sich um die Redewendung das Kind mit dem Bad(e) ausschütten handelt.

7. Zuletzt die nominalen Kollokationen, die häufig mit dem Suchwort «Kind» in Parlamentsdebatten vorkommen.
Wählen Sie die Option «NN» (Nomen) und starten Sie die Abfrage.

Schreiben Sie die ersten 10 Kollokatoren auf. Welches sind die Gemeinsamkeiten der Kollokatoren?

Quelle: ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. (o. J.). Swiss-AL, Teilkorpus Parlamentsdebatten. Abgerufen 5. September 2022, von https://swiss-al.linguistik.zhaw.ch/CQPweb/

Kinder werden hier Familien zugeordnet, von Jugendlichen abgegrenzt, sie haben Eltern, speziell Mütter und Frauen. Sie sind in Betreuung, erhalten Schutz, haben eine Geburt erlebt und berechtigen zu Zulagen.

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Leseauftrag [120']

Lesen Sie im Band «Korpuslinguistik. Eine Einführung» das Kapitel «Der Stein der Weisen? Linguistische Korpora», Lemnitzer & Zinsmeister, 2015, S. 40–59. Beschreiben Sie auf der Grundlage dieses Kapitels in ein paar Sätzen, wie ein Korpus zu einer gesellschaftlichen Fragestellung, die Sie vorab festgelegt haben, idealerweise aufgebaut sein müsste.

 

Selbsttest [10']

1. Sprachkorpora sind …
a. große Mengen ähnlicher Sätze, zusammengestellt in einer Datenbank.
b. Sammlungen geschriebener und gesprochener Äußerungen.
c. digital zugängliche Zusammenstellungen von Texten.
d. Kollektionen deutschsprachiger Grundlagentexte.
2. Sprachdaten zu annotieren …
a. bedeutet, Primärdaten linguistisch weiter zu beschreiben.
b. ermöglicht, die Sprachdaten im Korpus besser zu nutzen.
c. korrigiert Fehler in den Primärdaten eines gepflegten Korpus.

d. beugt Fehlern bei einer automatisierten Korpusanalyse vor.

Zutreffend sind 1b, 1c, 2a, 2b

 

Diskussion | Nützlichkeit korpuslinguistischen Wissens [15']
Überlegen Sie sich drei beispielhafte Fälle, in denen sich korpuslinguistisches Wissen in Ihren Sprachberufen als nützlich erweisen kann. Gäbe es auch andere Methoden, derer Sie sich bedienen könnten? Worin liegen die Vor- und Nachteile des korpuslinguistischen Ansatzes?

Als Übersetzerin müssen Sie z.B. beurteilen, welche von den möglichen Übersetzungsvarianten die übliche ist – oder die in dem Fachbereich richtige. Hier helfen Korpusabfragen zu Frequenz von Lexik oder zum Sprachgebrauch in bestimmten Fachbereichen. Alternativ könnten Sie natürlich auch einen Experten befragen, der aufgrund seiner eigenen Erfahrung antworten würde.

Als Journalistin können Sie z.B. Abfragen zur Streuung bestimmter politischer Lexik durchführen, um festzustellen, wie verbreitet manche Begriffe in der Gesellschaft sind. Hier würde sich als Alternative eine Befragung anbieten, die aber auch sehr arbeits- und zeitaufwändig sein kann.

Als Experte für sprachliche Integration können Sie Beispiele aus einem Korpus nehmen und Lernenden auf diese Weise den tatsächlichen Sprachgebrauch näherbringen, was sich von den z.T. erfundenen Beispielen in Lehrwerken abheben würde.

Front Stage – Blick auf die Kulissen

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Aufgabe 1: Zweisprachigkeit [10']
Welchen der folgenden Aussagen zur Mehrsprachigkeit stimmen Sie zu?
  1. Zweisprachig sind nur Menschen, die zwei Sprachen gleich gut beherrschen.
  2. Wenn man eine Sprache in der Schule lernt, spricht man von Spracherwerb.
  3. Ein Mensch kann gleichzeitig zwei Erstsprachen erwerben.
  4. Spricht ein Kleinkind in Zürich zuhause französisch, ist das bilingualer Erstspracherwerb.

  1. Dieser Aussage stimmen wir nicht zu. Der Begriff Zweisprachigkeit bezieht sich nicht nur auf die Vorstellung einer ausgewogenen Zweisprachigkeit, sondern schließt auch Zwischenformen bzw. asymmetrische Zweisprachigkeit mit ein. Auch bei einer hohen Kompetenz in zwei Sprachen und bei frühem Erwerb gibt es immer Spezialwissen und -können in den einzelnen Sprachen.
  2. Dieser Aussage stimmen wir nicht zu. Der Begriff Spracherwerb bezieht sich vorwiegend auf natürlichen, ungesteuerten Spracherwerb. Im schulischen Umfeld werden Sprachen gesteuert nach einem Lehrplan erlernt, nicht erworben.
  3. Wir stimmen dieser Aussage zu. Es ist denkbar, dass ein Kleinkind mehr als einer Sprache in vergleichbarer Intensität ausgesetzt ist. Dies kann zu ausgewogener Zweisprachigkeit führen. Der Regelfall ist jedoch eine asymmetrische Zweisprachigkeit (siehe Antwort a).
  4. Wir stimmen dieser Aussage nicht zu. Die Voraussetzung zu bilingualem Erstspracherwerb ist die Intensität des Sprachangebots und die Nähe zu den Bezugspersonen (Familie oder familienähnliche Betreuungspersonen). Im beschriebenen Szenario werden diese Voraussetzungen nicht erfüllt.
Aufgabe 2: Erstsprache, Zweitsprache, Fremdsprache [5']
Was trifft am besten auf ein Kind zu, das bis zum dritten Lebensjahr mit Französisch (Mutter) und Englisch (Vater) aufwächst und anschließend in eine deutschsprachige Schule geht?
  1. Bilingualer Erstspracherwerb (Französisch, Englisch) mit Deutsch als Zweitsprache
  2. Bilingualer Erstspracherwerb mit Französisch, Englisch und Deutsch als Erstsprachen
  3. Bilingualer Erstspracherwerb mit F als Muttersprache sowie E und D als Zweitsprachen
  4. Bilingualer Erstspracherwerb mit F als Muttersprache sowie E und D als Fremdsprachen

Szenario a trifft am besten auf die beschriebene Person zu. Deutsch fungiert als Umgebungssprache (L2), wohingegen Französisch und Englisch das erstsprachliche Repertoire der Person ausmachen. Die Interpretation dieses Falls hängt auch von der Art und Intensität des Sprachangebots sowie von der Nähe zu den Bezugspersonen ab.

 

Aufgabe 3: Dialekt und Standard [15']
Überlegen Sie, warum L1-Sprechende von schweizerdeutschen Dialekten Standarddeutsch gerne als ihre L2 bezeichnen.

  • Haben Sie über die Nähe der schweizerdeutschen Dialekte zum Standarddeutsch nachgedacht? Auf welchen Ebenen lässt sich die Nähe / lassen sich die Unterschiede beschreiben? Finden Sie Beispiele?
  • Haben Sie über die Art der Diglossie in der Deutschschweiz nachgedacht? Wann verwendet man Dialekt, wann Standarddeutsch?
  • Haben Sie über die soziale Funktion des Dialekts in der Deutschschweiz nachgedacht?
  • Typologische Unterschiede und Gemeinsamkeiten lassen sich auf allen Ebenen finden. Da der Dialekt nicht unterrichtlich gelehrt und gelernt wird, beschränkt sich die Verschriftlichung des Dialekts mehrheitlich auf informelle Kontexte. Entsprechend fehlt auch ein übergeordneter Standard. Mündlich kann der Dialekt auch in formellen Kontexten verwendet werden. Die Frage, ob der Dialekt eine eigenständige Sprache ist, ist nur bedingt an die Distanz zwischen zwei Varietäten geknüpft, sondern hängt vom Sprachbewusstsein der Sprecherinnen und Sprecher ab. In der Deutschschweiz hat der Dialekt eine stark identitätsbildende Funktion.
Aufgabe 4: Gömmer Starbucks – das Spiel mit der Mehrsprachigkeit im Migrationskontext
Was ist ein Ethnolekt?
«Ein Ethnolekt ist eine Sprechweise (Stil), die von den Sprechern selbst und / oder von anderen mit einer oder mehreren nicht-deutschen ethnischen Gruppen assoziiert wird. Anders als im Falle der bekannten lexikalischen Innovationen der sog. Jugendsprache betrifft er im vorliegenden Fall (auch) die Grammatik» (Auer, 2003, 256).
«Der neue Ethnolekt tritt in verschiedenen Formen auf: als primärer Ethnolekt, der in den deutschen Großstadt-Ghettos entstanden ist und vor allem von männlichen Jugendlichen mit türkischem Familienhintergrund verwendet wird, die in Deutschland aufgewachsen sind. Dieser primäre Ethnolekt ist der Bezugspunkt für einen sekundären, medial transformierten Ethnolekt, der von (fast ausschließlich) deutschen Medienmachern in Filmen, Comedies, Comics, Zeitungsartikeln u.a. eingesetzt wird, die ihn einer bestimmten Gruppe von (v.a.) männlichen türkischen und anderen nicht-deutschen Jugendlichen und jungen Erwachsenen zuschreiben. Die mediale Verwendung des Ethnolekts impliziert immer die Usurpierung des primären Ethnolekts durch Personen, denen er nicht gehört; er ist deshalb ein Akt der Transgression (…). Der sekundäre Ethnolekt wird nun seinerseits von (wiederum v.a. männlichen) deutschen Jugendlichen in Versatzstücken zitiert und weiterentwickelt. Wo dies nicht direkt aus dem Kontakt mit türkischen oder anderen nicht-deutschen Jugendlichen geschieht, sondern lediglich der mediale Input transformiert wird, kann man von einem tertiären Ethnolekt sprechen. Die Beziehung zwischen primärem, sekundärem und tertiärem Ethnolekt entspricht dem von Androutsopoulos (2000) beschriebenen Weg from the streets to the screens and back again» (Auer, 2003, 256).
Zum Autor von «Gömmer Starbucks»
Bänz Friedli, 1965 in Bern geboren, ist Autor und Kabarettist und lebt in Zürich. Gömmer Starbucks? Bänz Friedli macht sich einen Reim auf die Jugend (2013) ist eines der bekanntesten Kabarettstücke von Bänz Friedli.
Auftrag [30']
(Für diese Übung lohnt sich der Austausch in einer Gruppe. Halten Sie Ihre Erkenntnisse in einem Kurzprotokoll fest.)
  1. Schauen Sie sich den folgenden Ausschnitt aus der DVD «Gömmer Starbucks?» von Bänz Friedli, live im Casinotheater Winterthur, an.
  2. Ordnen Sie anschließend das Thema Ethnolekt dem Kapitel Mehrsprachigkeit als Kompetenz: Schlüssel zur Welt zu. Um welche Form der Mehrsprachigkeit handelt es sich? Sind Ethnolekte Ausdruck einer mehrsprachigen Kompetenz?
  3. Diskutieren Sie die Darbietung von Bänz Friedli kritisch. Welche Pointe macht der Kabarettist?
  4. Abschließend tauschen Sie sich mit anderen zu Ihren eigenen Erfahrungen mit Ethnolekten aus. Wo haben Sie selber Ethnolekte angetroffen oder verwendet?

Zu 2: Der Ethnolekt bildet Teil der inneren Mehrsprachigkeit einer Sprache. Ein Ethnolekt ist – wie zum Beispiel der Dialekt – Bestandteil einer natürlichen Sprache. Er ist jedoch nicht ursächlich an einen Ort gebunden, sondern an eine Gruppe von Sprechenden (z.B. Jugendliche). Der Ethnolekt kann – je nach kommunikativen Konventionen einer Gesellschaft – als Ausdruck einer soziolinguistischen und pragmatischen Kompetenz betrachtet werden. Dabei geht es um die Fähigkeit, sich innerhalb einer Gruppe angemessen und sinnvoll ausdrücken zu können. Die Grammatik einer Sprache spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

Zu 3: Bänz Friedli bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen Bewunderung und Kritik am Ethnolekt. Er verbindet den Ethnolekt mit der Jugendsprache. Jugendsprache wiederum steht für Innovation, für das Brechen von Regeln und Erproben von neuen Kommunikationsformen. Bänz Friedli zeigt sich in der Darbietung einerseits solidarisch mit den Jugendlichen, die den Ethnolekt gebrauchen, und kritisiert gleichzeitig die sprachkonservative Haltung der älteren Generation. Indem er aber den Ethnolekt stark überzeichnet, ist auch eine Kritik an dem durch Migration entstehenden Sprachwandel erkennbar.

 

Aufgabe 5: Sprachkompetenz [10']

Welchen der folgenden Aussagen zum Thema Sprachkompetenz stimmen Sie zu?
  1. Wenn ich in einer Sprache einen Komparativ bilden kann (Peter ist größer als Maria), dann verfüge ich über soziolinguistische Sprachkompetenz.
  2. Wenn ich mit Freundinnen Dialekt, aber mit meinen Dozierenden Standarddeutsch spreche, dann verfüge ich über grammatische Sprachkompetenz.
  3. Wenn ich eine Geschichte der Reihe nach sinnvoll erzählen kann, dann verfüge ich über textgrammatische Sprachkompetenz.
  4. Wenn ich mit einem Unbekannten aus Norddeutschland Dialekt spreche, dann verfüge ich über soziolinguistische Kompetenz.

  1. Diese Aussage ist falsch. Sprachwissen zu allgemeinem Vokabular, Morphologie, Syntax und Phonologie/Graphologie fällt unter grammatische Kompetenz.
  2. Diese Aussage ist ebenfalls falsch. Hier zeigt die Sprecherin eine soziolinguistische Kompetenz. Soziolinguistische Kompetenz bezeichnet die Fähigkeit, unser kommunikatives Repertoire in bestimmten Situationen so zu aktivieren und umzusetzen, dass Kommunikation bei Adressaten zu Erfolg führt. Die soziale Angemessenheit des Sprachgebrauchs variiert von Situation zu Situation und bedingt Sensibilität gegenüber Varietäten und gegenüber Register.
  3. Diese Aussage ist richtig. Textgrammatische Kompetenz bezieht sich auf Wissen, wie man Äußerungen zu Texten verknüpft (mittels Kohäsion, rhetorischer Organisation, logischem Gedankenaufbau). Ein Beispiel dazu ist ein linearer Aufbau einer Geschichte (Zuerst gingen wir nach Zürich, dann nahmen wir den Zug nach Winterthur und anschließend fuhren wir nach Schaffhausen …)
  4. Diese Aussage trifft nicht zu. Im geschilderten Fall verfügen wir gerade nicht über soziolinguistische Kompetenz, da wir gegen soziale Erwartungen verstoßen. Der Verstoß kann natürlich auch gewollt sein.

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Aufgabe 1: Code-Switching [15']

Lösen Sie die untenstehende Aufgabe. Als Einstimmung auf die Übung schauen Sie sich zuerst fünf Minuten des Videos Internal and External Language Resources an (für ZHAW-Studierende). Begleitaufgaben zum Video müssen Sie nicht lösen.

Welchen der nachfolgenden Aussagen stimmen Sie zu?

  1. Code-Switching ist ein anderes Wort für Transfer zwischen zwei Sprachen.
  2. Bei Code-Switching ist nicht erkennbar, warum die Sprache gewechselt wird.
  3. Satzinternes Code-Switching bedingt eine höhere Sprachkompetenz als satzexternes Code-Switching.
  4. Als sog. Auslöser (Trigger) gelten Wörter, die einen Sprachwechsel einleiten.

  1. Diese Aussage trifft nicht zu. Bei Transfer handelt es sich um Übertragungen von einer Sprache in eine andere. Bei Code-Switching handelt es sich um schnelle Wechsel zwischen zwei Sprachen.
  2. Diese Aussage trifft nicht zu. Bei Code-Switching ist in der Regel erkennbar, warum eine Sprache gewechselt wird, sei es aufgrund der Sprechpartner oder des Gesprächsanlasses. Wenn nicht erkennbar wird, warum Sprachen gewechselt werden, spricht man auch von Code-Mixing.
  3. Diese Aussage trifft zu. Ein Sprachwechsel innerhalb einer grammatischen Konstruktion in einer Sprache bedingt höhere kognitive Anforderungen an die Sprechenden.
  4. Diese Aussage trifft zu. Ein Auslöser kann ein Wort in der anderen Sprache sein oder ein Wort, welches mit der anderen Sprache assoziiert wird.

Aufgabe 2: Transfer [5']

Welchen der nachfolgenden Aussagen stimmen Sie zu?

  1. Wenn ein Deutschsprachiger, der Englisch lernt, Winter is before the door sagt, dann ist das ein Fall von negativem Transfer.
  2. Bei der Übertragung vom englischen Wort winter in die deutsche Sprache handelt es sich um positiven Transfer.

  1. Diese Aussage stimmt. In diesem Beispiel liegt lexikalische Interferenz aus dem Deutschen vor. Der idiomatische Phraseologismus „Der Winter steht vor der Tür“ wird wörtlich ins Englische übersetzt. Idiomatisch korrekt wäre die englische Wendung „Winter is around the corner“.
  2. Diese Aussage stimmt ebenfalls. Das englische Wort winter ist in Form, Aussprache und Bedeutung praktisch identisch mit dem deutschen Wort Winter.
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Aufgabe 1: Zweitspracherwerbshypothesen [10']

Welche Zweitspracherwerbshypothesen könnten besonders gut zu den nachfolgend beschriebenen Szenarien passen?

  1. Claudia ist 12 Jahre alt, lebt in England und lernt Deutsch. Als sie die Zeitformen des Verbs kommen übt, sagt sie kommte anstatt kam.
  2. Peter spricht Deutsch als Erstsprache und lernt neu Spanisch in seiner Freizeit. Er findet es unlogisch, dass es im Spanischen zwei Verben für sein gibt: estar und ser.
  3. Jacqueline ist 21 Jahre alt, kommt aus Frankreich und lernte in der Schule Deutsch. Als sie bei einem Besuch in der Deutschschweiz gefragt wird, ob sie gerne einen Kaffee hätte, antwortet sie: Ich liebe den Kaffee!
  4. Maria (18) stammt aus Rumänien. Sie lernt seit drei Jahren Deutsch in der Schule. Bei einem Besuch in der Schweiz sagt sie, als sie gefragt wird, woher sie kommt: Ich kommen von Rumänien.

  1. Dies ist ein Beispiel zur Erläuterung der Identitätshypothese. Claudia verallgemeinert Regeln ähnlich wie ein Kind, welches seine Erstsprache lernt. Es zeigt ein Regelbewusstsein, welches zu Verbformen führt, welche ein Kind beim Erstspracherwerb so nicht hört. Das Kind greift also auf sein ‘LAD’ zu.
  2. Dieses Beispiel passt zur Erläuterung der Kontrastivhypothese: Peter greift beim Lernen des Spanischen auf seine L1 zu und vergleicht die Grammatik und Lexik des Spanischen mit dem Deutschen. Dadurch findet er es schwierig, sich auf die Eigenheiten der neuen Sprache einzulassen. Peter läuft dadurch die Gefahr, Übertragungsfehler zu machen.
  3. Dies ist ein Beispiel zur Erläuterung der Kontrastivhypothese: Jacqueline überträgt die Struktur des Satzes aus dem Französischen (j’aime le café). Im Deutschen würde der bestimmte Artikel ‘den’ wegfallen (ich liebe Kaffee).
  4. Dies ist ein Beispiel zur Erläuterung der Interlanguage-Hypothese: Maria greift in ihrer Satzkonstruktion weder auf die Erst- noch auf die Zweitsprache zu. Sie verletzt die Subjekt-Verb-Kongruenz, ein Regelverstoß in beiden Sprachen. Auch weist das Beispiel nicht auf inneres Regelbewusstsein hin, welches aktiviert wurde (siehe Verallgemeinerung unter a).
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Aufgabe 1: Meine Sprachbiografie

Was ist eine Sprachbiografie?
«Sprachbiografie dient in einem vorwissenschaftlichen Sinne dazu, den Sachverhalt zu bezeichnen, dass Menschen sich in ihrem Verhältnis zur Sprache bzw. zu Sprachen und Sprachvarietäten in einem Entwicklungsprozess befinden, der von sprachrelevanten lebensgeschichtlichen Ereignissen beeinflusst ist» (Tophinke, 2002, 1).

Eine Beschäftigung mit Ihrer Sprachlernbiografie kann «insbesondere auch dazu beitragen, dass Sie selbst sich über Ihre bisherigen Lernerfahrungen klarer werden und für Ihr weiteres Lernen Lernweisen auswählen können, die für Sie persönlich erfolgreich sind» (European Language Council/Conseil Européen pour les Langues, 2002, 2).

Eine Anleitung zum Verfassen Ihrer Sprachbiografie finden Sie zum Beispiel im Kapitel 2.1 der Anregung zur Benutzung der Sprachbiografie des European Language Council/Conseil Européen pour les Langues (2002, 3).

Wenn Sie Studierende der ZHAW sind, können Sie auch auf den ZHAW Survey on your language biography zugreifen. Wenn Sie diese Umfrage ausfüllen, dann können Sie Ihre Ergebnisse mit denjenigen Ihrer Mitstudierenden vergleichen.

Wenn Sie Studierende der ZHAW sind, finden Sie über den nachfolgenden Link den Erfahrungsbericht von Ragib als Beispiel einer Sprachbiografie einer Frau mit Migrationshintergrund (Jung & Günther, 2016, 164–165)

Auftrag a: Erstellen Sie Ihre Sprachbiografie [30']

Verfassen Sie zuerst einen Kurzbericht zu Ihren eigenen Spracherfahrungen. Lesen Sie dazu den Erfahrungsbericht von Ragib (Jung & Günther, 2016, 164–165) aufmerksam durch. Den Erfahrungsbericht finden Studierende der ZHAW hier. Vergleichen Sie Ragibs Erfahrungen mit Ihren eigenen Spracherfahrungen. Halten Sie fest, inwiefern sich Ihre Sprachbiografie von derjenigen Ragibs unterscheidet. Beziehen Sie auch Konzepte der Vorlesung und Lektüre zum Thema «Mit Sprache unterwegs: Mehrsprachigkeit» ein.

Auftrag b: Austausch mit Mitstudierenden zur eigenen Sprachbiografie [30']

Tauschen Sie sich mit anderen in einem zweiten Schritt zu Ihren Spracherfahrungsberichten aus. Sehen Sie bestimmte Gemeinsamkeiten, Unterschiede? Beschreiben Sie diese Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit Fachbegriffen aus dem Buch. Arbeiten Sie gemeinsam prägende Erfahrungen heraus, die zur Entscheidung beigetragen haben, einen Sprachberuf zu ergreifen. Halten Sie Ihre Diskussion und die Ergebnisse in einem Reflexionstext fest.

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Leseauftrag [120']
Lesen Sie das Überblickskapitel «Aspekte der Mehrsprachigkeit. Formen, Vorteile, Bedeutung» von Claudia-Maria Riehl (Riehl, 2006) und überlegen Sie sich, in welchen Punkten dieser Beitrag das Kapitel zur Mehrsprachigkeit im Buch hier thematisch erweitert und vertieft und worin sich die beiden Texte unterscheiden. Für Studierende der ZHAW ist der Text hier verfügbar.

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Aufgabe 1: Kommunikationssituationen und ihre Lekte [15']

Wie wir miteinander kommunizieren, hängt von außersprachlichen Faktoren ab. Benennen Sie die Faktoren, die bei den folgenden Kommunikationssituationen gegeben sind (sprachliche und außersprachliche Faktoren, z.B. Alter, Geschlecht, Region, soziale Schicht, Beruf etc.) und welche Funktiolekte mit den in diesen Situationen produzierten Äußerungen untersucht werden könnten.

  1. Ein männlicher Teenager schreibt einer Klassenkameradin eine Kurznachricht über Whatsapp.
  2. Eine Großmutter gibt ihrem Enkel Nachhilfe.
  3. Ein Klavierlehrer unterrichtet eine Frau Mitte dreißig.
  4. Der Tennisspieler Roger Federer ruft seinen Tenniskollegen, Rafael Nadal über sein privates Mobiltelefon an, um mit ihm über das anstehende Benefizspiel zu sprechen.

  1. Faktoren:
    Alter: Jugendliche
    Region: nicht spezifiziert
    Soziale Schicht: nicht spezifiziert; Beruf: Schüler, Geschlecht: gemischt
    Medium: geschrieben.
    Analysierbar für die Varietäten Jugendsprache, Schülersprache (Soziolekt); analysierbar für den Funktiolekt Kurznachrichtenkommunikation (Chat-Sprache), besonders unter Jugendlichen.
  2. Faktoren:
    Alter: gemischt Senior und Kind oder jugendliche Person
    Region: nicht spezifiziert
    Soziale Schicht: nicht spezifiziert, Beruf: nicht spezifiziert und ein Schulkind, Geschlecht: nicht spezifiziert
    Medium: gesprochen
    Analysierbar für die Varietäten (Groß-)Elternsprache, Familiensprache; analysierbar für den Funktiolekt Unterricht bzw. Nachhilfe.
  3. Faktoren:
    Alter: Erwachsene
    Region: nicht spezifiziert
    Soziale Schicht: nicht spezifiziert; Beruf: Musiklehrer und nicht spezifiziert, Geschlecht: gemischt
    Medium: gesprochen.
    Analysierbar für die Varietäten Erwachsenensprache und Unterrichtssprache; analysierbar für den Funktiolekt Unterrichtssprache, besonders in der Erwachsenenbildung sowie der Fachsprache von Musiker*innen.
  4. Faktoren:
    Alter: Erwachsene
    Region: Basel und Mallorca (Spanien)
    Soziale Schicht: Oberschicht; Beruf: Sportler, Geschlecht: männlich
    Medium: gesprochen.
    Analysierbar für die Varietäten Sportsprache, Englisch als Zweitsprache von beiden Sprechern, analysierbar für den Funktiolekt Fachsprache.

 

Aufgabe 2: Wie sich Varietäten voneinander unterscheiden [10']

Die verschiedenen Varietäten haben spezifische linguistische Merkmale, die es erlauben, diese zu erkennen bzw. voneinander zu unterscheiden. Um welche Varietäten handelt es sich in den folgenden drei Beispielen?

Begründen Sie Ihre Antwort.

  1. Triglyceride setzen sich aus einem Glycerin und drei Fettsäuren zusammen. Über die am Ende einer jeden Fettsäure befindliche Carboxylgruppe (-COOH) ist die Fettsäure durch eine sogenannte Erstverbindung mit dem Glycerin verbunden.
  2. A: «Verstehst du Text, Alter?»B: «Klar Alter, Bruder, ist doch leicht: Typ geht so Wasser und ist tot. Seine Alte is traurig.»A: «Aber wieso geht er denn Wasser? Hast du Essen?»B: «Nee, aber ich gehe dann Döner.»
  3. A Bsuach machd zwoimol Freud: Wennr kommd ond wennr widdr gohd.

  1. Funktiolekt/Fachsprache: charakterisiert durch Fachbegriffe und Verwendung von (chemischen) Zeichen (-COOH).
  2. Soziolekt/Jugendsprache: charakterisiert durch Nominalphrasen („ich gehe Döner“), die Verwendung von „Alter/Bruder“ als Anredeform, Verwendung spezifischer Ausdrücke, z.B. „Alte“ für „Frau/Freundin/Partnerin“, „so“ als Fokuspartikel.
  3. Dialekt/Schwäbisch: z.B. auf Lautebene: Standarddeutscher Diphthong [ai] wird zu [oi], Diphthongierung von Standarddeutsch [u] zu [ua]: Bsuach; Laute wie –t werden weich ausgesprochen –d (Lenisierung).

Die verschiedenen Beispiele weisen also besondere lektale Merkmale auf, die sich gezielt auf bestimmte Lekte beziehen lassen (Dialekt, Funktiolekt oder Soziolekt). In der Regel verfügt ein Sprecher jedoch über eine Bandbreite an Lekten, die er oder sie in Abhängigkeit von Kontext, Situation und Adressat*in jeweils anpasst. Die individuelle Sprache eines Menschen mit all seinen charakteristischen Eigenschaften in Bezug auf Wortschatz, Sprachverhalten, Ausdrucksweise, Aussprache, etc. wird mit dem Begriff Idiolekt bezeichnet. Der Begriff stammt ebenfalls vom Griechischen ab (altgriechisch ἴδιος ídios ‚eigentümlich, eigen').

 

Aufgabe 3: Dialekt und Identität [20']

Dialekt ist nicht gleich Dialekt. Lesen Sie das Interview mit Eckard Frahm mit dem Titel „Warum sprechen wir Dialekt?“ und reflektieren Sie über die Bedeutung vom Dialektgebrauch für seine Sprecher und den Dialekt an sich. Beantworten Sie im Anschluss die folgenden Fragen:

  1. Welche Funktion weist der Autor den Dialekten zu?
  2. Teilen Sie die Einschätzung Frahms zu den Dialekten in Deutschland? Vergleichen Sie den Dialektgebrauch in der Schweiz mit dem in Deutschland.

  1. Frahm spricht den Dialekten eine identitätsstiftende Funktion zu, weist auf ihre besondere Glaubwürdigkeit hin und spricht von „zu Hause fühlen“, „Nostalgie“ sowie von einer Art „Wärmestrom“. Der Dialekt verbindet Menschen. Aufgrund der Globalisierung brauchen Menschen den Dialekt, um sich einer Gruppe zugehörig zu fühlen.
  2. In der Schweiz stellt sich die Situation in Bezug auf den Dialektgebrauch ganz anders dar als in Deutschland. Der Sprachgebrauch in der Deutschschweiz ist geprägt von der Diglossie, d.h. die funktionale und mediale Trennung des Gebrauchs von Dialekt und Standardvarietät. Demnach hängt der Gebrauch des Dialekts in der Schweiz von der kommunikativen Situation (formell/informell) und dem Medium (schriftlich/mündlich) ab und ist, anders als in Deutschland, nicht soziolektal markiert.

 

Aufgabe 4: Mundart regional – Verstehen Sie dieses Schweizerdeutsch? [ca. 15']

Testen Sie Ihre Mundartkenntnisse mit diesem Quiz (Link: https://www.derbund.ch/verstehen-sie-dieses-schweizerdeutsch-105018697056).

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Aufgabe 1: Dasselbe anders ausdrücken [5']

Sprachliche Variation drückt sich in linguistischen Einheiten auf verschiedenen linguistischen Beschreibungsebenen aus, der sogenannten Varianten. Im Folgenden werden jeweils drei Variantenpaare verschiedener Lekte aufgelistet. Um welche Art von Varianten handelt es sich und auf welchen sprachlichen Ebenen verorten Sie sie?

  1. Otitis  Ohrenentzündung
  2. isch – ich
  3. parkiert – geparkt

  1. Diaphasische Variante: Fachsprache – Alltagssprache; Varianten auf Wortebene (lexikalische Varianten)
  2. Diastratische Varianten: Jugendsprache (Kiezdeutsch) – Standardsprache; Varianten auf phonetischer Ebene
  3. Diatopische Varianten: Schweizer Standarddeutsch – Standarddeutsch (Deutschland); Varianten auf lexikalischer und morphologischer Ebene (Partizipbildung)

 

Aufgabe 2: Sprache im Wandel [25']

Sprachwandel betrifft unter anderem auch varietätenspezifische Ausdrücke. In welchem Verwendungskontext/welcher Varietät verorten Sie die folgenden Begriffe: chillen, ätzend, krass und cool?
Suchen Sie die obigen Begriffe im Digitalen Wörterbuch der Deutschen Sprache (DWDS; Link: https://www.dwds.de) und dem Duden (Link: https://www.duden.de) online.

  1. In welchen Verwendungskontexten werden diese Wörter nach dem DWDS und dem Duden verwendet?
  2. Welche Schlüsse lassen sich daraus in Bezug auf das Varietätengefüge des Deutschen ziehen?

  1. Die vier Begriffe sind zunächst soziolektal als jugendsprachliche Wörter verwendet worden. Die beim Duden und teilweise auch im DWDS fehlende Markierung der Lexeme (Wörter) als „jugendsprachlich“ weist darauf hin, dass diese ehemals jugendsprachlichen Varianten nun nicht mehr in der Jugendsprache verwendet werden, sondern in die Standardsprache Eingang gefunden haben.
  2. Dies ist ein Beispiel von „Sprachwandel von unten“, d.h. das Phänomen des Sprachwandels aufgrund des Übergangs von varietätenspezifischen, hier soziolektalen Formen, in die Standardsprache.

 

Aufgabe 3: Wenn Großeltern ihre Enkel nicht verstehen [30']

Sprache ist nicht statisch und unwandelbar, das gilt auch für die Dialekte. Lesen Sie den Beitrag zur Entwicklung der schweizerdeutschen Dialekte, erschienen in der NZZ (Link: https://www.nzz.ch/gesellschaft/schweizerdeutsch-viel-wandel-im-freiburger-dialekt-kaum-in-baar-ld.1390868)

  1. Welche Gründe werden für den Sprachwandel angegeben?
  2. Welche Rolle spielt für die Verwendung unterschiedlicher dialektaler Varianten die Identität?
  3. Handelt es sich bei den genannten Beispielen nun um dialektale oder soziolektale Varianten?
  4. Haben Sie selbst die Erfahrung gemacht, dass sie andere Wörter/lexikalische Varianten verwenden als die ältere Generation?

  1. Binnenmigration, d.h. wenn Personen von einem Kanton in den anderen ziehen und ihren Dialekt an den Aufnahmekanton anpassen (Menschen, die umziehen) und Mobilität (Kontakt zu Personen, die andere Sprachen sprechen), Prestige und Verständlichkeit des jeweiligen Dialekts (wie „speziell“ ein Dialekt ist). Aufnahme von Wörtern aus anderen Sprachen, z.B. aus dem Englischen (Anglizismen), Veränderung der Wortwahl aufgrund von Kritik (emotionaler Aspekt), Offenheit der Sprecher gegenüber neuen sprachlichen Entwicklungen.
  2. Identität wird durch Sprache geprägt, Sprache ist Teil der Identität ihrer Sprecher. Es hängt davon ab, wie stark sich die Sprecher mit ihrem Dialekt oder ihrer Sprache identifizieren und wie sehr sie ihn mögen, ob dieser mit der Zeit aufgegeben oder behalten wird.
  3. Dialektale Varietäten, die sich soziolektal (nach Generationen/Alter) unterscheiden.

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Aufgabe 1: Wer kommuniziert mit wem wie [10']

Fachsprachen unterscheiden sich einerseits aufgrund der verschiedenen Tätigkeitsbereiche, in denen sie verwendet werden (horizontale Gliederung), und andererseits, im Grad der Fachlichkeit (vertikale Gliederung), in Abhängigkeit von den jeweiligen Kommunikationspartner:innen.
Nennen Sie welche fachsprachliche Varietät in den folgenden Beispielen verwendet wird, und ordnen Sie sie in der horizontalen Gliederung einem Tätigkeitsbereich und in der vertikalen Gliederung dem jeweiligen Fachlichkeitsgrad zu. Welche aussersprachlichen Faktoren sind dabei ausschlaggebend?

 

Situation 1:

Person A: «Wie kann ich Ihnen helfen?»

Person B: «Ich habe starke Kopfschmerzen und fühle mich sehr müde. Mir ist auch ab und zu schwindelig».

Person A: «Hatten oder haben Sie Fieber?»

Person B: «Ja, vor ein paar Tagen hatte ich Fieber. Ich schlafe auch sehr schlecht und mein Nacken ist oft sehr steif. Vielleicht kommen die Kopfschmerzen von dem.»

Person A: «Waren Sie in letzter Zeit wandern und sind mit kurzen Hosen durch grüne Wiesen oder Gras gelaufen?»

Person B: «Ich war vor einer Woche mit meiner Frau in den Bergen, ja.»

Person A: «Aha, sie haben eventuell eine Meningitis.»

Person B: «Wie bitte, eine was?»

Person A: «Eine Hirnhautentzündung, aufgrund eines Zeckenbisses.»

 

Situation 2:

Textbeispiel von der Webseite des Staatssekretariats für Migration SEM

Corona: Einreise geimpfter Personen aus Drittstaaten wieder erlaubt

Wer vollständig geimpft ist und dies nachweisen kann, darf auch aus Drittstaaten ausserhalb des Schengen-Raumes wieder in die Schweiz einreisen. Für Einreisen aus dem Schengen-Raum wird zudem die Quarantänepflicht grundsätzlich aufgehoben. Eine Testpflicht besteht nur noch für mit dem Flugzeug einreisende Personen, die nicht geimpft und nicht genesen sind.

Für die Prüfung Ihrer individuellen Situation zur Einreise in die Schweiz hilft Ihnen der Online-Travelcheck.

(Quelle: SEM, https://www.sem.admin.ch/sem/de/home.html)

Situation 1:

Tätigkeitsbereich: Wissenschaft (horizontale Gliederung). Hierbei handelt es sich um die funktionale Varietät der Wissenschaftssprache: medizinischer Befund. Es ist ein Beispiel der Arzt-Patienten-Kommunikation, also mündliche Kommunikation zwischen Laien (Patient) und Experten (Arzt). Der Fachlichkeitsgrad in diesem Dialog ist daher gering. Das zeigt sich in der vertikalen Gliederung darin, dass der Arzt das Fremdwort «Meningitis» für den Patienten umschreiben muss, weil dieser den medizinischen Fachbegriff nicht kennt. Geringer Fachlichkeitsgrad.

Situation 2:

Tätigkeitsbereich: Bürokratie / Behördenkommunikation (horizontale Gliederung). Es handelt sich um ein Beispiel der Behördensprache, konkret der schriftlichen Kommunikation zwischen dem Staatssekretariat für Migration und den interessierten Bürgern. Der Text ist für die breite Bevölkerung verfasst: Kommunikation zwischen dem Amt und der Bevölkerung (vertikale Gliederung). Mittlerer Fachlichkeitsgrad: Der Text ist in einem behördensprachlichen Stil verfasst (Nominalstil, Passivsätze, spezifischer Wortschatz: Quarantänepflicht, Test-Pflicht, etc.)

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Aufgabe 1: Sprachgebrauch in unterschiedlichen Domänen [30']

In der Fachkommunikation weisen Texte (mündliche wie schriftliche) je nach Fachgebiet oder Domäne jeweils bestimmte Merkmale auf.

  1. Bestimmen Sie den jeweiligen Funktionalstil der folgenden Textausschnitte.
  2. Untersuchen Sie die Texte genauer im Hinblick auf ihre Stilmerkmale und Sprachverwendungssituationen.

 

Text 1:

Ich sehe da auftreten Schneefälle.

Ich sehe da nach vorn kommen Erdbeben.

Ich sehe da Berge stehen mitten im Wege

Und Flüsse sehe ich über die Ufer treten.

Aber die Schneefälle haben Hüte auf.

Die Erdbeben haben Geld in der Brusttasche.

Die Berge sind aus Fahrzeugen gestiegen

Und die reißenden Flüsse gebieten über Polizisten.

Das enthülle ich.

 

Text 2:

Der Diskurs als texttranszendente, als große Kommunikationsform wird in seiner Verwandtschaft mit dem Gespräch gesehen und – gegen mögliche Kritik – als legitimer und relevanter Gegenstand der Linguistik behauptet. Vorgeschlagen werden einige Differenzierungen für eine Diskurslinguistik, so die Differenzierung zwischen domänengebundenen Produktdiskursen und Normdiskursen etwa im staatlichen Kontrollbereich, die diskursinterne, auf die soziale Reichweite abzielende Differenzierung zwischen einer Primärebene und einer Sekundärebene innerhalb des Diskurses und die ebenfalls diskursinterne Differenzierung zwischen faktischen (pragmatischen) und fiktionalen Linien.

 

Text 3

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 64 der Bundesverfassung nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 28. Mai 1943, beschließt:

 

Einleitung

Art. 1

1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält.

2 Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.

3 Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung.

 

Art. 2

1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.

 

Text 4

«Wenn man Jahre damit verbringt, einen Vertrag auszuhandeln, und dann ein paar Monate später das Gegenteil von dem tut, was in den Bereichen beschlossen wurde, die einem am wenigsten passen, ist das kein gutes Zeichen für die Glaubwürdigkeit», sagte Macron der «Financial Times» am Freitag.

Paris und London sind nach dem Ausstieg Großbritanniens aus der EU in einen heftigen Streit über Fischereirechte verwickelt. Sie beschuldigen sich gegenseitig, das Ende letzten Jahres geschlossene Brexit-Handelsabkommen über Fischerei-Lizenzen in britischen Gewässern zu verletzen. Frankreich wirft dem Vereinigten Königreich vor, zu wenige Fanggenehmigungen für französische Schiffe zu erteilen.

Zudem streitet London mit Brüssel über das Nordirland-Protokoll des Brexit-Abkommens. Dieses sieht vor, dass zwischen dem zu Großbritannien zählenden Nordirland und dem EU-Mitglied Irland keine Zollkontrollen vorgenommen werden, um das Karfreitagsabkommen von 1998 nicht zu gefährden. Stattdessen soll zwischen Großbritannien und Nordirland kontrolliert werden. Kritiker sind jedoch der Auffassung, dass dadurch eine De-facto-Grenze innerhalb des Vereinigten Königreichs entsteht und die Versorgung Nordirlands leidet.

Text 1: Dichtersprache / künstlerischer Stil / Funktionalstil der Belletristik; Text 2: Wissenschaftssprache / Funktionalstil der Wissenschaft / Fachsprache (Linguistik); Text 3: Behördensprache / Funktionalstil des Amtsverkehrs; Text 4: Pressesprache (hier: die Gattung Tagespresse, Zeitungssparte „Ausland“) / Funktionalstil der Publizistik.

Text 1: Der Text ist in Verszeilen gegliedert und beinhaltet eine Vielzahl von Stilfiguren: Wiederholungsfiguren: Anaphern (Ich sehe da [...]), Parallelismus (vgl. die ersten beiden Verszeilen); Positionsfigur Anastrophe (z.B. Ich sehe da auftreten Schneefälle statt Ich sehe da Schneefälle auftreten); Personifikation (Aber die Schneefälle haben Hüte auf und die folgenden Verse).

Text 2: Verwendung von Fachbegriffen / Terminologie wie Diskurs, Gespräch und terminologische Wortfamilien wie Produktdiskurse und Normdiskurse, Diskurslinguistik, Verwendung von allgemeinwissenschaftlichen Professionalismen wie relevant, Kategorie, Klassifizierung; Bildung von abgeleiteten Wörtern mit Fremdsuffixen wie transzendent, fiktional; Passivkonstruktionen oder Konstruktionen ohne Agens: wird ...gesehen, vorgeschlagen werden...; Nominalstil: die Differenzierung zwischen domänengebundenen Produktdiskursen und Normdiskursen etwa im staatlichen Kontrollbereich.

Text 3: Unpersönliche, formelhalfte Ausdrucksweise: Passivkonstruktionen (kann entnommen werden); juristische Fachtermini, z.B. Gewohnheitsrecht, nominaler, formelhafter Satzbau: Anwendung finden, nach Treu und Glauben handeln); Konstruktion des Typs „haben + zu + Infinitiv“ (hat nach Treu und Glauben zu handeln).

Text 4: Prinzip der journalistische Objektivität durch Realienbezeichnungen (Brexit-Handelsabkommen, Ausstieg Großbritanniens aus der EU, Norirlandprotokoll, Fischereiabkommen), direkte Rede (Zitat zu Beginn), abstrahierte Rede (Kritiker sind der Auffassung), Tatsachenmitteilung (das Nordirlandprotokoll sieht vor), neutrale redekennzeichnende Verben (sagte Macron).

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Leseauftrag [120']
Lesen Sie im Band «Schnittstellen der germanistischen Linguistik» von Markus Stein-bach die Kapitel 6.1 – 6.5.1 Steinbach, 2007. Nennen und erläutern Sie Beispiele für die These, dass ein Dialekt je nach Kontext auch als Soziolekt betrachtet werden kann.
Selbsttest [10']
1. Bezeichnet der Begriff «Funktiolekt»
a. eine Varietät mit begrenzter räumlicher Geltung?
b. eine Varietät, die für eine sozial definierte Gruppe charakteristisch ist?
c. den für eine bestimmte Sprecherin oder einen bestimmten Sprecher charakteristischen Sprachgebrauch?
d. die für den fachsprachlichen Gebrauch charakteristische Varietät?
2. Welche der folgenden Aussagen sind richtig?
a. Sprache ist ein System aus diastratischen, diatopischen und diaphasischen Varietäten.
b. Sagt ein Berner nei und ein Zürcher näi, verwenden sie zwei diatopische Varietäten.
c. Der Begriff «Variante» wird als Synonym für «Varietät» verwendet.
d. Der Begriff «Architektur der Sprache» bezeichnet die Varietätenstruktur einer Einzelsprache.

1.

  1. Trifft nicht zu. Die Definition bezieht sich auf einen Dialekt.
  2. Trifft nicht zu. Die Definition bezieht sich auf einen Soziolekt.
  3. Trifft nicht zu. Die Definition bezieht sich auf einen Idiolekt.
  4. Trifft zu.

2.

  1. Diese Aussage trifft zu. Es handelt sich hier um eine Definition von Sprache unter Berücksichtigung der Varietäten, die eine Sprache ausmacht.
  2. Diese Aussage ist falsch. Bei den Wörtern „näi“ und „nei“ handelt es sich um lautliche diatopische Varianten und nicht um die Varietäten (Dialekte) an sich.
  3. Diese Aussage trifft nicht zu. Variante ist kein Synonym für Varietät. Der Begriff Variante bezeichnet die linguistische Einheit (zum Beispiel ein Wort), das für eine bestimmte Varietät typisch ist. Eine Varietät ist die gesamte sprachliche Ausprägung an sich.
  4. Diese Aussage trifft zu. Eine einzelne Sprache verfügt über verschiedene Varietäten, die gemeinsam das Varietätengefüge bzw. die Varietätenstruktur einer Sprache ausmacht.
Diskussion | Sprachliche Heterogenität [15']
Überlegen Sie, wo in Ihren Sprachberufen das Wissen um sprachliche Heterogenität eine Rolle spielt. Diskutieren Sie in Ihrer Lerngruppe, welche Probleme sich daraus ableiten lassen und wie sie sich mit Ihrem Wissen lösen lassen.

Das Bewusstsein und die Kenntnis um sprachliche Variation in der eigenen, aber auch in Fremdsprachen, soll sie sensibilisieren, ihre soziolinguistischen Kompetenzen bewusst in den Sprachberufen einzusetzen und zu erkennen, welche außersprachlichen Faktoren für die Verwendung von Sprache eine Rolle spielen. Dies spielt in der interkulturellen Kommunikation eine wichtige Rolle, aber auch in der Verwendung der eigenen Sprache im beruflichen Kontext, z.B. beim Verfassen von Texten, die an ein bestimmtes Zielpublikum gerichtet sind, in der (mündlichen und schriftlichen) Kommunikation mit Kunden und in der eigenen Firma. Das Erkennen varietätenspezifischer Eigenschaften und das Wissen um die außersprachlichen Faktoren, die diese bedingen ist ein Faktor, der Sprachprofis von –laien unterscheidet.

Performance – und Non-Performance

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Aufgabe 1: Mehr als schreiben und lesen können [10']

Einige Kompetenzen braucht es für ein gelingendes gesellschaftliches Zusammenleben. Welcher der folgenden Aussagen stimmen Sie zu oder stimmen Sie nicht zu?

  1. Schulische Bildung schafft Grundlagen für das gesellschaftliche Zusammenleben, indem Grundkompetenzen vermittelt werden.
  2. Grundkompetenzen müssen erworben werden, sonst funktioniert das Zusammenleben nicht.
  3. Lesen und Schreiben sind zentral, werden aber angereichert mit weiteren Aspekten und Kompetenzen, andernfalls ist die Teilhabe an aktuellen Diskursen eingeschränkt.
  4. Digitale multimodale Kommunikation ist definiert als diejenige Kompetenz, welche die zeitgleiche Verwendung von zwei Programmen, mit denen man Text schreiben kann, meint.

  1. Stimmt. In den Schulen wird Lesen, Schreiben, Rechnen und weitere Grundkompetenzen vermittelt.
  2. Stimmt nicht. Grundkompetenzen sollten erworben werden, damit wird die gesellschaftliche Teilhabe erleichtert.
  3. Stimmt. Es braucht mehr als „nur“ Lesen und Schreiben, z.B. Abstraktionsvermögen, Interesse an sprachlicher und öffentlicher Kommunikation etc.
  4. Stimmt nicht. Digitale multimodale Kommunikation wird im Kontext adäquat erfasst, reflektiert, verarbeitet und entwickelt, damit man sich an Diskursen beteiligen kann, und so in der Lage ist, Beziehungen zu anderen Menschen und Gemeinschaften herzustellen. Digital Literacy ist die entsprechende Kompetenz.

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Aufgabe 1: Text und Medienkompetenz [10']

Das Schreiben als Handlung und das Verfassen von Texten geschehen nicht einfach so, sondern müssen sozusagen von der Pike auf gelernt werden, vor allem in unseren multilingualen Lebenswelten. Beurteilen Sie die Richtigkeit der nachfolgenden Aussagen.

  1. Die Entstehung eines Textes ist ein linearer Prozess.
  2. Durch die Nutzung der Computer im Alltag hat sich das Schreiben als Prozessablauf geändert.
  3. Schreiben setzt Lesekompetenz voraus.
  4. Englischsprachige Ausdrücke in deutschsprachigen Texten müssen genau in ihrer Bedeutung verstanden werden, wenn man die Textaussage erfassen will.

  1. trifft nicht zu
  2. trifft zu
  3. trifft zu
  4. trifft nicht zu

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Aufgabe 1: Intertextualität und Medienwechsel [10']

Texte sind keine Monolithen, die einfach so sind, wie sie sind, im Gegenteil, sie stehen in enger Verbindung mit anderen Texten, sie sind also sprachlich und kulturell «vernetzt». Bitte suchen Sie in Ihren eigenen E-Mails verschiedene Anredetypen heraus, von
Sehr geehrte Damen und Herren bis Moin moin können Sie alle Anreden einsammeln.

Versuchen Sie diese Anreden zu ordnen und Regelmäßigkeiten festzumachen, evtl. auch in Kategorien einzufüllen.

Aufgrund welcher Kriterien wird eine förmliche Anrede verwendet, wann eine wenig förmliche bzw. gar keine Anrede?

Welche neuen und neuesten Änderungen können Sie ausmachen? Evtl. auch in Bezug auf E-Mails?

Welche Schlüsse kann man daraus als sprach- und kulturwissenschaftlich tätige Person ziehen?

 

Aufgabe 2: Beurteilen Sie die Richtigkeit der nachfolgenden Aussagen.

Sprache übermittelt vielfältige Inhalte, die es weitgehend zu erkennen gilt für eine gelingende Kommunikation. Beurteilen Sie die Richtigkeit der nachfolgenden Aussagen.

  1. Eine bestimmte Schriftwahl ist nicht zwingend ein Hinweis auf eine Textsortenzugehörigkeit.
  2. Sprach- und Kontextwissen zusammen sind Voraussetzungen für die kulturelle Teilhabe in unserem gesellschaftlichen Zusammenleben.
  3. Sprachwissen allein reicht, um Texte in ihren Bedeutungsfacetten zu verstehen.
  4. Da Texte komplexe Konstrukte sind, können nur komplexe Hinweise auf andere Texte verweisen.

  1. trifft zu
  2. trifft zu
  3. trifft nicht zu
  4. trifft nicht zu

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Aufgabe 1: Fliegende Kuh in Russland fällt auf Kutter – Zeitungsente und Realitätskonstruktion [30']

Texte spielen auf mehreren Kanälen zusammen und sind über unterschiedliche Bezüge miteinander verbunden.

«Bericht über versenkten Kutter bringt Auswärtiges Amt in Bedrängnis.

Moskau (Reuter) – Berichte über fliegende Kühe halten dieser Tage deutsche Diplomaten schwer in Atem. Unter Berufung auf eine Depesche der deutschen Botschaft in Moskau an das Auswärtige Amt, deren Autor unter anderem auf eine Reuter-Meldung bezug genommen habe, meldete die Hamburger Morgenpost, russische Soldaten hätten im Fernen Osten des Landes Kühe per Flugzeug entführt, sie aber in der Luft aus dem Flieger gestoßen, weil die unruhigen Tiere die Maschine ins Trudeln zu bringen drohten. Eine Kuh habe offenbar ein japanisches Fischerboot getroffen und versenkt. […]» (Aus: Gerndt, Helge (2002): Kultur im Zeitalter der Globalisierung. München: Waxman. 30)

Vergleichen Sie diesen Beitrag mit drei weiteren Online-Texten/Beiträgen zu den «fliegenden Kühen», die Sie selber oder in kleinen Gruppen heraussuchen. Markieren Sie, wie sich die Texte ändern, welche Abweichungen, Präzisierungen und Auslassungen beobachtet werden können. Wählen Sie dazu mindestens ein Beispiel auf der Mikro-, eines auf der Meso- und eines auf der Makroebene. Berichten die verschiedenen Versionen Fakten, Fiktion, Fake-Geschichten? Sind die Texte miteinander verbunden?

Es finden sich verschiedene Versionen dieser Geschichte im Internet: Einmal wird ein Fischerboot getroffen, wobei die Länder ändern, einmal wird ein Brautpaar einer Hochzeitsgesellschaft oder die Teilnehmer*innen eines Erntedankfestes getroffen. Meist fallen Kühe, aber auch Pferde stürzen aus dem Flugzeug/vom Himmel. Ebenso variiert der Ort: einerseits ferner Osten, andererseits Süden/Norden von Russland, auf jeden Fall jedoch eine abgelegene rurale Gegend. Offenbar basiert die Ursprungsgeschichte auf einem russischen Film, dessen Namen mir nicht bekannt ist 🙂

 

Aufgabe 2: Netz der Medienparallelitäten [15']

Wie kann ein Netz der Medienparallelitäten (sprachlich) gespannt werden? Suchen Sie Beispiele aus zwei Texten Ihrer Wahl, die einen thematischen Zusammenhang haben.

Das Netzt ist dichter als Verweise vermuten lassen: Je nach Medien lassen sich ganz unterschiedliche Netze „eruieren“ und Funktionen festmachen

  • Direkte Verweise, auf allen linguistischen Ebenen (z.B. Aufnahme von gleichen Wörtern, Teilsätzen, Sätzen, Layout, Farbe …)
  • Indirekte Verweise: Erschließen der Ebenen, Tiefenstrukturen, (kognitive) Konzepte … (z.B. gleiche Quelle von Metaphern, ähnliche Skripte in einem Frame, alle Aspekte, die man erschließen muss.
  • Sprachliche Wiederaufnahmen: wörtlich, teilweise wörtlich, Synonym
  • Syntaktische Wiederaufnahme: vollständig, teilweise Wiederaufnahme, Paraphrase
  • Semantische Wiederaufnahme: vollständig, teilweise  Oberbegriffe, Unterbegriffe, Kategorie etc.
  • Pragmatische Wiederaufnahme: vollständig, teilweise, Handlung wird ähnlich oder ganz anders realisiert
  • Visuelle Wiederaufnahme: vollständig, teilweise (ähnliche Logo, Farben, Schriften, Schriftzüge, Größe, Position …)
  • Auditive Wiederaufnahme: gleiche / ähnliche / andere Sprecherstimmen, ugs. Einfärbungen etc.

 

Aufgabe 3: Vernetzte Unternehmen [15']

Suchen Sie auf der Nestlé-Seite (https://www.nestle.ch/de), z.B. unter dem Reiter «Nestlé in der Gesellschaft» fünf Informationen raus, die wenig direkt mit dem Unternehmensziel (Produktion von Nahrungsmitteln) zu tun haben, z.B. in der Initiative «Globale Initiative für die Jugend: Nestlé needs YOUth». Suchen Sie in verschiedenen weiteren Medien (Facebook, Insta, Twitter …) Texte zu diesem Projekt. Wie sind die Texte miteinander verbunden, «vernetzt»? Wie werden Voten von Kundinnen und Kunden oder Interessentinnen und Interessenten eingebunden?

Arbeitsschritt 1: Das ist eine vergleichbare Übung mit der Textvernetzung über Mediengrenzen hinweg (siehe Aufgabe 2 zu Medienparallelitäten), insbesondere mit Mitteln der Lexik, Syntax, Semantik, Pragmatik, Bilder, Musik etc, Formen der Verkürzung, Referenz etc., hier wird das Augenmerk auf die medialen unterschiedlichen und doch ähnlichen Textvernetzungen gelegt. Als mögliche Analysebeispiele siehe Beispiele auf folgenden Onlinepages:
Text - Text
Nestlé Internet mit Nestlé Twitter zu «Nestlé needs YOUth»

  • Nestle und «Kinderarbeit»
  • Nestle und «Bildungszugang»
  • Twitter: Nestlé needs youth … eines der Ergebnisse nach Wahl rauspicken und Vernetzung suchen.
  • Facebook und Nestlé, siehe oben
  • z.B. Instagram: Nestleneedsyouthcaribbean
  • LinkedIn … Und viele weitere Kombinationen mehr

Arbeitsschritt 2: Suchen Sie vergleichbare Texteinheiten aus den medial unterschiedlichen Gefässen. Je nach Kombination von Übertragungskanälen wird diese Verbindung mehr oder weniger deutlich.

Text – Bild/Video
https://www.youtube.com/results?search_query=nestle+needs+youth
talent acquisition: https://www.youtube.com/watch?v=5HIlROqdik0
https://www.youtube.com/watch?v=NQPZbPn8Q68
Céleste Schubiger: https://www.youtube.com/watch?v=-21nlO46BBc

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Leseauftrag [120']
Lesen Sie den Aufsatz «Literacy and narrative» von Jens Brockmeier, 2016. Folgen Sie im Text diesen drei Spuren: a) der Beziehung zwischen Schreiben und sozialer Position, b) der Architektur von Wissen und c) der Konstruktion von Bedeutung in einer umgebenden Kultur.
Selbsttest [10']
1. Welche der folgenden Aussagen sind richtig?
a Die Teilhabe an unserer Gesellschaft setzt Literacy voraus.
b Literacy ist eine der Grundkompetenzen unserer Gesellschaft.
c Literacy wird lebenslang vertieft.
d Literacy ist angeboren.
2. Welche der folgenden Aussagen sind richtig?
a Stil in einem Text ist richtig oder falsch.
b Jeder Rezipient, jede Rezipientin konstruiert sich eine eigene Rezeption.
c Gute Texte sind in jeder Organisation von Grund auf neu.
d Texte werden in unterschiedlichen Epochen unterschiedlich gestaltet.
Diskussion | Medienparallelität [15']
Überlegen Sie sich, wie oft Sie an einem normalen Tag, an dem Sie die gewohnten Medien nutzen, mit einer bestimmten, ausgewählten Nachricht konfrontiert werden, z.B. Grammy Awards, Rücktritt eines Verwaltungsrates oder auch dem Wetterbericht: Radiowecker, Zeitung, Internet, Twitter, Instagramm etc. Wie verbinden sich die Texte, welchen Mehrwert schaffen diese Redundanzen und Variationen in Ihrer Wahrnehmung?

1a: zutreffend
1b: zutreffend
1c: zutreffend
1d: nicht zutreffend

2a: nicht zutreffend
2b: zutreffend
2c: nicht zutreffend
2d: zutreffend

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Aufgabe 1: Digital Divides – allgegenwärtig [15’]

Der Begriff «Digital Divide» bezeichnet den Unterschied zwischen Menschen, die Zugang zu digitaler Technologie und damit zu digitaler Kommunikation haben, und solchen, denen dieser Zugang fehlt. Dieser Unterschied, dieser Gap, kann unterschiedliche Gründe haben. Konstruieren Sie ein konkretes Beispiel zu einem der unten stehenden Divides im Hinblick auf eine Kommunikationssituation und diskutieren Sie in einer Gruppe, wie der Divide verringert oder geschlossen werden könnte.
  1. Divide zwischen urbaner und sehr ländlicher Bevölkerung
  2. Divide zwischen junger und sehr alter Bevölkerung
  3. Divide zwischen Frauen und Männern
  4. Divide zwischen Menschen mit und ohne kognitive Einschränkung

  1. Schnelleres und flächendeckendes Internet in Städten, mehr offene WLAN.
  2. Digital natives / digital immigrants / computerlose Menschen.
  3. In manchen Ländern sind Jobs und damit Internet-Zugänge den Männern mehr oder weniger vorbehalten.
  4. Komplizierte Bewerbungsunterlagen und -verfahren auch für einfache Jobs.

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Aufgabe 1: Sprache und Verständlichkeit [10']

Leichte Sprache verwenden wir in der Schweiz für Menschen mit einer kognitiven Einschränkung. Welche der folgenden Aussagen trifft in Bezug auf diesen Satz zu?

  1. Auch, aber nicht nur.
  2. Sie ist auch für Menschen, die sehr klug sind, aber nicht gut Deutsch können.
  3. Ja, weil alle anderen sowieso verstehen, was wir schreiben.
  4. Nein, sie ist vor allem für Schulkinder geeignet.

  1. trifft zu
  2. trifft zu
  3. trifft nicht zu
  4. trifft nicht zu

 

Aufgabe 2: Was ist Leichte Sprache, was einfache? [5’]

Handelt es sich bei den folgenden Sätzen um Leichte Sprache oder um einfache Sprache? Entscheiden und begründen Sie.

  1. Nordamerikas Präsident heißt Joe Biden.
  2. Der Präsident von Nord-Amerika heißt Joe Biden.

a) Ist einfache, b) leichte Sprache.

Zum Unterschied: Einfache Sprache (ein relativer Begriff) vermeidet komplizierte Sprachelemente (auch ein relativer Begriff), sieht aber immer aus wie «normale» Sprache. Leichte Sprache hat ein klares Regelwerk, ist also eher absolut als relativ, und enthält Elemente, die in der «normalen» Sprache nicht vorkommen – den Divis im Kompositum Nord-Amerika zum Beispiel.

 

Aufgabe 3: Einfache und Leichte Sprache [20’]

Leichte Sprache folgt engen Vorgaben, einfache Sprache hingegen nicht. Sehen Sie sich die Startseite des Hallenbads Altstetten (http://www.bad-altstetten.ch/nc/home.html) an und diskutieren Sie in einer Gruppe, welches die Vor- und Nachteile der beiden Konzepte für diese konkrete Seite wären. Erklären Sie, weshalb Sie dieses Thema in diesem Umfeld, für dieses Publikum, mit diesem Zweck und unter diesen Umständen wie kommunizieren würden. Zur Info: Im Jahr 2019 betrug der Ausländeranteil in Zürich-Altstetten 36.2 Prozent.

Mitdiskutieren:
WILL oder MUSS man die Seite verstehen?
WER soll sie verstehen?
Was passiert, wenn jemand nicht versteht?
Was würde Leichte Sprache bringen, was einfache? Sollen z.B. Kinder mit Migrationshintergrund selbständig Infos holen können?

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Aufgabe 1: Index, Ikon, Symbol [15']
Um möglichst vielen Menschen den Zugang zu einer Kommunikation zu ermöglichen, können neben verbalen auch visuelle Kommunikationsmittel ergänzend oder ersetzend hinzukommen. Die Semiotik kennt entsprechend insgesamt drei Arten von Zeichentypen. Geben Sie zu jedem der unten stehenden Beispiele den korrekten Fachbegriff an:
- Parkverbotstafel
- Ein verbeultes Auto am Straßenrand
- Christus am Kreuz
- Ein Holzkreuz an der Wand eines Zimmers
- Ein Katzengesicht auf einer Packung Katzenfutter
- Ein Kratzer, den Ihre Katze auf Ihrem Rücken hinterlassen hat

- Parkverbotstafel - Symbol
- Ein verbeultes Auto am Strassenrand - Index
- Christus am Kreuz - Ikon
- Ein Holzkreuz an der Wand eines Zimmers - Symbol, Index, Ikon
- Ein Katzengesicht auf einer Packung Katzenfutter - Ikon
- Ein Kratzer, den Ihre Katze auf Ihrem Rücken hinterlassen hat - Index
Aufgabe 2: Text als Ikon [10']

Texte bestehen aus Sprache, meist geschriebener Sprache, und Komplexen anderer Zeichensysteme, wie zum Beispiel Bildern oder eingebauten Klängen. Als Ganzes sind sie in erster Linie symbolisch – die meisten ihrer Sprachzeichen sind, wie etwa das Wort Hund, weder Indexe noch Ikone, sondern eben Symbole: arbiträr und konventionell, also ihrem Bezugsgegenstand nicht ähnlich, aber sozial vereinbart und eingeschliffen.

Allerdings: Als Ganzes sind Texte immer auch ikonisch. Sie sind eben räumlich als Ganzheit wahrnehmbar, was uns vermuten lässt, dass sie auch in ihrer Bedeutung ein Ganzes darstellen. Kurz: sie sehen so ganz und abgeschlossen aus, wie sie sind. Das Ikonische besteht also, wie beim Logo eines startenden Flugzeuges auf dem Weg zum Departure Gate, in seiner Ähnlichkeit mit dem Gemeinten: Sieht aus wie ein Flugzeug – meint ein Flugzeug. Sieht aus wie etwas abgeschlossenes Ganzes – meint etwas abgeschlossenes Ganzes.

Das geht aber noch weiter: Wir nehmen an, dass im Sinn zusammengehört, was im Raum nahe beieinander steht. Sieht aus wie zusammengehörend – meint etwas Zusammengehörendes. Beschreiben Sie, was in Ihrem Kopfkino passiert, wenn Sie die folgenden Titelseiten oder Kiosk-Aushänge von Zeitungen sehen:

 

Encke, Julia: Wer ist eigentlich diese Angela Merkel? In: FAZ, 07.05.2013. https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/die-kanzlerin-als-persoenlichkeit-wer-ist-eigentlich-diese-angela-merkel-12172683.html

Clash 1: Der «Mohrenkopf»-Titel über den Kambundji-Schwestern ist nicht optimal.
Clash 2: Der Titel des Abmachers liest sich wie eine Antwort auf den Aufmacher-Titel.
Clash 3: Die beiden Titel stehen so nebeneinander, dass man meint, sie hätten einen inhaltlichen Zusammenhang – was sie nicht haben.

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Aufgabe 1: Flesch-Index [30']

Wenn Expert*innen-Wissen einer fachfremden Adressatengruppe vermittelt werden soll, braucht es oft textuelle Vereinfachungen. Aber was heißt das? Um die Einfachheit bzw. Schwierigkeit eines Textes zu berechnen, gibt es eine Reihe digitaler Analyse-Tools. Mit der folgenden Übung können Sie erfahren, was ein solches Tool im Hinblick auf das Überwinden kommunikativer Gräben leisten kann. Einfachere Sprache: Dieser Text hier stammt von der Homepage des Kantons Zürich. Kopieren Sie ihn und setzen Sie ihn auf Flesch-Index ein, eine Software, die die Schwierigkeit von Texten berechnet: https://fleschindex.de/

Sie erhalten den Wert 29.
a) Schauen Sie nun unter «Formel» (https://fleschindex.de/formel/) nach, was dieser Wert bedeutet.
b) Lesen Sie auf derselben Seite nach, wie der Wert beim Flesch-Index zustande kommt.
c) Diskutieren Sie in Gruppen: Ist diese Art der Berechnung sinnvoll? Wann ja, wann nein? Können Sie Beispiele nennen?

Mitdiskutieren:
• Der Flesch-Index ist im englischsprachigen Raum entwickelt worden, wo er auch entschieden besser funktioniert, weil er einfach von Wortabstand zu Wortabstand zählt («Gütertransporteisenbahnlokomotivführer»).
• Wenn man Sätze verkürzt, indem man z.B. Konnektoren weglässt, SINKT die Verständlichkeit.
• Leichte bzw. einfachere Sprache bedeutet also nicht einfach kurze Sätze.
• Hier geht es um einfachere oder weniger einfache Sprache, nicht um Leichte Sprache.
• Das Verfahren wurde von Rudolf Flesch entwickelt. (1911)
• Toni Amstad konnte die Formel auf die deutsche Sprache übertragen.[5] Dabei musste vor allem der Wortfaktor neu berechnet werden, da die deutschen Wörter im Schnitt länger sind als englische, während die Sätze etwa gleich lang sind.

 

 

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Aufgabe 1: Meine Mediennutzung Teil I [10']

Um mediale Angebote sinnvoll zu nutzen, benötigt es vielfältige Kompetenzen – die sogenannte Media Literacy. Notieren Sie sich, welche Medien und sozialen Medien Sie in den letzten fünf Tagen genutzt haben.
  1. Überlegen Sie sich dann für jedes Medium, weshalb Sie es genutzt haben.
  2. Schätzen Sie ein: Welcher Anteil Ihrer Mediennutzung erfolgt bewusst, welcher Anteil erfolgt aus Routine?

 

Aufgabe 2: Meine Mediennutzung Teil II [10’]

Medienspezifische Codes erfolgreich zu entziffern, das alleine genügt nicht zur Medienkompetenz: Media Literacy bedeutet darüber hinaus, dass man die Qualität und Glaubwürdigkeit von Beiträgen beurteilen kann.

Wählen Sie aus Ihrer Liste von Frage 1 die drei Medientitel oder -plattformen aus, die Sie am meisten nutzen. Beurteilen Sie die Glaubwürdigkeit dieser Angebote auf einer Skala von 1 bis 10, und begründen Sie kurz ihre Einschätzung.

Kriterien für die Beurteilung sind u.a.:

  • Transparenz des Absenders (insbesondere journalistische Redaktion)
  • Logik der Argumentation
  • Überprüfbarkeit der Quellen

 

Aufgabe 3: Media Literacy – so enttarnt man Fake News [15’]

Mit fortschreitender Digitalisierung von Inhalten erweitert sich die Media Literacy: Fake News geraten schneller in Umlauf und müssen als solche erkannt werden.
Gehen Sie auf die Seite https://hoaxmap.org/, schauen Sie sich zehn Gerüchte an. Was fällt Ihnen auf in Bezug auf die Herkunft und die Überprüfung der Gerüchte?

  • Herkunft ist oft Social Media oder unbestimmt
  • Überprüfung oft durch journalistische Medien oder amtliche Quellen (z.B. Polizei)

 

Aufgabe 4: Media Literacy – Glaubwürdigkeit [15’]
Lesen Sie den untenstehenden Artikel und beantworten Sie dann die folgenden Fragen:
  1. Wie glaubwürdig ist der Artikel, und weshalb?
  2. Was ist die Absicht hinter diesem Beitrag, und woran erkennen Sie diese?
  3. Würden Sie diesen Beitrag als «Fake News» bezeichnen?

  1. Der Artikel ist unglaubwürdig, aber Glaubwürdigkeit ist auch nicht das Ziel dieses Beitrags. Vielmehr handelt es sich um eine Satire.
  2. Bei einer Satire geht es darum, durch Humor und Übertreibung auf einen Missstand hinzuweisen. Dabei werden oft Textformen des Journalismus parodiert. Wer den Titel der Zeitschrift kennt, weiß das bereits. Zudem weist die übertriebene Darstellung des Sachverhalts darauf hin, dass er nicht ernst gemeint ist.
  3. Der Begriff Fake News wird für sehr unterschiedliche Dinge verwendet. Eine stark verbreitete Bedeutung ist die der strategisch gestreuten Falschnachrichten zur Manipulation des Publikums. Darum handelt es sich hier offensichtlich nicht. Fake News bezeichnen aber auch satirische Beiträge wie diese, die journalistische «News» parodieren.
Aufgabe 5: Online kommunizieren [10’]
Mediale Kommunikation im digitalen Zeitalter ist keine Einwegkommunikation mehr: Es wird kommentiert, gelikt, geteilt. Die Konsequenzen dieser eigenen Beiträge müssen ab- und eingeschätzt werden. Egal, ob bei einem langen Kommentar oder nur bei der Verwendung eines Hashtags. In diesen beiden Tweets finden sich zahlreiche Hashtags.
  1. Welche Funktion haben die verschiedenen Hashtags?
  2. Worin liegt die Problematik in der Verwendung des Hashtags @wirsindmehr, wie er in diesen beiden Tweets verwendet wird?

  1. Hashtags bündeln Tweets und strukturieren so die Inhalte dieser Plattform, z.B. geografisch (z.B. #Neumünster) oder thematisch (z.B. #Montagsspaziergang). Darüber hinaus nehmen sie aber auch Deutungen von Sachverhalten vor, beispielsweise mit Hashtags wie #wirsindmehr, oder sie stellen gewisse Bezüge her, die einen Sachverhalt in ein bestimmtes Licht rücken, z.B. indem man Tweets zu Corona-Impfungen mit Hashtags wie #Grundrechte oder #Freiheit versieht.
  2. Wie das Beispiel zeigt, können Hashtags aufgrund ihrer Kürze so allgemein sein, dass sie von verschiedenen Seiten für ihre Zwecke verwendet werden können. So verliert der Hashtag #wirsindmehr seine Bedeutung, wenn er von beiden Seiten einer Kontroverse für sich beansprucht wird, wie in diesem Beispiel.
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Jedes Jahr im Januar präsentiert sich die Schweizer Regierung auf einem Foto, dem sogenannten Bundesratsfoto. Genau wie Texte transportieren auch Bilder eine bestimmte Sichtweise und Wirkung.

Aufgabe 1: Bildinhalte beschreiben [10']

Schauen Sie sich die Bundesratsfotos von 2015 und 2017 an.

Bundesratsfoto 2015

Bildnachweis: «Schweizerische Bundeskanzlei». Quelle: https://www.admin.ch/gov/de/start/bundesrat/bilder-und-reden-des-bundesrats/offizielle-bundesratsbilder/printversionen-und-einzelportraits.html

 

 

Bundesratsfoto 2017

Bildnachweis: «Schweizerische Bundeskanzlei». Quelle: https://www.admin.ch/gov/de/start/bundesrat/bilder-und-reden-des-bundesrats/offizielle-bundesratsbilder/printversionen-und-einzelportraits.html

 

Was sehen Sie auf den Fotos? Notieren Sie Ihre Eindrücke.

  • Welche Personen sind abgebildet?
  • Wie werden sie dargestellt?
  • Welche Aktionen gibt es?
  • Was können Sie über den Ort und die Zeit sagen?
  • Was können Sie über die Blickrichtungen der Personen sagen?
  • Wie werden die Betrachtenden angesprochen?
  • Was fällt noch auf?
Aufgabe 2: Bildmotive vergleichen [10']
An was erinnern Sie die Bildmotive? Kennen Sie ähnliche Bildmotive, z.B. aus der Kunstgeschichte, Fotografie oder Werbung? Recherchieren Sie mögliche Vorbilder.
Aufgabe 3: Bildwirkung analysieren [10']
Vergleichen Sie die beiden Bundesratsfotos. Wie wirkt der Bundesrat auf den Fotos? Was sagen die Fotos über den Bundesrat aus? Was sagen die Fotos über das Verhältnis von Bundesrat und Bevölkerung aus?
Aufgabe 4: Reaktionen in den Medien [10']
Wie haben die Medien die beiden Bundesratsfotos bewertet? Recherchieren Sie dazu Medienartikel und Kommentare auf Social Media und vergleichen Sie die Aussagen der Medien mit Ihren Erkenntnissen.
Aufgaben 5: Die Botschaft [10']
Was war die Intention des Absenders, d.h. der auftraggebenden Person und der Fotograf:innen? Kommt die Botschaft, die der Absender vermitteln wollte, auch so bei den Empfangenden an?
Befragen Sie dazu Kommiliton:innen, die das Bild nicht kennen.

Bundesratsfotos 2015

Bundesratsfoto 2017

Der Bundesrat – Das Portal der Schweizer Regierung: Bundesratsfotos seit 1993
https://www.admin.ch/gov/de/start/bundesrat/bilder-und-reden-des-bundesrats/offizielle-bundesratsbilder.html

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Aufgabe 1: Organisationen in der Gesellschaft [10']

Organisationen ermöglichen es der modernen Gesellschaft, Bedürfnisse von Menschen zu stillen und deren Interessen zu schützen. Sprachprofis tragen dazu Entscheidendes bei. Im Lernimpuls werden zwei Beispiele für Organisationen erwähnt, die materielle Bedürfnisse stillen (eine Bäckerei mit Broten) beziehungsweise immaterielle Interessen schützen (eine Schule mit ihren Lehrangeboten). Ordnen Sie weitere Organisationen, die Sie aus Ihrem Umfeld kennen, diesen beiden Typen zu.

«Arbeitsorganisationen» stillen materielle Bedürfnisse, Beispiel Bäckerei. Weitere Beispiele: Landwirtschaftliche Betriebe, die Nahrungsmittel produzieren; Kraftwerk-Unternehmen zur Stromproduktion; Reinigungsunternehmen u.a.

«Interessensorganisationen» schützen immaterielle Interessen, Beispiel Schulen. Weitere Beispiele: Sicherheitsbehörden; Interessensverbände und Vereine; Beratungsunternehmen; wissenschaftliche Institutionen.

 

Aufgabe 2: Leistungen von Organisationskommunikation [5']

Sprachprofis verfügen über Kompetenzen, Kommunikationsprozesse in Organisationen voranzutreiben. Im Lernimpuls werden verschiedene Leistungen beschrieben, die auf dem Berufsfeld der Organisationskommunikation durch Sprachprofis erbracht werden. Benennen Sie vier dieser Leistungen. Und beschreiben Sie beispielhaft, wie diese Leistungen konkret erbracht werden in Organisationen, mit denen Sie es selber im Alltag zu tun haben (sei dies als Mitarbeiter:in oder als Kund:in). 

  • Koordination von Wertschöpfungsprozessen, bspw. Erstellen von Ablaufplänen, Organisation von Events u.a. 
  • (soziale) Integration für Wertschöpfungsprozesse, bspw. Rekrutierung von Mitarbeitenden, Organisation und Moderation von Teammeetings, Aktivitäten für die Kundenbindung u.a. 
  • Strukturierung von Wertschöpfungsprozessen, bspw. Strategieentwicklung und -vermittlung, institutionelles Reporting bspw. durch Geschäftsberichte u.a. 
  • Positionierung von Wertschöpfungsprozessen und -produkten in der gesellschaftlichen Umwelt, bspw. Produktemarketing und -werbung, Branding, Lobbying, Corporate Social Responsibility u.a. 

 

Aufgabe 3: Berufsfelder Organisationskommunikation und Journalismus [8']

Der Basistext präsentiert Organisationskommunikation ebenso wie den Journalismus als Berufsfelder. Benennen Sie zwei wichtige Gemeinsamkeiten beider Berufsfelder und je einen wichtigen Unterschied im direkten Vergleich anhand dieser Lektüre.

  • Gemeinsamkeiten: Berufe zur Herstellung von öffentlichem Diskurs; Arbeit mit der Sprache und für den zielführenden Sprachgebrauch durch Organisationen; Beherrschung der Digitalität, Multimodalität und Multimedialität von Kommunikation; Fähigkeit zur Reflexion und zum Management von Sprachgebrauch (bspw. mit Blick auf Sprachnormen); Unterstützung von Verständigung unter Menschen und ihrer Teilhabe an Wirtschaft, Politik, Kultur und Wissenschaft
  • Unterschiede Journalismus gegenüber Organisationskommunikation: Fokus auf Diskurspraktiken der Recherche, Produktion und Publikation von Diskursbeiträgen; Organisation von Aktualität
  • Unterschiede Organisationskommunikation gegenüber Journalismus: Fokus auf Diskurspraktiken der Analyse, Konzeption und Evaluation von Sprachgebrauch; situative Aktualisierung von Organisation.

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Aufgabe 1: Normalität [15']

Die Funktion des Journalismus besteht darin, den öffentlichen Diskurs zu organisieren, zu moderieren und sicherzustellen, dass alle, die das möchten oder müssen, am Diskurs teilhaben, also mitdenken und mitreden können.

Stellen Sie sich vor, ein 70-jähriger Milliardär aus Südafrika verschafft sich während des Corona-Lockdowns mit behördlichem Segen Zugang zum Impfstoff der Spitalgruppe Hirslanden, während das Gesundheitspersonal auf die Impfung warten muss. Für den Journalismus ist ein solcher Fall ein gefundenes Fressen. Er reagiert nämlich primär auf das, was irritiert, was vom Gewohnten und Normalen abweicht. Lesen Sie dazu diesen Artikel https://impact.zhaw.ch/de/artikel/warum-journalismus-normalitaet-meidet-wie-der-teufel-das-weihwasser und wenden Sie sich dann folgenden Fragen bzw. Aufgaben zu:

  • Schildern Sie in wenigen Sätzen, was daran normal ist, dass der Journalismus Normalität fürchtet wie der Teufel das Weihwasser.
  • Versuchen Sie in wenigen Sätzen zu erklären, warum der Journalismus trotzdem letztlich die Sehnsucht nach dem Normalen zu stillen versucht.
  • Nennen Sie einige aktuelle Beispiele für journalistische Geschichten, in denen das Abweichen vom Normalen der Auslöser für eine Geschichte war.

  • Schildern Sie in wenigen Sätzen, was daran normal ist, dass der Journalismus Normalität fürchtet wie der Teufel das Weihwasser.

--> Journalismus reagiert auf das, was gesellschaftlich irritiert; also auf das was vom Gewohnten und Normalen abweicht.

  • Versuchen Sie in wenigen Sätzen zu erklären, warum der Journalismus trotzdem letztlich die Sehnsucht nach dem Normalen zu stillen versucht.

--> Das Funktionssystem Journalismus zielt mit seiner Inszenierung von Irritation letztlich auf die Wiederherstellung eines Gleichgewichts im Normalen.

  • Nennen Sie einige aktuelle Beispiele für journalistische Geschichten, in denen das Abweichen vom Normalen der Auslöser für eine Geschichte war.

--> Die Rückeroberung von besetzten Gebieten im Osten der Ukraine durch die ukrainische Armee; Der Rettungsschirm für kommerzielle Energieproduzenten in der Energiekrise

 

Aufgabe 2: Kommunikationsmedien [15’]

In der systemtheoretisch ausgerichteten Journalismustheorie wird der Journalismus als ein autonomes Teilsystem der Gesellschaft aufgefasst. Das Funktionssystem «Journalismus» löst demnach exklusiv ein Problem, das andere Teilsysteme wie etwa Politik, Wirtschaft oder Wissenschaft nicht zu lösen vermögen. Bei der Problemlösung setzt jedes gesellschaftliche Teilsystem ein eigenes symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium wie etwa Macht, Geld oder Wahrheit ein. Kommunikationsmedien machen unwahrscheinliche Kommunikation wahrscheinlicher.

  • Schauen Sie sich dazu dieses Video an https://www.youtube.com/watch?v=H8sDsTGoAq4, in dem der Soziologe Dirk Baecker den Begriff «Kommunikationsmedien» erklärt.
  • Vervollständigen Sie dann die untenstehende Tabelle, indem Sie die aufgeführten Kommunikationsmedien den jeweils zutreffenden Funktionssystemen zuordnen.
  • Machen Sie schließlich einen Vorschlag dafür, wie man das Kommunikationsmedium des Teilsystems Journalismus nennen könnte und was Journalist:innen dazu motiviert, an journalistischen Texten zu arbeiten.

Kommunikationsmedien:

  • Macht
  • Geld
  • Wahrheit
  • Moral
  • Glaube
  • Ästhetik
Funktionssystem Symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium Motivation des Handelns
Politik Ermöglicht es z.B., dass ein:e Verkehrssünder:in eine Geldbuße entrichten muss, bzw. dass der Staat sie erhält.
Wirtschaft Ermöglicht mir z.B., beim Bäcker unkompliziert ein Brot zu kaufen.
Wissenschaft Motiviert eine:n Wissenschaftler:in dazu, in der Freizeit an einer wissenschaftlichen Publikation zu arbeiten.
Ethik Ermöglicht es, sich über gemeinsame Wertvorstellungen und -Urteile zu verständigen
Religion Ermöglicht die Transformation einer unbestimmbaren Komplexität in eine bestimmbare Komplexität
Kunst Bewegt Menschen dazu, sich einem Kunstwerk zuzuwenden.

 

 

Aufgabe 3: Systemperspektiven [15']

Im gesellschaftlichen Zusammenleben ist es häufig so, dass unterschiedliche Deutungen und Argumente, die der einen Systemlogik folgen, die Logiken von anderen Gesellschaftssystemen irritieren. Das hat das Beispiel vom Bau des Kreisels gut veranschaulicht. Genau dann kommt der Journalismus ins Spiel. Er reagiert angesichts der Irritation auf öffentlichen Diskursbedarf. Seine Funktion besteht nun darin, den öffentlichen Diskurs zu organisieren und zu moderieren. Gerade dann, wenn sich gegenseitig irritierende Deutungen aus verschiedenen Gesellschaftssystemen aufeinanderprallen.

Schauen Sie sich dazu dieses Video an https://www.youtube.com/watch?v=FmnDE4Em_AM, in dem das Beispiel vom Kreiselbau ausgeführt wird.

  • Vervollständigen Sie dann die untenstehende Tabelle, indem Sie die aufgeführten Argumente den jeweils zutreffenden Funktionssystemen und Kommunikationsmedien zuordnen.
  • Nennen Sie weitere Argumente, die noch anderen Systemperspektiven folgen und die vom Journalismus in seinen Texten zu dem Kreiselbau aufgenommen werden könnten.
  • Nennen Sie schließlich weitere aktuelle Beispiele für journalistische Geschichten, in denen der Journalismus Deutungen und Argumente aufgegriffen hat, die jeweils einer eigenen Systemlogik zuzuordnen sind.

Argumente:

  • Ein Kreisel ist viel zu teuer!
  • Ein Kreisel ist sicherer als eine Kreuzung!
  • Ein Kreisel braucht eine schöne Skulptur!
  • Es ist unmoralisch, die unsicher Kreuzung so stehen zu lassen!
Funktionssystem Symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium Argumente im öffentlichen Diskurs
Wirtschaft Geld
Wissenschaft Wahrheit
Ethik Moral
 

Kunst

 

 

Ästhetik

 

 

  • Nennen Sie weitere Argumente, die noch anderen Systemperspektiven folgen und die vom Journalismus in seinen Texten zu dem Kreiselbau aufgenommen werden könnten.

--> Politik: Ein Kreisel ist an der Urne nichts mehrheitsfähig.

--> Bildung: Die Schüler haben zu wenig Erfahrung, um mit Fahrrädern sicher auf dem Kreisel zu fahren.

  • Nennen Sie schließlich weitere aktuelle Beispiele für journalistische Geschichten, in denen der Journalismus Deutungen und Argumente aufgegriffen hat, die jeweils einer eigenen Systemlogik zuzuordnen sind.

--> Coronaberichterstattung: die wissenschaftlichen Argumente der Virologen und die religiösen einiger Religionsvertreter:innen

--> Ukrainekrieg: Die moralischen Argumente der Anhänger von Waffenlieferungen an die Ukraine und die wirtschaftlichen Argumente der Gegner im Hinblick auf eine mögliche Dauer des Krieges.

 

Aufgabe 4: Narration [15’]

Im Journalismus ist Narration ein zentraler journalistischer Kommunikationsmodus. Es handelt sich dabei um eine Form von Sinnvermittlung im Akt des Erzählens. Das Narrative ermöglicht einen stärker affektiven Zugang zu Themen, weckt Neugier, baut Spannungen auf, lässt Befürchtungen wachsen, und lädt zur Identifikation ein. Der narrative Kommunikationsmodus wird auch vom Journalismus zur Reduktion von Komplexität angewandt. Es sind die journalistischen Geschichten, seine Stories, die es schaffen, konfliktive Deutungen und unvereinbare Argumente zu verbinden und dazwischen zu vermitteln. Gerade Krisen passen hervorragend zur Logik des Journalismus, weil sie unvorhersehbar sind, als Irritation des Gewohnten eine hohe Relevanz haben und oft eine persönliche Zurechenbarkeit konstruieren (Rollen).

Versuchen Sie nun abschließend das Konzept der Narration auf die Beispiele der medialen Inszenierung einerseits der Corona-Krise und andererseits der Ukraine-Krise anzuwenden, indem Sie für beide Fallbeispiele folgende Fragen grob beantworten:

  • Welche Systemperspektiven (Themen, Aspekte) werden in der medialen Berichterstattung zu diesen beiden Fällen aufgegriffen bzw. thematisiert?
  • Auf welche Narrative oder Erzählmuster greifen Journalistinnen und Journalisten zurück, wenn sie die Komplexität dieser unüberschaubaren und lang andauernden Ereignisse in journalistischen Geschichten zu reduzieren versuchen?
  • Gibt es weitere Großereignisse oder Themen, bei denen Sie in der medialen Inszenierung narrative Strukturen bzw. typische Erzählmuster oder Rollen erkennen können?

  • Welche Systemperspektiven (Themen, Aspekte) werden in der medialen Berichterstattung zu diesen beiden Fällen aufgegriffen bzw. thematisiert?

--> Corona-Krise: medizinische Aspekte vs. wirtschaftliche

--> Ukranie-Krieg: moralische Argumente vs. Wirtschaftliche hinsichtlich der Dauer des Kriegens

  • Auf welche Narrative oder Erzählmuster greifen Journalistinnen und Journalisten zurück, wenn sie die Komplexität dieser unüberschaubaren und lang andauernden Ereignisse in journalistischen Geschichten zu reduzieren versuchen?

--> Corona-Krise: z.B. Kassandra vs. Blender aus einer fremden Welt.

--> Ukraine-Krise: z.B. David gegen Goliath

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Leseauftrag [60']
Lesen Sie in der «Strategie Digitale Schweiz“ die Punkte 1 bis 4, zu Grundsätzen, Kernzielen, Aktionsfeldern und Aktionsplan: Strategie-DS-2020-De. Sehen Sie sich nun die fünf Kernziele (unter Punkt 2, S. 4) genauer an: Notieren Sie sich zu jedem der fünf Punkte stichwortartig, welche Rolle die Sprache bei der Umsetzung dieses Ziels Ihrer Meinung nach spielt.

  • Chancengleiche Teilhabe aller ermöglichen und Solidarität stärken. Lösungsgedanken: Teilhabe funktioniert zu einem Großteil über Sprache!
  • Sicherheit, Vertrauen und Transparenz gewährleisten. Lösungsgedanken: Das alles geht nicht ohne Sprache
  • Digitale Befähigung und Selbstbestimmung der Menschen weiter stärken. Lösungsgedanken: Hier muss man Digital Divides aus dem Weg räumen.
  • Wertschöpfung, Wachstum und Wohlstand sicherstellen. Lösungsgedanken: hier ist die Wichtigkeit der Sprache nicht auf den ersten Blick ersichtlich, aber schlussendlich geht es auch nicht ohne.
  • Ökologischen Fußabdruck und Energieverbrauch verringern. Lösungsgedanken: hier ist die Wichtigkeit der Sprache nicht auf den ersten Blick ersichtlich, aber schlussendlich geht es auch nicht ohne.
Grundsätzlich: Hier geht es darum, dass klar wird, dass ohne das Überwinden von Digital Divides gar nichts geht, was die gesamte Gesellschaft betriff – auch wenn man es vielleicht auf den ersten Blick nicht sieht.
Selbsttest [10']
Welche Aussagen zu den Ebenen von Sprachbetrachtung treffen zu?
a Um Elemente der Syntax zu erkennen, muss man die entsprechende Sprache verstehen.
b Um Sprache richtig anzuwenden, muss man das sagen, was man auch meint.
c Der Begriff Semantik meint Sprachstruktur, z.B. Wortbau, Satzbau und Textstruktur.
d Wenn man die Textpragmatik untersucht, fragt man, was mit dem Text erreicht werden soll.

a trifft nicht zu. Wir verstehen auch, wie Hieroglyphen funktionieren.

b trifft nicht zu. Wir können zum Beispiel sagen: «Hast Du eine Uhr an?». Wir wollen aber nicht «ja» oder «nein» hören, sondern erfahren, wie spät es ist.

c trifft nicht zu. Das wäre die Syntax. Semantik meint Sprachbedeutung.

d trifft zu.

Diskussion | Fall Hallenbad [20']
Leichte Sprache folgt engen Vorgaben, einfache Sprache hingegen nicht. Sehen Sie sich die Startseite des Hallenbads Altstetten an und diskutieren Sie in der Gruppe, welches die Vor- und Nachteile der beiden Konzepte für diese konkrete Seite wären. Erklären Sie, weshalb Sie dieses Thema in diesem Umfeld, für dieses Publikum, mit diesem Zweck und unter diesen Umständen wie kommunizieren würden. Zur Info: Im Jahr 2019 betrug der Ausländeranteil in Zürich-Altstetten 36.2 Prozent.

Hier geht es um die Erkenntnis, dass man mit einem nicht ganz klar bekannten Zielpublikum (Kinder, Erwachsene, viele Menschen, die nicht deutscher Muttersprache sind, aber deren Sprachniveau man überhaupt nicht kennt, besonders vorsichtig sein muss – evtl. auf Symbole oder andere Bilder zurückgreifen sollte.
Diskussion | Fall Behörde [20']
Tiefbauamt: Wir projektieren, bauen, betreiben und unterhalten kantonale Autobahnen, Straßen, Brücken, Velo-, Wander- und Reitwege nach den Grundsätzen der Nachhaltigkeit. Diese dienen dem öffentlichen und privaten Verkehr und tragen damit maßgeblich zu einem nachhaltig attraktiven Kanton Zürich bei.
Der Text stammt von der Homepage des Kantons Zürich. Kopieren Sie ihn und set-zen Sie ihn auf Flesch-Index ein, eine Software, die die Schwierigkeit von Texten berechnet: https://fleschindex.de/ Sie erhalten den Flesch-Wert 29. Schauen Sie nun unter «Formel» nach, was dieser Wert bedeutet https://fleschindex.de/formel/. Lesen Sie auf derselben Seite nach, wie der Wert beim Flesch-Index zustande kommt. Diskutieren Sie in Gruppen: Ist diese Art der Berechnung sinnvoll? Wann ja, wann nein? Können Sie Beispiele nennen?

Hier geht es darum, zu erkennen, dass der Flesch-index «dumm» ist, weil er nur zählen kann. Wichtig ist hier die Diskussion, dass kurze Sätze nicht automatisch einfacher zu verstehen sind, sondern dass Verkürzung auch bewirken kann, dass Sätze komplizierter zu verstehen sind.

Die Zukunft unserer Sprachberufe mitgestalten

Sprache und Mensch

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Aufgabe 1: Still Face Experiment [10']

Schauen Sie sich das Video «Still Face Experiment» (ab 1:37 bis 2:50) an. Was möchte das Video veranschaulichen? Welche Voraussetzungen und Eigenschaften der Kommunikation werden sichtbar? Wie hängen dabei Kommunikation und Sprache zusammen?

Das Video veranschaulicht den Charakter der Kommunikation, indem die Mutter das ‹Gespräch› sabotiert. Dabei wird Folgendes deutlich:

  • Auch wenn man scheinbar nicht kommuniziert, kommuniziert man (Das Baby misst dem passiven Verhalten der Mutter einen Aussagewert zu, auf das es reagiert).
  • Kommunikation besteht aus Interaktion. Dafür sind mindestens zwei Akteure nötig.
  • Kommunikation ist ein menschliches Grundbedürfnis und überlebenswichtig.
  • Das Baby kommuniziert ohne Sprache im eigentlichen Sinn. Kommunikation entsteht also nicht nur durch verbale, sondern auch durch nonverbale und paraverbale Elemente.

 

Aufgabe 2: Ohne Sprache kommunizieren? [10']

Im Video «Still Face Experiment» (ab 1:37 bis 2:50) in Übung 1 haben Sie gesehen, dass Kommunikation auch ohne Sprache erfolgen kann. Es gibt auch sogenannte nonverbale und paraverbale Handlungen. Worin unterscheiden sich diese beiden Begriffe und in welchem Verhältnis stehen sie zueinander? Schlagen Sie eine Definition vor und erläutern Sie sie mit Beispielen.

Nonverbale Kommunikation bedeutet, dass keine sprachliche Zeichen verwendet werden. Im engeren Sinn wird damit Mimik, Gestik und Proxemik (Distanzverhalten) – also Körpersprache – bezeichnet. In einem weiteren Sinn kann jede sinnlich wahrnehmbare Handlung, die nicht auf Sprache beruht, als nonverbal bezeichnet werden: Gähnen, ein torkelnder Gang, verschränkte Arme, Pfeifen oder Schminke.

Paraverbal bedeutet, dass neben der verbalen Kommunikation etwas geschieht (griech. para ‹neben›). Damit sind akustisch wahrnehmbare Signale gemeint, wie Tonhöhe, Lautstärke, Sprechgeschwindigkeit, Pausen oder Lachen, die die verbale Kommunikation begleiten. Die paraverbale Kommunikation hat eine andere Beschaffenheit als die nonverbale Kommunikation, da sie nur im Zusammenhang mit verbalen Zeichen vorkommt.

 

Aufgabe 3: Erfolg durch Stimmtraining [10']

Schauen Sie sich das Video «Margaret Thatcher Voice before/after» an. Wie verändert sich die Stimme? Welche weiteren paraverbalen Merkmale fallen Ihnen auf? Können Sie sich vorstellen, was durch diese Veränderungen bezweckt wird?

Im zweiten Ausschnitt liegt die Tonhöhe tiefer, die Akzentuierung ist stärker, das Sprechtempo ist langsamer und Pausen werden häufiger und bewusst gestaltet. Thatcher kommuniziert dadurch Entschiedenheit, Seriosität, Professionalität und Kontrolle. Die erste Premierministerin des Vereinigten Königreichs wurde auch the Iron Lady genannt.

 

Aufgabe 4: What’s up? Calls and voice messages [10']

Auf den ersten Blick sind sich ein Telefongespräch und eine Sprachnachricht auf einem Messenger ziemlich ähnlich. Doch worin bestehen die Übereinstimmungen und was sind die Unterschiede? Welche Auswirkungen hat dies auf die Kommunikation?

Bei beiden Formen erfolgt die Kommunikation verbal und paraverbal – und zwar mündlich. Nonverbale Handlungen können zwar den Prozess begleiten, aber haben für die Kommunikation keine Relevanz, da nur akustische Signale übermittelt werden. Der große Unterschied ist, dass ein Telefongespräch synchron geführt wird, eine Sprachnachricht aber asynchron. Dies hat zur Folge, dass in einem Telefongespräch die Möglichkeit für Redewechsel, Fragen und Antworten bestehen und dass diese spontan erfolgen. Bei Sprachnachrichten ist dies eingeschränkt möglich. Je nachdem wie lange eine Sprachnachricht ist, muss bei einer Antwort der Bezug zur Frage geklärt werden. Es ist ohne Weiteres möglich, eine Stunde zu telefonieren. Eine einstündige Sprachnachricht anzuhören jedoch braucht Geduld; erst recht, wenn eine ebenso lange Antwort erwartet wird.

 

Aufgabe 5: Telefon im Film [10’]

In dieser Szene aus dem Film Mean Girls (2004) geht es um parallele Telefongespräche. Wie wird ein charakteristisches Element des Telefons visuell unterwandert und wozu?

Ein Telefongespräch zeichnet sich dadurch aus, dass nonverbale Kommunikation nicht mitgeteilt werden, da nur akustische Signale übermittelt werden. Indem der Fokus nicht auf einer Person liegt, sondern auf allen vier, werden diese nonverbale Elemente für die Zuschauer:innen sichtbar. Zudem wird auf der Leinwand eine räumliche Nähe geschaffen, die für das Telefon eigentlich fremd ist. Die parallele visuelle Darstellung dient als Stilmittel, um die Handlung zu verdichten, die sich zunehmend zuspitzt.

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Aufgabe 1: Das Organon-Modell [10']

Sie haben die drei Funktionen in Karl Bühlers Organon-Modell kennengelernt. Wie sind diese drei Funktionen in der Grafik zu verorten und wie hängen sie mit dem sprachlichen Zeichen zusammen?

Ein sprachliches Zeichen, das sich auf einen Gegenstand oder Sachverhalt bezieht, wird zu einem Symbol. Ein Symbol (man könnte auch Sinnbild sagen) stellt etwas dar, es hat also eine Darstellungsfunktion. Ein sprachliches Zeichen, das sich auf den Sender bezieht, zeigt an, wie es dem Sender geht. Es ist dann von einem Symptom oder Anzeichen die Rede, das eine Ausdrucksfunktion innehat. Ein sprachliches Zeichen, das sich an einen Empfänger richtet, wird zu einem Signal. Die Funktion eines Signals ist ein Appell. Im Beispielsatz «Hoppla! Schau, da ist ein Fuchs!» hat hoppla eine primäre Ausdrucksfunktion, da es die Überraschung des Senders zum Ausdruck bringt. Schau enthält eine Aufforderung, hat also in erster Linie eine Appellfunktion. Fuchs verweist auf ein Lebewesen und stellt es dar.

 

Aufgabe 2: Ich bin du [10']

In der Kommunikation sind Missverständnisse eher die Norm als die Ausnahme. Erklären Sie das Missverständnis in der Szene aus dem Film Rush Hour 3 und was daran witzig ist.

Die Verwirrung entsteht dadurch, dass Carter die Namen Yu und Mi als deiktische Pronomen you und me auffasst. Hinzu kommt, dass Yu oftmals in der 3. Person von sich selbst redet und Carter sich dadurch angesprochen fühlt. Die Mehrdeutigkeit von you and me führt zu paradoxen Aussagen: I am you oder he is me and I am you. Der komische Effekt entsteht dadurch, dass Carter diese Mehrdeutigkeit nicht durchschaut und Yu es nicht schafft, diese Mehrdeutigkeit verständlich zu machen.

 

Aufgabe 3: Das Meme-Experiment [10']

Verstehen und Verständigung findet immer in einem Kontext statt. Überlegen Sie, weshalb es einen Instagram-Kanal braucht, der Memes erkärt und was das mit dem Wesen der Sprache und Kommunikation zu tun hat.

https://www.instagram.com/p/CJ0mhHZjxM9/?igshid=12vw2u894taav

https://www.instagram.com/p/CJ4DydFj7N9/?igshid=a2id1z2tpum4

Memes sind nicht immer intuitiv verständlich. Sie setzen ein bestimmtes Welt- oder Sprachwissen voraus. Im ersten Fall ist es nötig zu wissen, dass das Video Me at the zoo das erste Youtube-Video überhaupt ist. Im zweiten Fall handelt es sich um ein Wortspiel mit den Buchstaben und J: Yale bezeichnet eine amerikanische Elite-Universität, jail ein Gefängnis. Sprache ist fast immer ambivalent und vieldeutig. Ironie, Witz und Abgründigkeit, z.B. auch versteckte Regimekritik in politischem Kontext, basiert auf kontextgebundenem Weltwissen sowie auf einem zielgerichteten Umgang mit sprachlicher Ambivalenz.

 

Aufgabe 4: Tödliches Missverständnis [10']

Lesen Sie den folgenden Text. Es zeigt die tragische Konsequenz mehrerer Missverständnisse auf. Warum sind Missverständnisse im Alltag selten so gravierend? Können Sie sich vorstellen, wie in der Luftfahrt kommunikative Missverständnisse vermieden werden (trotz Mehrsprachigkeit)?

Obwohl Missverständnisse in der zwischenmenschlichen Kommunikation der Normalfall sind, sind sie selten so gravierend. Das liegt daran, dass wir sie durch Reparaturmechanismen auffangen: Wir reagieren auf Gestik, auf eine verärgerte Mail und bereinigen durch unsere Reaktion die Sache, etwa mit einer Klärung oder einer Entschuldigung.

Im mehrsprachigen Kontext der Luftfahrt wurde eine spezielle «Aviation Language» entwickelt, die sicherstellen soll, dass alle Beteiligten ohne Missverständnisse miteinander kommunizieren. Die Basis bildet ein angepasstes Englisch sowie eine Vielzahl von Abkürzungen. Im vorliegenden Beispiel hat die Kommunikation durch eine Kette von Umständen nicht funktioniert. Es bestand aufgrund der äußeren Umstände (Zeitdruck, schlechte Sicht, Isolation im Cockpit) auch keine Möglichkeit eines rechtzeitigen Reparaturmechanismus, wie das der Fall ist, wenn wir jemandem eine falsche Termineinladung schicken.

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Aufgabe 1: (Un-)Höflichkeitsstrategien [10']

Das folgende Video zeigt einen Ausschnitt aus der zweiten Debatte zur Präsidentschaftswahl der Vereinigten Staaten von Amerika aus dem Jahr 2016 zwischen den Amtsanwärtern Hillary Clinton (Demokratische Partei) und Donald J. Trump (Republikanische Partei).

Schauen Sie sich das gesamte Video an (ca. 3 Minuten).

Analysieren Sie das Antwortverhalten beider Kandidaten. Welche verbal-kommunikativen Strategien werden angewandt, um das Gesicht des anderen im Kontext der Publikumsfrage zu wahren oder zu verletzen?

Video: https://www.youtube.com/watch?v=pJlnxbO5N2g&ab_channel=CBSNews

Diskreditierung des politischen Gegenübers ist ein zentrales Ziel in der Politikdebatte. Die Publikumsfrage fordert dabei ein, dieses Ziel der Diskreditierung, der Unhöflichkeit, vorübergehend nicht zu verfolgen.

Thematisch versucht Hillary Clinton bei ihrer Antwort, Trumps Wunsch nach Anerkennung zu schützen, indem sie auf die Qualitäten seiner Kinder referiert. Auf verbaler Ebene nutzt sie gleichsam «Hedging»-Ausdrücke, um den Wahrheitsanspruch ihrer Äußerung zu reduzieren («I think that says a lot about Donald.»). Trotz der eingeforderten Konventionen zur Höflichkeit übt Clinton einen offenen FTA aus («I don’t agree with nearly anything else he says or does»), der Trumps positives Selbstbild verletzt, ihn damit diskreditiert und den er vermutlich als unhöflich wahrnehmen wird.

Trump nutzt wiederum seine ersten Redebeiträge, um dieses positive Selbstbild zu stärken. Trumps Bewertung («I consider this a compliment»), seine eigene Wahrnehmung der kommunikativen Wirkung von Clintons Kompliment zeigt, dass Indirektheit nicht zwangsläufig Höflichkeit bedeutet –  eine zentrale Kritik an dem von Brown und Levinson formulierten Theoriegerüst. Im Gegensatz zu Clinton beantwortet Trump die Publikumsfrage mit einer Achtung des positiven Selbstbilds Clintons, ohne diesen in seinem Wahrheitsgehalt verbal abzuschwächen. Ferner übt Trump ebenso wie Clinton einen direkten FTA aus («I disagree with much of what she is fighting for»).

 

Aufgabe 2: (Un-)Höflichkeitsstrategien: Mehr als nur das Wort [10']

Schauen Sie das Video aus Übung 1 erneut an. Achten Sie dieses Mal auch verstärkt auf para- und nonverbale Signale. Welche Rückschlüsse auf der Beziehungsebene zwischen Clinton und Trump können Sie anstellen?

Video: https://www.youtube.com/watch?v=pJlnxbO5N2g&ab_channel=CBSNews

Die Beziehung zu seinem Gesprächspartner und die Anwendung von Höflichkeits- bzw. Unhöflichkeitstrategien sind sowohl im Sprachgebrauch als auch auf der nonverbalen bzw. paraverbalen Ebene erkennbar.

Während ihrer Komplimente nutzen beide Kontrahenten weiterhin durchgängig Pronomen der 3. Ps., um ein distanziertes Beziehungsverhältnis zu markieren. Diese Distanz wird auf der nonverbalen Ebene durch eine räumliche Distanz und Abgewandtheit beim Sprechen zusätzlich signalisiert.

 

Aufgabe 3: Macht und Gestik auf der Weltbühne [10']

Das folgende Video wird auch in Workshops zu Körpersprache («body language») eingesetzt.

Beschreiben Sie das Vorgefallene in 3 Sätzen.

Warum würde Bundesrätin Viola Amherd wohl anders reagieren als Yassir Arafat, damaliger Chef der Palestine Liberation Organization (PLO), wenn ihr an der Türe der Vortritt gelassen würde?

Video: https://www.youtube.com/watch?v=SxGIdkB1xvY

Wie in Übung 2 bereits illustriert lassen sich Beziehung und Macht nicht nur verbal, sondern auch nonverbal (Körpersprache) zum Ausdruck bringen. Die Deutung von Körpersprache verlangt fast immer Hintergrundwissen, denn nicht jede Geste bedeutet überall das Gleiche.

Für die Bühne der Weltpolitik und für die beiden Machthaber im Video gilt: Wer von jemandem durch die Tür geschoben wird, ist hierarchisch untergeordnet. Präsident Barak gestaltet hier außersprachlich die Beziehung zu seinem politischen Gegenüber. Der augenscheinliche Höflichkeitswettstreit wird durch Arafats spätere Aussagen kontextualisiert, in denen er seine Beziehung zu Barak in den Verhandlungen zugespitzt beschreibt, «Barak treated me like a slave.»

Da es andererseits in der Schweizer Kultur als höflich gilt, einer Frau den Vortritt zu lassen («ladies first»), würde sich Viola Amherd hier voraussichtlich nicht daran stören, wenn ihr der Vortritt angeboten würde. Es stellt sich aber auch die Frage, ob «ladies first» nicht bereits ebenso ein Zeichen von traditioneller Machtstruktur ist.

 

Aufgabe 4: Der Fall Bambi-Award [15']

Der folgende Filmausschnitt zeigt die Verleihung des Bambi-Awards, eines Preises für Menschen «mit Visionen und Kreativität» an den Rapper Bushido. Die Preisverleihung war damals umstritten, denn Bushidos Texte gelten zum Teil als sexistisch und gewaltverherrlichend.

Schauen Sie sich den Film für 5 Minuten ab Minute 17:15 an (besonderer Fokus auf Minuten 19.20 ff).

Video: https://www.youtube.com/watch?v=eZe7T18LgNI&ab_channel=Olaftology

Stellen Sie einen FTA (Face Threatening Act) fest?

Wenn ja:

Worin besteht er, wer übt ihn aus und wie reagiert der Angegriffene darauf?

Der Philosoph Richard Precht übt Bushido gegenüber einen Face Threatening Act aus: Er greift aber nicht Bushido als Person direkt an, oder mittelbar über die Qualität seiner Texte an (was zu erwarten wäre), sondern spricht dem Award seine Bedeutung ab, wodurch er Bushido bloßstellt.

Bushido im Gegenzug versucht sein Gesicht zu wahren und die Anerkennung seiner Person (und Leistungen) einzufordern, indem er den Mitpreisträger des Bambis, Altkanzler Helmut Schmidt, aufruft.

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Aufgabe 1: Wer, wie, was? [5']

Hans Jürgen Heringers Frame-Modell postuliert, dass jede kommunikative Handlung gerahmt werden kann. Dieser Rahmen oder Frame umfasst sechs Eckpunkte, die jeweils eine zentrale w-Frage behandeln. Ergänzen Sie die folgende Abbildung mit den übrigen Eckpunkten.

 

Aufgabe 2: Schlechte Nachrichten im Pausenraum [15']

Das folgende Video zeigt ein Gespräch im Pausenraum zwischen zwei Personen. Notieren Sie, bevor Sie es sich anschauen, drei Stichworte dazu, worüber die zwei Menschen im Pausenraum wahrscheinlich sprechen.

Schauen Sie sich dann das Video an (bis ca. Minute 3).

2a. Beschreiben Sie die Gesprächssituation im Anschluss mit Blick auf Heringers Frame-Modell.

2b. Notieren Sie nun für 4 Rahmenpunkte des Frame-Modells Tipps, die Sie an die Frau für ein solches Gespräch mitgeben würden, damit es konstruktiver verläuft.

2a:

  • Szenario (Ort): Pausenraum in einem Unternehmen
  • Szenario (Zeit): Zur Mittagspause (ohne festen Termin!)
  • Beteiligte: Aktive Gesprächspartner sind Simon und Marie, weitere Mitarbeiter sind im Pausenraum anwesend
  • Topik: Umstrukturierungsmaßnahmen im Unternehmen / Umgang mit den Maßnahmen
  • Intention: Marie möchte Simon auf mögliche Veränderungen, z.B. den Verlust seines Jobs, vorbereiten
  • Modus: Verbale Kommunikation: informelle sowie indirekte / implizite Mitteilung der zentralen Punkte des Topiks und der Gesprächsziele; Nonverbale Kommunikation: z.B. ausweichendes Blickverhalten Maries (Blickvermeidung), vorgelehnte Sitzposition, genervte / aggressive Mimik; Paraverbale Kommunikation: aggressiver Tonfall, erhöhtes Sprechtempo, akzentuierte Aussprache, steigende / hohe Laustärke
  • Medium: Gesprochene Sprache

2b:

  • Szenario (Ort): Die Umgebung wirkt sich auf ein Gespräch aus. Der Pausenraum eignet sich nicht für wichtige und heikle Gespräche.
  • Szenario (Zeit): Für wichtige Gespräche wird ein Termin vereinbart. Nicht jede Zeit eignet sich für jedes Thema.
  • Topik: Keine heiklen Themen ansprechen, ohne dass auf einfache Fragen geantwortet werden kann. Simon wird völlig verunsichert, da es auf keine seiner Fragen befriedigende und klare Antworten gibt.
  • Modus: Um die Konstruktivität eines heiklen Gespräches zu gewährleisten, sollte auf das para- und nonverbale Kommunikationsverhalten vermehrt geachtet werden. Die Blickvermeidung Maries oder ihre als genervt und aggressiv zu interpretierende Mimik heizen die Unsicherheit und damit den Diskurs an. Die Gesprächspartnerin wird in der Folge defensiv und spricht (wohl aus Hilflosigkeit) eine direkte Drohung aus. Damit ist das Gespräch endgültig entgleist.
  • Beteiligte: Das Thema des Gesprächs ist oft abhängig von den direkt oder indirekt beteiligten Personen. In einem öffentlichen Raum sollte ein privates Thema, wie im gezeigten Video, vermieden werden. Ferner hat die Frau durch ihre Wortwahl, aber auch durch die Szenarienwahl ihre Rolle als im Gespräch hierarchisch höher gestellte Person geschwächt.
  • Intention: Das Ziel, die Umstrukturierungsmaßnahmen sachlich mitzuteilen, verfehlt die Frau und ein neuer Konflikt tut sich auf, den sie nicht befriedigend lösen kann. Ziele sollten im Vorhinein klar definiert sowie kommuniziert werden, um ein konstruktives Gespräch zu sichern.

 

Aufgabe 3: 7-38-55 [10']

Eine in Coachings oft zitierte, kommunikationswissenschaftliche Studie Albert Mehrabians postuliert, dass die kommunikative Wirkung unserer Mitteilungen zu 7% über den Inhalt, zu 38% über den Ton bzw. die Stimme und zu 55% über die Mimik und Gestik gesteuert wird (kurz: 7-38-55-Regel).

Schauen Sie sich die nachfolgende Szene aus «Robin Hood: Men in Tights» an.

Kann die 7-38-55 Regel auf die Szene appliziert werden? Stimmen Sie der generellen Aussage zu den Anteilen an der Wirkung von Kommunikation zu?

Der König fordert seinen Diener auf, die schlechten Nachrichten positiv zu kleiden. Trotz der Einforderung dieser modalen Inkongruenz reagiert er schließlich bestürzt über die Neuigkeiten und ist gleichsam empört über die Art und Weise (den Modus), da das Lachen des Dieners einen Verstoß gegen die Normen und Erwartungen darstellt. Obwohl der Diener die schlechten Nachrichten para- und nonverbal äußerst positiv gekleidet überbringt, besitzt der Inhalt den größten Anteil an der kommunikativen Wirkung auf den König. Para- und nonverbale Elemente in der Kommunikation können einen Beitrag zur Wirkung leisten, bestimmen diesen aber nicht.

Mehrabians Studie wurde – dem Autor ebenfalls missfallend – über die Zeit auf das gesamte Spektrum menschlicher Kommunikation verallgemeinert. Eine so klare Aufteilung, wie die «Regel» und der um sie existierende Mythos besagt, lässt sich nicht (kommunikations-)wissenschaftlich vertreten.

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Leseauftrag [60']
Lesen Sie das Kapitel zum «Frame Kommunikation» im Band «Interkulturelle Kommunikation» von Hans Jürgen Heringer (Heringer, 2017, 23–27). Zeichnen Sie für sich das dort beschriebene Modell mit allen sechs Ecken auf. Illustrieren Sie das Modell mit einer Kommunikationssituation der vergangenen Woche, in einem Satz pro Ecke im Frame.
Selbsttest [10']
1. Welche Aussagen treffen zu?
  1. Verhalten ist gleichzusetzen mit Handeln.
  2. Intonation hat nicht mit Lautstärke zu tun.
  3. Medial schriftliche Kommunikation ist immer asynchron.
  4. Modale Inkongruenzen entstehen durch zwei widersprüchliche verbale Aussagen.
2. Welche Aussagen treffen zu?
  1. Beziehungsaspekt bedeutet, dass Kommunizierende über ihre Beziehung sprechen.
  2. Sprache und Beziehung bedingen sich gegenseitig.
  3. Bei gestern handelt es sich um einen deiktischen Ausdruck.
  4. Facework beinhaltet auch den höflichen Umgang mit Mitmenschen.

1.

  1. Trifft nicht zu
  2. Trifft zu
  3. Trifft zu
  4. Trifft nicht zu

2.

  1. Trifft nicht zu
  2. Trifft zu
  3. Trifft zu
  4. Trifft zu

 

 

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Aufgabe 1: Kommunikative Schnittstellen – Transformationsaufgaben auf drei Ebenen [30']

Kommunikative Schnittstellen sind anspruchsvolle Situationen für alle Beteiligte auf allen sprachlich relevanten Ebenen. In der medialen Inszenierung werden sie gezielt genutzt. Meghan, Herzogin von Sussex, und Harry, Herzog von Sussex – Interview auf CBS News
Am Sonntagabend, 7. März 2021, wurde am Fernsehen auf CBS News das Interview von Oprah Winfrey mit der Herzogin und dem Herzog von Sussex ausgestrahlt. Die Herzogin und der Herzog haben ein neues Unternehmen gegründet und bewirtschaften gegenwärtig ihre Marke. Eine Zusammenfassung finden Sie auf Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=_4kWaiDuTYU
Im gewählten Ausschnitt mit der Zeitangabe: 3:35 – 5:17 geht es um die potentielle Hautfarbe des ungeborenen «Baby Sussex» Archie Mountbatten-Windsor. Bitte schauen Sie den oben erwähnten Ausschnitt aus dem Interview an.

Wählen Sie fünf Schnittstellen in der Kommunikation. Was passiert bei diesen Schnittstellen, notieren Sie sprachliche Anpassungen, inhaltliche Änderungen, formale Adaptationen, stilistischen Wandel, Ko- und Kontext, Adressaten/Adressatinnen etc. Ordnen Sie die fünf gewählten Schnittstellen auf in drei Kategorien von kleinen sprachlichen Einheiten (Mikroebene) über eine mittlere Ebene (Mesoebene) bis zu großen Einheiten (Makroebene).

  • Schnitte im Film: andere Sequenz, anderes Sprechtempo
  • Pausen
  • Tonhöhenverläufe
  • Wiederholungen
  • Zitate
  • Paraverbale Handlungen (etwas, was mit der Sprache gemacht wird)
  • Körperhaltung, nonverbale Handlung (wie Haltung, Vor- und Zurücklehnen, Augen aufreißen, Wegschauen, etc.)
  • Stiländerung, Vorwurf, Geheimnis „ausplaudern“
  • Kotext: Interview in einem Garten
  • Kontext: Royals und Medien, Interview

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Aufgabe 1: Diskurspraktik, Diskurspragmatik: So nehmen Sie teil an dem, was um Sie geschieht [10']

Viele Situationen bewältigen wir sprachlich unter Rückgriff auf Muster und Praktiken,  die unter Umständen einen Dialog erleichtern können.

Meghan, Herzogin von Sussex, und Harry, Herzog von Sussex – Interview auf CBS News

Am Sonntagabend, 7. März 2021, wurde am Fernsehen auf CBS News das Interview von Oprah Winfrey mit der Herzogin und dem Herzog von Sussex ausgestrahlt. Die Herzogin und der Herzog haben ein neues Unternehmen gegründet und bewirtschaften gegenwärtig ihre Marke. Eine Zusammenfassung finden Sie auf Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=_4kWaiDuTYU

Im gewählten Ausschnitt mit der Zeitangabe: 3:35 – 5:17 geht es um die potentielle Hautfarbe des ungeborenen «Baby Sussex» Archie Mountbatten-Windsor. Bitte schauen Sie den oben erwähnten Ausschnitt aus dem Interview an.

Fallen Ihnen Muster und Praktiken auf, die beim Interview zum Tragen kommen? Konsultieren Sie für die Verankerung der Fachbegriffe «Muster» und «Praktiken» das Buch Angewandte Linguistik für Sprachberufe.

Notieren Sie zu der Praktik «Interview» zwei Muster aus dem gewählten Ausschnitt. Notieren Sie zu den beiden Mustern, wo bzw. in welchen Situationen sie Ihnen diese Muster noch begegnen.

Praktik: „Gespräch unter Freundinnen“, Interviewsituation, Kommunikation mit (Ex-)Royal: Die Herzogin und der Herzog von Sussex sind nicht die ersten, welche die royal family verlassen.

Muster: Erzählsequenzen, Frage-Antwort, Text-Bild-Schnitte, Pausen, on-off-Stimme etc.

Die Muster und Praktiken kommen ebenfalls in anderen Gesprächssituationen vor: Zum Beispiel im beruflichen Alltag, bei der Arbeit, in Pausengesprächen, wenn auch über nicht arbeitsrelevante Situationen gesprochen wird, in Bewerbungsgesprächen mit Interviewcharakter, bei Ex-Politiker*innen etc.

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Aufgabe 1: Muster und kulturspezifische Ausprägung: zurück zum Beispiel Höflichkeit [15']

Im Allgemeinen sind wir in kulturelle Gepflogenheiten eingebunden, in denen Muster und Praktiken spezifische, adaptierte Ausprägungen haben. Erinnern Sie sich bitte an eine Einladung mit einer gelungenen und einer misslungenen Begrüßungssequenz. Was lief schief, was ist gelungen? Bitte notieren Sie sich die Unterschiede und Gemeinsamkeiten: Wie können Sie es mit Mustern und kulturspezifischer Ausprägung erläutern?

Gelungen: Ablauf an der standardisierten Norm der jeweiligen Gruppen: Begrüssung des Gastes im privaten Kontext: Gastgeber grüsst Gast, Gäste werden vor verwandten Gästen gegrüsst, die Reinkommenden grüssen die schon anwesenden Gäste.
--> dazu gibt es viele Seiten im Internet, unter „Begrüssung“ und „Knigge“ zu finden.
Begrüssung im beruflichen Kontext, siehe beispielsweise: https://karrierebibel.de/begruessung/ oder https://www.business-wissen.de/artikel/begruessungsregeln-wie-begruesse-ich-mein-gegenueber-richtig/
- Überlegungen hinsichtlich Wandel der Stilnormen, „Frau“ nicht immer vor „Mann“, wie ist es mit Diversity, wie in privater Umgebung mit beruflichen Kolleg*innen.

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Aufgabe 1: Reibungsverlust, Effizienz und reflektierte Praxis: Diskurspraktiken in beruflichen Profilen [15']

Sprachliche Schnittstellen verursachen unter Umständen Reibungsverluste. Der Wechsel von Genre, Textsorte und sprachlicher Ausgestaltung können aber ebenso zur Ausprägung bestimmter kommunikativer Aufgaben genutzt werden.

https://www.youtube.com/watch?v=feI65rMSIgM

Fokussieren Sie auf Praktiken einerseits des Off-Sprechers, andererseits auf die mediale Inszenierung von Nawalny. Welche (sprachlichen) Unterschiede können Sie wahrnehmen? Wie sind die Unterschiede zu fassen?

Praktik: Kommentar, Übersetzung, Dramatisierung, Erzählung, Erläuterung des Hintergrundes, Recherche, Befragung von Experten/Expertinnen und Laien/Laiinnen als Referenz

Muster: Tonhöhenverlauf, Sprachgeschwindigkeit, zeitliches Absetzen bei Übersetzung, Text-Bild-Bezüge, Akteure/Akteurinnen, Inszenierungen, Bücherwände als Hintergrund, Häuser von oben für visualisierte Recherche («ich war vor Ort»), befragte Laien/Laiinnen und Experten/Expertinnen etc. mit «Frage»-«Antwort»-Muster

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Leseauftrag [60']
Lesen Sie Ingo Warnkes Überblick zu Text- und Diskurslinguistik, Kapitel 2.1, 2.2.3, 2.3, 2.4.2, und 2.4.3 (Warnke, 2019). Notieren Sie sich je zwei Beispiele aus Ihrem – möglichst beruflichen – Alltag zu folgenden Punkten: Welche sprachlichen Besonderheiten sind auf Textebene relevant, welche auf der Akteursebene (Akteure/Akteurinnen, Rollen …) und welche auf Ebene der Diskursorganisation? Verbinden Sie diese Beispiele mit Muster und Praktiken, die Ihnen schon begegnet sind. Hat es dabei Situationen gegeben, in denen Ihnen auch Murphy’s Law begegnet ist?
Selbsttest [10']
1. Schnittstellen in der Kommunikation …
a ... können sprachliche Fehler fördern.
b ... fallen sofort auf.
c ... entstehen, wenn ein mündlicher Text schriftlich festgehalten wird.
d ... zeigen auf, wo sich kommunikative Systeme verbinden.
2. Kommunikative Praktiken sind Grundformen der Verständigung, die ...
a ... etwa berufsalltägliche Tätigkeiten, wie Protokoll schreiben, vereinfachen können.
b ... der effizienten Organisation von Gesellschaften, Organisationen und Gruppen dienen.
c ... im Gegensatz zu Mustern aus einer einzelnen, isolierbaren Einheit bestehen.
d ... aufgrund ihrer Vorgeformtheit in Redewendungen sprachlich festgehalten sind.

1.

  1. Trifft zu
  2. Trifft nicht zu
  3. Trifft zu
  4. Trifft zu

2.

  1. Trifft zu
  2. Trifft zu
  3. Trifft nicht zu
  4. Trifft nicht zu

Sprache und Maschine

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Aufgabe 1: Wie kommt ein Wort in den Duden?

Erfahren Sie, wie der Dudenverlag bei der Formulierung von Sprachnormen vorgeht – präskriptiv und deskriptiv – und wie er seine Rolle in Bezug auf die Zielnorm der deutschen Sprache sieht:

https://www.youtube.com/watch?v=J5VZQBCrg3o

Sehen Sie sich das Video an. In welcher Rolle sieht sich der Dudenverlag in Bezug auf die Standardsprache: Von welchem Normverständnis – einem präskriptiven oder deskriptiven – geht der Dudenverlag aus? Was bedeutet das für die Nutzung des Dudens in Sprachberufen?

Für die Aufnahme neuer Wörter und grammatischer Strukturen greift der Dudenverlag deskriptiv auf ein Korpus zurück.
Aus dem im Korpus beobachteten Sprachgebrauch leitet die Redaktion eine Zielnorm ab und schreibt vor (präskriptiv), was «richtiger» Sprachgebrauch ist.
Sprachprofis können sich im Beruf auf den Duden stützen, wenn sie die Zielnorm einhalten wollen. Sie finden darin aber nicht alle Varianten, die im Sprachgebrauch auffindbar sind.

 

Aufgabe 2: Der Rat für deutsche Rechtschreibung

Lernen Sie die Aufgaben des Rats für deutsche Rechtschreibung bei der Formulierung von Zielnormen und Kodifizierung der deutschen Standardsprache kennen:

https://www.rechtschreibrat.com

Sehen Sie sich die Webseite an. Wie setzt sich der Rat für deutsche Rechtschreibung zusammen und was sind seine Aufgaben?

Der Rat für deutsche Rechtschreibung
  • gibt ein amtliches Regelwerk für die deutsche Rechtschreibung heraus,
  • beschließt kleinere Änderungen und veröffentlicht diese in einem Wörterverzeichnis,
  • empfiehlt amtlichen Stellen größere Änderungen (wie z.B. Regelanpassungen).

 

Aufgabe 3: Wie gut kennen Sie die Sprache der «Neuen Zürcher Zeitung»?

Lernen Sie im Quiz, wie die Neue Zürcher Zeitung mit Varianten der Zielnorm umgeht:

https://www.nzz.ch/feuilleton/nzz-quiz-die-besonderen-schreibweisen-der-neuen-zuercher-zeitung-ld.117909

Zeitungen brauchen für eine einheitliche Sprache Regeln. Die «Neue Zürcher Zeitung» hat sich einen sprachlich-technischen Leitfaden gegeben, in dem geregelt ist, wie Begriffe, Namen oder Städte von der Redaktion geschrieben werden.

Folgen Sie dem Link und erfahren Sie mehr über die sprachlichen Eigenheiten der Neuen Zürcher Zeitung.

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Aufgabe 1: Die Zwiebelfisch-Kolumne

Lernen Sie in den Zwiebelfisch-Kolumnen, wie Zielnormen und Sprachgebrauchsnormen ineinandergreifen:

https://bastiansick.de/category/kolumnen/zwiebelfisch/

Lesen Sie einige Zwiebelfisch-Kolumnen von Bastian Sick.

In den Zwiebelfisch-Kolumnen kommentiert Bastian Sick deskriptiv aktuellen Sprachgebrauch. Konkurrierende Varianten erklärt er linguistisch und historisch und gibt zum Teil Empfehlungen ab, welche Variante bevorzugt zu verwenden ist (präskriptiv), ohne jedoch absolut eine Zielnorm zu formulieren.

 

Aufgabe 2: Against the Rules with Michael Lewis: The Alex Kogan Experience

Erfahren Sie in «The Alex Kogan Experience», welchen Stellenwert die deskriptive Sprachbetrachtung bei der Entstehung von Regelwerken haben kann und warum die Verletzung von Zielnormen, die eigentlich präskriptiv, d.h. vorschreibend sind, manchmal die «bessere» Lösung ist.

https://www.pushkin.fm/podcasts/against-the-rules/the-alex-kogan-experience

Hören Sie sich im Podcast die Minute 10:00 bis 21:20 an. Darin berichtet Michael Lewis über einen Besuch beim Verfasser von «Garner's Modern English Usage», einem Referenzwerk für Englischen Sprachgebrauch.
  1. Warum ist Garners Klassifikation neuer Wortverwendungen deskriptiv?
  2. Wie bewerten Sie im Spannungsfeld von Präskription und Deskription, dass Garners Hausbank dabei geblieben ist, nach der Anrede statt eines Kommas einen Strichpunkt zu setzen?

  1. Garner klassifiziert Veränderungen im Sprachgebrauch auf der Basis von Daten und teilt sie in Klassen von «A new form emerges as an innovation among a small minority of the language community.» bis «The form is universally accepted.» ein. Er beschreibt sie damit wertneutral (deskriptiv) nach ihrer Verwendungshäufigkeit.
  2. Nach der Anrede einen Strichpunkt zu setzen – «Dear customer; …» –, ist im Englischen gemäß der Zielnorm, d.h. präskriptiv betrachtet, falsch. Korrekterweise müsste ein Komma gesetzt werden. Das hat Garner, der selbst Referenzwerke für den Sprachgebrauch schreibt, versucht den Mitarbeitenden der Bank klarzumachen.

Da viele der Angestellten den Strichpunkt präferierten, das hatte eine deskriptive Erfassung des gängigen Sprachgebrauchs ergeben, blieb die Bank bei ihrer «falschen» Interpunktion, d.h. sie orientierte sich an der Sprachgebrauchsnorm der Angestellten.

 

Aufgabe 3: Sprachpantscher des Jahres

Erleben Sie auf der Webseite des Vereins Deutsche Sprache, wie sprachpflegerische Organisationen argumentieren:

https://vds-ev.de/pressemitteilungen/tagesschau-und-heute-nachrichten-sind-die-sprachpanscher-2020/

Lesen Sie die aktuelle Pressemitteilung zur Wahl der Sprachpanscher des Jahres. Welche Themen sind für den sprachpflegerischen Verein Deutsche Sprache bei der Wahl ausschlaggebend? Auf welche Argumente stützt er sich?

Themen:
  • Anglizismen
  • Gendergerechte Sprache (Gender*)
Argumente:
  • Mehrheitsentscheid der Mitglieder
  • deutschsprachiger Wortschatz
  • Einhaltung schriftsprachlicher Zielnorm (auch im mündlichen Sprachgebrauch)
  • Autoritativ: eigene Wahrnehmung der Wirklichkeit ist die einzig richtige.

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Aufgabe 1: Tagesschau von Schweizer Radio und Fernsehen

Lernen Sie am Beispiel der Tagesschau des SRF, wie die Kommunikationsbedingungen den Sprachgebrauch und damit das Wechselspiel von Zielnormen und Sprachgebrauchsnormen prägen:

https://www.srf.ch/play/tv/sendung/tagesschau?id=ff969c14-c5a7-44ab-ab72-14d4c9e427a9

Schauen Sie sich eine Sendung der Tagesschau des Schweizer Radio und Fernsehens an. Welche Kommunikationsbedingungen und Versprachlichungsstrategien beobachten Sie? An welchen Normen orientieren sich die Sprecher*innen?

Kommunikationsbedingungen:

  • hohe Öffentlichkeit
  • geringe Emotionalität
  • geringe Spontaneität

Versprachlichungsstrategien:

  • Schweizer Standardvarietät (schriftsprachliche Zielnorm)
  • minimale Anpassungen an die Sprachgebrauchsnorm der Mündlichkeit z.B. in der Aussprache oder in der Syntax
  • weitgehend monologisch
  • mit Korrespondenten: dialogische Elemente

 

Aufgabe 2: Einfach komplizierte Kommunikation via WhatsApp & Co

Reflektieren Sie anhand des Blogbeitrags, wie die Online-Kommunikation in Messenger-Diensten Ihren Sprachgebrauch beeinflusst:

https://webcare.plus/whatsapp/

Lesen Sie den Blogbeitrag. Welchen Einfluss haben Messenger wie «WhatsApp» oder «Signal» auf Ihren Sprachgebrauch? Reflektieren Sie auf der Grundlage des Beitrags Ihren persönlichen Sprachgebrauch über Messenger-Dienste und die Auswirkungen auf die professionelle Kommunikation in Sprachberufen.

Prüfen Sie verschiedene Messenger-Chats (mit verschiedenen Adressat*innen) auf die Verwendung folgender kommunikativer Elemente:

  • Emojis
  • Bilder, Gifs, Videos (Multimodalität)
  • sprechsprachliche Syntax
  • umgangssprachliche Lexik
  • individualisierte Schreibungen zur Kompensation paraverbaler Hinweise (Bsp. soory)
  • Standardvarietät oder Dialektgebrauch
  • Abkürzungen
  • Code-Switching und fremdsprachliche Elemente
  • Verlinkungen
  • Zitate
  • usw.

Beim Einsatz von Messenger-Diensten in der beruflichen Kommunikation können die Elemente aus der privaten Messenger-Kommunikation auch verwendet werden. Jedoch müssen die Elemente – bzgl. Emotionalität, Sachlichkeit, Verständlichkeit u.ä. – genau auf die Adressat*innen und auf die zu vermittelnde Botschaft abgestimmt sein.

 

Aufgabe 3: Sprachliche Normen in einer Kultur der Digitalität

Erfahren Sie im folgenden Beitrag, wie sehr die Möglichkeiten der Online-Kommunikation den Sprachgebrauch prägen:

https://schulesocialmedia.com/2020/07/14/sprachliche-normen-in-einer-kultur-der-digitalitaet-eine-auslegeordnung/

Lesen Sie den Blogbeitrag von Philippe Wampfler. Prüfen Sie, wie Sie mit den beschriebenen Aspekten (Automatismen, Algorithmen, neue Möglichkeiten usw.) in Ihrem Sprachgebrauch umgehen und ob diese Ihren Sprachgebrauch und die professionelle Kommunikation beeinflussen.

Folgende Fragen können bei der Überprüfung hilfreich sein:

  • Wie gehen Sie vor, wenn Sie bei deren Rechtschreibung unsicher sind? (Nachschlagen im Duden, in Google-Suchzeile, ich verwende ein anderes Wort …)
    «Digitale Plattformen errechnen Normen aus der Sprachverwendung unzähliger Menschen (und Maschinen). Autoritäten wie Garner (oder Duden oder Nerius) verlieren ihren Einfluss, intransparente Berechnungsverfahren gewinnen an Einfluss.»
  • Verwenden Sie Emojis? Unterscheiden Sie dabei, wen Sie adressieren? Welche Funktion haben Emojis für Sie?
  • Wie nutzen Sie Sprachassistenzsysteme wie Autokorrektur, Wortvorschläge beim Schreiben u.ä.?

In der professionellen Kommunikation:

  • Sprachprofis müssen auch für Maschinen schreiben (in Wortwahl, Orthographie, Komplexität usw.); Gründe: Maschinelle Übersetzung, Suchmaschinenoptimierung (SEO)
  • Sprachprofis sollten die Sprachgebrauchsnormen der Zielgruppe / der adressierten Community berücksichtigen.
  • Sprachprofis können neben Referenzwerken wie dem Duden das Web als Datenspeicher für aktuellen Sprachgebrauch nutzen.
  • Sprachprofis müssen in der eigenen Normenanwendung flexibel und gegenüber Verletzungen der Zielnorm tolerant sein.

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Aufgabe 1: Jugendsprache unter Peers

Erleben Sie die Besonderheiten einer jugendsprachlichen Nonstandardvarietät:

Hören Sie sich die Audioaufnahme eines Gesprächs unter Schweizer Jugendlichen an*. Das Transkript mit einer interlinearen Übersetzung ins Standarddeutsche hilft Ihnen dabei. Welche Besonderheiten im Sprachgebrauch und in der Kommunikation beobachten Sie? Welche Zielnormen werden in dieser Nonstandardvarietät verletzt?

Transkript zur Aufnahme eines Beispiels Deutschschweizer Jugendsprache mit interlinearer Übersetzung Schweizerdeutsch–Standarddeutsch: http://backup-inguistik.krauthammersolutions.ch/wp-content/uploads/2021/07/BspDeutschschweizerJugendsprache.pdf

Besonderheiten im Sprachgebrauch

Jugendsprachliche Elemente:

  • Diskurspartikeln, diskursive Muster: ey Mann
  • albanische Schimpfwörter
  • syntaktische Reduktionen wie Auslassung von Artikeln und Präpositionen
  • Orientierung an Ethnolekt (syntaktisch, phonetisch)
  • thematische Orientierung an Wertesystem
  • Bricolage: Kombination versch. Versatzstücke

Aber auch:

  • Mischung aus Dialekt und Ethnolekt

Kommunikative Funktion:

  • Unterhaltung
  • gemeinsam Spaß haben durch sprachlichen Wettstreit

 

Aufgabe 2: TV((4))TNG: TV4TNG Re-Launch

Erleben Sie den medial geprägten Sprachgebrauch von Jugendlichen – im Vergleich zur jugendsprachlichen Nonstandardvarietät:

https://www.youtube.com/watch?v=9Y2kTaa__P0

Schauen Sie sich den Beitrag des Jugendfernsehens und Radios TV((4))TNG an. Wie machen Jugendliche in der Schweiz Medien? Vergleichen Sie den Sprachgebrauch in diesem medialen Kontext mit der informellen Kommunikation aus dem vorherigen Beispiel. Welche Sprachgebrauchsnormen gelten hier?
Hinweis:  TV((4))TNG sendet ausschließlich in Dialekt.

  • Dialekt
  • Orientierung an Schweizerdeutscher Sprachgebrauchsnorm
  • «du»-Adressierung
  • einzelne jugendsprachliche bzw. umgangssprachliche Verstärkungen: mega, völlig, uä.

*Mit freundlicher Genehmigung von Fabienne Tissot, Stephan Schmid und Esther Galliker, welche das Gespräch im Rahmen des SNF-Projekts Jugendsprache in der Deutschschweiz (2006-2008) an der ZHAW erhoben und transkribiert haben. Das Transkript mit ausführlicher Diskussion findet sich in: Tissot, Fabienne; Schmid, Stephan & Galliker, Esther (2011). Ethnolektales Schweizerdeutsch: soziophonetische und morphosyntaktische Merkmale sowie ihre dynamische Verwendung in ethnolektalen Sprechweisen. In Glaser, Elvira; Schmidt, Jürgen Erich; Frey, Natascha (Hrsg.), Dynamik des Dialekts – Wandel und Variation. Akten des 3. Kongresses der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen (IGDD) (Vol.144, 319344). Stuttgart: Steiner. [zit. 3.9.2021]

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Leseauftrag [40']
Lesen Sie im Buch «Internetlinguistik» von Konstanze Marx und Georg Weidacher die Seiten 183–197 (Marx & Weidacher, 2014). Überlegen Sie sich je ein Beispiel dafür, wie Hypertextualität, Multimodalität, Fluidity und Dialogizität die Arbeit von Sprach- und Kommunikationsprofis wie Medienschaffende, Fachleute der Organisationskommunikation, Übersetzer*innen, Dolmetscher*innen, Sprachlehrer*innen oder Technischen Redaktionsmitgliedern beeinflusst. Was verändert sich gegenüber der Offline-Kommunikation?
Selbsttest [10']
1. Welche der Aussagen zu Normierung, Kodifizierung und Standardsprache treffen zu?
a Die deutsche Standardsprache ist natürlich gewachsen.
b Kodifizierung meint, dass die Grammatik einer Sprache schriftlich festgehalten ist.
c Im Deutschen haben sich Sprachnormen verändert, wenn sie im Duden stehen.
d Sprachwissenschaftler*innen formulieren deskriptive Sprachgebrauchsnormen.
2. Welche der Aussagen zu Nonstandardvarietäten und Online-Kommunikation treffen zu?
a Nonstandardvarietäten sind Varietäten, die keinen Sprachnormen folgen.
b Die Auslassung der lokalen Präposition in «Gömmer Winterthur!» ist ein syntaktisches Merkmal einer  Nonstandardvarietät.
c Multimodalität bedeutet, dass nebeneinander (Bewegt-)Bild und Text verwendet werden.
d Emojis in der WhatsApp-Kommunikation sind ein Zeichen von Mündlichkeit.

1.

  1. trifft nicht zu
  2. trifft zu
  3. trifft nicht zu
  4. trifft zu

 

2.

  1. trifft nicht zu
  2. trifft zu
  3. trifft zu
  4. trifft nicht zu

 

Diskussion | Präskription und Deskription im Duden [20']

Schauen Sie, wie ein Wort in den Duden kommt, und lesen Sie im Duden online die Wörterbucheinträge zu chillen, zügeln, zappen, wegwischen, Traktandenliste und Tagesordnung. Beschreiben Sie die Haltung, die der Dudenverlag darin in Bezug auf Deskription, Präskription und Varietäten vertritt.

  • chillen: jugendsprachlich
  • zügeln: schweizerisch (2. Eintrag)
  • zappen: umgangssprachlich
  • wegwitschen: landschaftlich umgangssprachlich; vermutlich bundesdeutsche Landschaft
  • Traktandenliste: schweizerisch
  • Tagesordnung: ohne Markierung

Der Duden geht von einer «bundesdeutschen» Zielnorm aus, die als «gültige» deutsche Standardsprache gesetzt wird. Wörter wie Tagesordnung sind deshalb unmarkiert (=Normalform, implizit präskriptiv), obwohl sie in der Schweiz nicht verwendet und auch nicht unbedingt verstanden werden.

Varietäten (umgangssprachlich, schweizerisch, jugendsprachlich usw.) werden als Abweichung von der – höher gewichteten – Zielnorm markiert.

Neue Wörter auch aus Nonstandardvarietäten werden aufgenommen (Bsp. chillen): deskriptiv, Ausdruck von Sprachwandel. Dies stellt einen gewissen Widerspruch dar, da diese eigentlich dadurch charakterisiert sind, dass sie nicht kodifiziert sind. Durch die Aufnahme verlieren diese Wörter ihre gruppenkonstituierende Funktion.

 

Diskussion | Merkmale digitaler Online-Kommunikation [20']
Online-Kommunikation ist prototypisch geprägt durch Dialogizität, Hypertextualität, Multimodalität und Fluidity (Marx & Weidacher, 2014, 183–197). Suchen Sie auf der Webseite einer Gratiszeitung wie 20 Minuten https://www.20min.ch/ Beispiele für diese Charakteristika.

  • Dialogizität: Likes und Kommentare bei den Artikeln, Community-Bilder
  • Hypertextualität: Verlinkung anderer Artikel, Werbung usw.
  • Multimodalität: Text, Bilder, Videos
  • Fluidity: News-Ticker, Seite verändert sich täglich/laufend, Datumsangaben

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Übungen zu den Begriffen Sprachtechnologien und Digital Literacy

Aufgabe 1: Das PONS-Experiment (PONS Wörterbuch vs. PONS-Textübersetzung) [10']

Erleben Sie im PONS-Experiment, wie sich die digitalen Hilfsmittel unterscheiden und ergänzen. Gehen Sie auf https://de.pons.com/

Dort werden u. a. zwei Funktionen angeboten: Online-Wörterbuch und Textübersetzung.

Geben Sie folgende Wörter und Ausdrücke sowohl im Wörterbuch als auch in der Textübersetzung ein. Die Zielsprache kann Englisch oder eine andere Sprache sein, aber dieselbe für beide Funktionen.

  • hoch
  • Mensch ärgere dich nicht
  • Pariser
  • Dunstabzugshaube
  • Velo
  • Welche Informationen erhalten Sie mit welcher Funktion?
  • Welche Unterschiede sehen Sie?

Auf der Grundlage dieser Unterschiede und Informationen überlegen Sie nun, wann die Wörterbuch-Funktion nützlicher ist und wann die Textübersetzung am sinnvollsten ist.

Für das Adjektiv "hoch" bietet die Wörterbuchfunktion Äquivalente in Englisch, kategorisiert nach Fachgebiet. Informationen zur Verwendung und Bedeutung ("zeitlich fortgeschritten, Bezeichnung der Potenz) sind zu finden, sowie morphologische Angaben. Für alle Äquivalente auf Englisch kann man beim Klicken auf den kleinen Lautsprecher hören, wie sie ausgesprochen werden. Schließlich werden Beispiele zur Verwendung im Kontext aus dem PONS Wörterbuch (von der Redaktion validiert) und aus dem Internet (nicht überprüft) angegeben. Bei der Textübersetzungsfunktion wird das Adjektiv "hoch" bei der automatischen Spracherkennung als Schwedisch eingestuft (Stand: April 2022). Es wird als "High" übersetzt, ohne weitere Angabe. Es ist möglich, das Wort hineinzudiktieren und auch die Aussprache des Wortes zu hören, indem man die kleinen Icons unten anklickt.

 

Aufgabe 2: Wörter im Kontext [5']

Mit dem Beispiel „Wörter im Kontext“ sehen Sie, wie wichtig Kontextinformationen beim Nachschlagen einzelner Wörter sind. Gehen Sie auf www.linguee.de oder https://context.reverso.net/%C3%BCbersetzung/deutsch-englisch/ und geben Sie «Bank» als Suchwort ein. Inwieweit helfen Ihnen die angezeigten Beispiele?

Bei Reverso Context werden Beispiele angezeigt, wo Bank mit bank oder mit bench übersetzt wird. Im Satzkontext ist dann ersichtlich, wann welches Wort verwendet wird.

Aufgabe 3: Funktionsweise von CAT-Tools (mit Video) [10']

Erhalten Sie Einblicke in die Arbeit von professionellen Übersetzenden und ihre Sprachtechnologien. Schauen Sie sich das kurze Video an, das die Funktionsweise von CAT-Tools illustriert. Erläutern Sie anhand des Videos, wie CAT-Tools Übersetzende bei ihrer Arbeit unterstützen und warum sie zu grösserer Effizienz in der Übersetzungstätigkeit und zu einer besseren Einheitlichkeit der übersetzten Texte beitragen?

CAT-Tools können bereits übersetzte Texte speichern. Wenn ähnliche Texte wieder übersetzt werden sollen, können CAT-Tools Übersetzenden aus diesem Textspeicher Lösungen vorschlagen. Dadurch können Übersetzende schneller arbeiten und es werden ähnliche Wörter und Sätze auch ähnlich übersetzt.

Aufgabe 4: Fall DeepL in der schweizerischen Bundeskanzlei [5']

Lesen Sie im Fall „DeepL in der schweizerischen Bundeskanzlei“, wie Mythen um das Thema KI entstehen.

https://www.bk.admin.ch/bk/de/home/dokumentation/stellungnahmen-der-bundeskanzlei/stellungnahme-der-bundeskanzlei-zum-artikel--roboter-uebersetzt-.html

https://www.tagesanzeiger.ch/roboter-uebersetzt-bundesreglemente-200422630126

Lesen Sie die Schlagzeile (und den Artikel als PDF) der Sonntagszeitung. Welche Gedanken und Gefühle erweckt sie?

Lesen Sie die Stellungnahme der Bundeskanzlei dazu. Welchen Schluss ziehen Sie daraus zum Umgang mit KI in der Öffentlichkeit und im professionellen Kontext?

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Übungen zu den Begriffen Sprachkompetenzen und interkulturelle Kompetenzen
Aufgabe 1: Fawlty Towers [10']
Erleben Sie, wie mehrsprachige Kommunikation ohne entsprechende Kompetenzen scheitern kann. Schauen Sie den Auszug aus der britischen Comedy-Serie Fawlty Towers: https://www.youtube.com/watch?v=H-oH-TELcLE
Inwieweit ist Mehrsprachigkeit eine Chance oder ein Problem?

  1. Mehrsprachigkeit ist hier eine Chance, um Arbeitskräfte zu finden; Finanziell gesehen sieht der Arbeitgeber (Basil Fawlty, gespielt von John Cleese) dies als Chance, Kosten zu sparen, indem er einen Spanier eingestellt hat.
  2. Mehrsprachigkeit ist ein Problem, wenn die jeweiligen Sprachkompetenzen der Arbeitspartner nicht ausreichen, um effizient zu kommunizieren. Finanziell gesehen könnten hier erhöhte Kosten entstehen, wenn die Anweisungen zur Portionierung der Butter nicht verstanden werden.

Aufgabe 2: Sprachen in der Schweiz  [10']
Mit der Aufgabe „Sprachen in der Schweiz“ erhalten Sie detaillierte Einblicke in die Sprachkenntnisse der Schweizer Bevölkerung. Beobachten Sie folgende Tabelle. Wie hoch ist der jeweilige Anteil der Sprachbevölkerung, der neben seiner Hauptsprache Englisch spricht? Und eine weitere Nationalsprache?

Die meisten über 15-Jährigen sind am häufigsten in Kontakt mit der eigenen Muttersprache oder Haussprache. Am zweithäufigsten verwenden sie Englisch, wobei Englisch nur höchstens knapp unter 50% ausmacht. Das bedeutet, dass die Hälfte der Bevölkerung auch nicht Englisch regelmäßig verwendet. Die anderen Sprachen sind bei 20% oder 10%. So sehen wir, dass die Mehrsprachigkeit der Schweiz nicht unbedingt für die Individuen gilt.

Aufgabe 3: Fall «Can’t Read Won’t Buy» [15']
Im Fall „Can’t Read Won‘t Buy” erfahren Sie, wie sich die Sprachwahl auf unser Kaufverhalten auswirkt. Schauen Sie sich folgende Zahlen an.

Quelle: https://csa-research.com/Featured-Content/Global-Growth/CRWB-Series/CRWB-B2C#10Facts

Welche Bedeutung haben die fünf Zahlen aus der Abbildung («Can't Read Won't Buy in Figures») für die Kommunikationsberufe?

65% "Prefer content in their language – even if it's in poor quality": Mehrsprachige Kommunikation kann nur bedingt erfolgen, wenn lediglich auf Englisch als lingua franca gesetzt wird.

67% "Tolerate mixed languages on a website": Mehrsprachigkeit gehört mittlerweile zur Gestaltung digitaler Inhalte.

73% "Want product reviews in their language": Hier sehen wir die Dimension der Lokalisierung. Wir identifizieren uns mit anderen Nutzer*innen im Netz durch eine gemeinsame Sprache.

66% "Use online machine translation": Es bedeutet, dass wenn ich etwas ins Internet stelle (Website, Post, usw.), eine große Wahrscheinlichkeit besteht, dass es irgendwann maschinell übersetzt wird (und vielleicht nicht korrekt).

40% "Will not buy in other languages": Zwar sind es weniger als die Hälfte der Respondenten, jedoch sehen wir, dass die Sprache, in der ein Produkt geworben wird, mitentscheidet.

 

Aufgabe 4: Röstigraben wieder aufgeklafft [5']
Im Fall «Röstigraben wieder aufgeklafft» sehen Sie, warum rezeptive Mehrsprachigkeit für guten Journalismus in der Schweiz entscheidend ist. Lesen Sie den Titel und den Lead des Artikels der Aargauer Zeitung: https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/rostigraben-wieder-aufgeklafft-warum-mehr-romands-mehr-ahv-wollen-ld.1583493
Notieren Sie sich kurz, warum dies die Relevanz rezeptiver Mehrsprachigkeit für Journalismus ist. Überlegen Sie sich eine weitere Situation, wo sie wichtig wäre.

Ohne rezeptive Mehrsprachigkeit können Deutschschweizer Journalisten immer nur die deutschsprachige Perspektive berichten und gesamtschweizerische Phänomene nicht abdeckend untersuchen.

Aufgabe 5: Fall «Duzen oder Siezen in der Schweiz» [5']

Im Fall «Duzen oder Siezen in der Schweiz» erfahren Sie, wie sich kulturelle Unterschiede selbst innerhalb eines Landes in der Sprache widerspiegeln. Mehrsprachigkeit in der beruflichen Kommunikation setzt Kulturwissen voraus. Lesen Sie den Text auf der Webseite oder hören Sie den Anfang des Radiobeitrags auf Französisch, um Einblicke in die Frage von Duzen und Siezen in den verschiedenen Sprachregionen zu bekommen: Radiobeitrag auf Französisch oder Webseite auf Deutsch

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Übungen zu den Begriffen Aliniierung, Kontext und GIGO

Aufgabe 1: Die Logik hinter maschineller Übersetzung [5']

Mit der Aufgabe «Die Logik hinter maschineller Übersetzung» sehen Sie, wie genau die Maschine Wörter in verschiedenen Sprachen aligniert. Auf der Seite des Online-Wörterbuchs Linguee sehen Sie, wie Textauszüge aliniert dargestellt werden. Diese bilden u.a. die Basis für die maschinelle Übersetzung von DeepL.

Geben Sie das Wort "Handreichung" in das Suchfeld ein und beobachten Sie die gelben Markierungen in den englischen Sätzen. Stimmen Sie immer mit der Übersetzung des Wortes überein?

Im April 2022 waren die Ergebnisse wie folgt:

Im ersten Eintrag ist "guidance" gelb markiert – aber auch "recommendations" ist leicht gelb hinterlegt. Dennoch entspricht nur "guidance" "Handreichung" in diesem Satz.

Im dritten Satzbeispiel besteht auch keine klare Übereinstimmung. In den anderen Sätzen stimmt die Markierung überein.

Aufgabe 2: Maschinen übersetzen "im Kontext" [5']
Mit der Aufgabe «Maschinen übersetzen im Kontext» erleben Sie, was konkret im Falle von KI mit «Kontext» gemeint ist. Gehen Sie auf Google Translate und übersetzen Sie folgende Sätze ins Englische oder in eine andere Sprache, die Sie beherrschen.
a) Der Schlüssel ist im Schloss geblieben.
     Der Ritter ist im Schloss geblieben.
b) Hier ist ein Schloss. Der König wohnt hier.
     Hier ist ein Schloss: Der König wohnt hier.
Was beobachten Sie? Wie erklären Sie die Änderungen?

Im Satz haben u.a. die Wörter „Schlüssel“ und „Ritter“ einen Einfluss auf die Übersetzung von „Schloss“. Es wird kontextualisiert übersetzt.

Der erste Satz endet mit „Schloss“. Es gibt dann keine Anhaltspunkte, um kontextualisiert zu übersetzen.  Im zweiten Satz hingegen hilft „König“, ein besseres Ergebnis zu erzielen.

 

Aufgabe 3: GIGO [10']

Mit dem Fall «GIGO» sehen Sie, welchen Einfluss die menschlich produzierten Texte auf die maschinelle Übersetzung haben. Schauen Sie sich das kurze Video auf Youtube an und überlegen Sie, was "fawlty data" für maschinelle Übersetzungsprogramme sein könnte.

https://www.youtube.com/watch?v=1NQWJjgi-_k&t=116s

Es könnten schlechte menschliche Übersetzungen in die Trainingsdaten aufgenommen sein, oder auch ältere, schlechte maschinelle Übersetzungen.

 

Aufgabe 4: Google Translate und meine Inhalte… [5']

Mit der Aufgabe «Google Translate und meine Inhalte…» erfahren Sie, wie Daten bestehend aus Texten zu Handelswaren werden. Lesen Sie den Abschnitt Nutzungsbedingungen –> Lizenz –> Rechteeinräumung und Zwecke

aus den Google-Nutzungsbedingungen: https://policies.google.com/terms?hl=de#toc-permission

Was darf Google alles mit unseren Daten machen?

Google darf so ziemlich alles mit den Daten machen.

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Übungen zu den Begriffen Maschinelle Übersetzung und Machine Translation Literacy

Aufgabe 1: Fall «Facial Recognition Technologies» [5']

Im Fall «Facial Recognition Technologies» sehen Sie, wie Maschinen Stereotypen und Biases unserer Gesellschaft aufnehmen und verschärfen. Sehen Sie sich diesen Video-Beitrag an (vor allem das Kurzvideo ab 00:48) und überlegen Sie, wie sich dieses Problem auf maschinelle Übersetzung übertragen lässt.
https://www.youtube.com/watch?v=UG_X_7g63rY 

Wenn zu viele Texte mit bestimmten Merkmalen in den Trainingsdaten vorhanden sind, werden diese Merkmale überproportional vertreten. Zum Beispiel wird das US-amerikanische Wort "subway" vielleicht öfters vorgeschlagen als das britische "underground", oder das deutsche Wort "grillen" (DE) wird verwendet, anstatt "grillieren" (CH), so wie es eigentlich in der Schweiz heißen müsste.

Aufgabe 2: Gender bias [10']
Mit der Aufgabe «Gender Bias» sehen Sie, wie maschinelle Übersetzung mit den traditionellen Geschlechtervorstellungen umgeht. Gehen Sie auf www.deepl.com und geben Sie folgende Ausdrücke ein (immer nur ein Ausdruck auf einmal):
  1. A surgeon
  2. A gifted surgeon
  3. A beautiful surgeon
Inwieweit zeigt sich hier der Gender Bias?

Im April 2022 waren die Ergebnisse:

  1. Ein Chirurg
  2. Ein talentierter Chirurg
  3. Eine schöne Chirurgin

Der Gender Bias zeigt sich, indem bei unklarer Geschlechtszuordnung in a) das Maskulin gewählt wird, und in b) und c) das Adjektiv jeweils zu einer stereotypisierten Zuordnung führt.

 

Aufgabe 3: False fluency [10']

Mit der Aufgabe «False Fluency» erleben Sie, wie maschinell übersetzte Texte unberechenbare Fehler enthalten können. Sehen Sie sich folgendes Bild an. Es handelt sich um eine Hilfsseite der Firma Microsoft, zum Tool Microsoft Teams. Finden Sie den Übersetzungsfehler?

Es sollte statt "Völker" "Personen" stehen. Das geschulte Auge wird schnell sehen, dass es sich höchstwahrscheinlich um eine falsche Übersetzung vom englischen "people" handelt. Der Fehler ist aber unvorhersehbar und der Text sonst so gut und leserlich, dass man den Fehler leicht übersieht. Allerdings weist Microsoft immer auf seinen Hilfsseiten darauf hin, dass es sich um automatische Übersetzungen handelt. Das hilft, den Text mit einem besonderen Augenmerk zu lesen.

 

Aufgabe 4: False fluency und falsche Erkenntnisse [10']

Im Fall «False Fluency und falsche Erkenntnisse» erleben Sie, wie maschinell übersetzte Texte durch unbemerkte Fehler neue bzw. falsche Informationen erschaffen können. Sehen Sie sich folgendes Bild an. Dort steht, dass Fotografie "einfaches Schreiben" bedeutet. Allerdings steht auf der Seite www.dwds.de, dass Fotographie von "phos" (Licht) und "grafie" (Beschreibung) stammt. Wie erklären Sie den Fehler auf dem Bild?

Es handelt sich um eine Fehlübersetzung aus dem Englischen, wie in diesem Bild ersichtlich:

Das Problem ist, dass der deutsche Text nirgendwo als Übersetzung (und erst recht nicht als maschinelle Übersetzung) gekennzeichnet ist. Daraus schließen unwissende Leser*innen falsche Informationen. Aus einem Fun Fact werden Fake News…

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Übungen zu den Begriffen Text und Machine Translation Literacy

Aufgabe 1: Textsorten [15']

Mit der Aufgabe «Textsorten» überlegen Sie, welche Konsequenzen die sprachlichen Unterschiede zwischen verschiedenen Texten für die maschinelle Übersetzung haben können. Unter den folgenden Links können Sie verschiedene Textsorten finden: Medienmitteilungen, Gesetzestexte, medizinische Fachartikel und einen Songtext. Schauen Sie sich die Texte an, die Sie auf den Webseiten finden können und überlegen Sie:

Wie unterscheidet sich die Sprache in den verschiedenen Textsorten?

Wie unterscheiden sich diese Texte im Aufbau?

Welche unterschiedlichen Ziele werden mit diesen Texten verfolgt?

Presseportal Schweiz - Presse- und Medienmitteilungen - PPS Pressedienst (presseportal-schweiz.ch)

Hier finden Sie Medienmitteilungen zu aller Art von Themen.

Gesetze im Internet - Gesetze / Verordnungen (gesetze-im-internet.de)

Hier können sie unter den verschiedenen Buchstaben Gesetztestexte zu verschiedenen Themen finden.

PubMed (nih.gov)

Hier müssen sie einen Begriff aus dem Bereich Medizin eingeben, um Texte zu finden, die mit diesem Thema zu tun haben.

Songtext von Udo Jürgens - Merry Christmas Allerseits Lyrics (songtexte.com)

In Pressemitteilungen findet sich vor allem Gemeinsprache, in Gesetzestexten und medizinischen Fachartikeln finden sich fachsprachliche Ausdrücke. Pressemitteilungen sollen sich schnell lesen lassen, während Gesetzestexte recht schwerfällig geschrieben sind. Gesetztestexte sind in Paragraphen unterteilt, während die anderen Texte als Fließtext verfasst sind. Der Songtext verfolgt ein anderes Ziel als die restlichen Texte, die vor allem Information transportieren sollen. Er spielt mit der Sprache, bricht Regeln und unterhält dadurch die Leser*innen und Hörer*innen.

 

Aufgabe 2: Fall Facebook führt zur Verhaftung [5']

Im Fall «Facebook führt zur Verhaftung» erfahren Sie, welche Konsequenzen eine Fehlübersetzung für das Leben eines Menschen haben kann. Lesen Sie folgenden Artikel zum Fall "Facebook führt zur Verhaftung".

https://www.theguardian.com/technology/2017/oct/24/facebook-palestine-israel-translates-good-morning-attack-them-arrest

 

Aufgabe 3: Fall Facebook beleidigt Präsidenten [5']

Im Fall «Facebook beleidigt Präsidenten» erfahren Sie, welche Konsequenzen eine Fehlübersetzung für die weltpolitische Lage haben kann. Lesen Sie folgenden Artikel zum Fall "Facebook beleidigt Präsidenten"

https://www.thedailybeast.com/facebook-apologizes-for-translation-of-chinese-leader-xi-jinpings-name-to-mr-shthole

 

Aufgabe 4 : Puzzle MT Literacy [10']

Mit der Aufgabe «Puzzle MT Literacy» erfahren Sie auf spielerische Weise, was sich hinter dem Begriff «Machine Translation Literacy» versteckt.

https://www.jigsawexplorer.com/online-jigsaw-puzzle-player.html?url=aHR0cHM6Ly9pLmltZ3VyLmNvbS9Oc2JuOTQxLmpwZw~~&cred=TVQ6IDUgd2F5cyB0byBiZSBhIHNhdnZ5IHVzZXIgLSAyMDIxIC0gKGMpIEx5bm5lIEJvd2tlcg~~&nop=16&color=charcoal

Lösen Sie das Puzzle!

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Übungen zu den Begriffen Sprachmittlung, menschlicher Mehrwert, Kreativität und Konventionen

Aufgabe 1: Sind das Übersetzungen? [5']

Mit der Aufgabe «Sind das Übersetzungen» erleben Sie, was die Kernaufgabe beim Übersetzen wirklich ist. Lesen Sie ein paar Redewendungen auf dieser Seite: https://kreativeseite.com/2017/10/01/denglische-sprueche-80-lustige-wortwoertlich-uebersetzte-redewendungen-ins-englische/

Warum ist diese Auflistung überhaupt lustig?

Es handelt sich um Wort-für-Wort Übertragungen von deutschen Sprüchen, die einen hohen metaphorischen Wert haben, ins Englische. Durch den Sprachwechsel verlieren sie komplett ihre Bedeutung, aber Deutsche Muttersprachler können sie wieder erraten. Es zeigt, dass Übersetzen vielmehr ist als nur Wörter einzeln umzuschreiben.

Aufgabe 2: Experiment mit Sprichwörtern [10']

Mit der Aufgabe «Experiment mit Sprichwörtern» sehen Sie, wie künstliche Intelligenz und menschliche Lexikographen unterschiedlich mit Sprichwörtern umgehen.

https://translate.google.com/?hl=de bzw. https://www.deepl.com/translator

Geben Sie folgende englische Sprichwörter und Redewendungen in Google Translate bzw. DeepL ein. Was beobachten Sie?

  • A lie has no legs. (Äquivalent: Lügen haben kurze Beine)
  • What goes around comes around. (Äquivalent: Wie man es in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.)
  • as bright as a button (Bedeutung: putzmunter)
  • Know your onions (Bedeutung: du sollst dein Geschäft verstehen)

Aufgabe 3: Asterix [10']

Mit dem Fall «Asterix» sehen Sie, welchen hohe Stellenwert der menschliche Mehrwert wie Kreativität und Kulturkenntnisse bei der Übersetzungsarbeit haben können. Sehen Sie sich folgende Tabelle zu den Namen der wichtigsten Asterix-Figuren:

https://www.comedix.de/lexikon/special/international.php

Welche Versionen finden Sie besonders kreativ?

Der englische Name des Barden, Cacofonix, ist eine Anspielung auf sein mangelndes musikalisches Talent. Das schwedische Senilix für den Dorfältesten Methusalix ist auch besonders kreativ.

Aufgabe 4: MT und Höflichkeit [10']

Mit der Aufgabe «MT und Höflichkeit» erleben Sie, wie maschinelle Übersetzung mit kulturspezifischen Höflichkeitsformen umgeht. Denken Sie an eine Situation aus Ihrem Leben, in der Sie besonders höflich sein wollten und in der Ihnen die Reaktion Ihres Kommunikationspartners oder Ihrer Kommunikationspartnerin besonders wichtig war. Formulieren Sie diesen Dialog oder Schriftwechsel nochmals (oder etwas Ähnliches) und übersetzen Sie diesen Text mit einem online zugänglichen maschinellen Übersetzungstool. Hätte der übersetzte Text in dieser Situation seinen Zweck erfüllt und hätten Sie ihn gerne (ohne Überarbeitung) verwendet?

 

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Übungen zum Begriff Sprachindustrie

Aufgabe 1: Sprachdienstleistungen [15']
Mit der Aufgabe «Sprachdienstleistungen» erhalten Sie einen Überblick über die Vielfalt der Aufgaben, die in der Sprachindustrie anfallen. Geben Sie in eine Suchmaschine das Schlagwort "Sprachdienstleistung" ein und besuchen Sie eine oder zwei Webseiten von solchen Anbietern. Wie viele Dienstleistungen werden aufgelistet? Welcher Art?

Bei der Website von ACT werden z.B. Übersetzungen, Lektorat, Transkreation, Lokalisierung, Post-Editing, Fremdsprachensatz, Dolmetschen und Digitales Marketing angeboten.

Aufgabe 2: Barrierefreie Kommunikation [10']
Mit dem Fall «Barrierefreie Kommunikation» verstehen Sie, wie gesellschaftliche Entwicklungen für die Sprachindustrie unmittelbar relevant sind. Die Schweizer Rundfunkgesellschaft hat sich dazu verpflichtet, ihre Programme barrierefrei für sinnesbehinderte Menschen zu gestalten. Lesen Sie den Text https://www.srgssr.ch/de/was-wir-tun/solidaritaet/barrierefreier-zugang: Welche Konsequenzen hat das für die Sprachindustrie? Welche Aufgaben sind dann notwendig?

Es werden viele Sprachmittler*innen gebraucht, die untertiteln, audiodeskribieren und Gebärde dolmetschen. Das Auftragsvolumen ist groß, weil 70% der Programme für Seh- und Hörbehinderte zugänglich gemacht werden müssen, auch Nachrichten, die täglich neu aufgenommen werden.

Aufgabe 3: Vertikale Märkte der Sprachindustrie [15']
Im Fall «Vertikale Märkte der Sprachindustrie» sehen Sie die Transversalität dieser Branche. Sehen Sie sich die Liste der vertikalen Märkte der Sprachindustrie an. Welche Aufgaben könnten Sie sich für "Life Sciences", "Aerospace & Defense", "Manufacturing" oder auch "Gaming" vorstellen?

  1. Life Sciences: Die normgerechte Verfassung von Produktbeschreibungen (inkl. Beipackzettel von neuen Medikamenten) in verschiedenen Sprachen
  2. Aerospace & Defense: Terminologiearbeit, Mehrsprachige Kommunikation für internationale Zusammenarbeit, Übersetzung in und aus "exotischen" Sprachen in Konflikt- und Krisengebieten für Friedensmissionen
  3. Manufacturing: Normgerechte Dokumentation von Produkten und Prozessen, Kommunikation für die internationale Zusammenarbeit (z.B. Dezentralisierung von Produktionsstätten)
  4. Gaming: Lokalisierung von Spielen und DLCs (Downloadable content), mit Untertitelung, Synchronisierung, Anpassung der Benutzeroberfläche
Aufgabe 4: Netflix sucht neue Märkte [10']
Im Fall «Netflix sucht neue Märkte» erfahren Sie, wie komplexe Marktstrategien einzelner Konzerne sich auf die Sprachindustrie auswirken. Lesen Sie diesen Artikel über Netflix. Wie zeigt sich hier die Wechselwirkung zwischen Markterschließung und Sprachindustrie? https://slator.com/netflix-coo-reveals-scale-of-dubbing-subtitling-operations/

  1. Die Erschließung von Märkten durch Lokalproduktionen fördert (und fordert) die Sprachindustrie, indem viele Inhalte synchronisiert und untertitelt werden müssen, aus teilweise "exotischen" Sprachen.
  2. Die Sprachsituation in manchen Ländern kann die Erschließung der Märkte beeinflussen, z.B. in Indien, weil mehr als 22 Hauptsprachen vorhanden sind.
Aufgabe 5: Sprachnormen und Compliance [10']
Im Fall «Sprachnormen und Compliance» sehen Sie, wie sprachpolitische Entscheidungen sich auf Marktstrategien auswirken können. Lesen Sie den Artikel: https://www.srf.ch/news/schweiz/lebensmittel-verpackungen-deutsche-verpackungsangaben-sorgen-in-der-westschweiz-fuer-aerger
Was erfahren Sie zur Einhaltung von Normen, Informationszugang und Markterschließung?

2017 wurde das Einfuhrgesetz von Lebensmitteln in die Schweiz so verändert, dass die Produkte nicht mehr in allen Landessprachen beschriftet werden sollen (Norm). Dadurch werden viele Lebensmittel aus Deutschland in der Romandie verkauft – aber ohne französische Begleittexte. Wichtige Informationen werden so der nicht-deutschsprachigen Kundschaft vorenthalten (Informationszugang). Offizielle Stellen raten deshalb im Zweifelsfall zum Verzicht auf den Kauf, so dass diese Kundschaft "verloren geht" (Markterschließung).

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Übungen zum den Begriffen Sprachmittlung und Sprachindustrie

Aufgabe 1: Übersetzung von Werbeüberschriften [10']
Mit der Aufgabe «Übersetzung von Werbeüberschriften» entdecken Sie die Arbeit hinter der Transkreation.
  1. Werbetitel zu übersetzen ist besonders anspruchsvoll. Um sie wirkungsvoll zu gestalten, muss man sich gut in das jeweilige Zielpublikum hineinversetzen können und wissen, wie man eine bestimmte Wirkung mit Sprache erzielen kann. Übersetzungen von Werbetiteln sind daher oft sehr kreativ und wenn man sie in die Ausgangssprache wortwörtlich zurück übersetzt kann dies zu lustigen und merkwürdig klingenden Formulierungen führen. Schauen Sie sich den folgenden Blog an 28 Hilarious Movie Title Translations | K International an und versuchen Sie die Originaltitel zu erraten. Die Beispiele zeigen allerdings auch, wie gefährlich es ist, Rückübersetzung als eine Technik zu verwenden, um Übersetzungsqualität zu überprüfen.
  2. Schauen Sie sich außerdem den folgenden Blogbeitrag und die darin enthaltenen Beispiele für Transcreation an. Überlegen Sie anhand der Beispiele, welche Kompetenzen für Transcreator*innen besonders wichtig sind. https://blog.supertext.ch/2019/07/supertexts-heisse-nummer-mit-der-bvg/

Transcreator*innen müssen kreativ mit Sprache umgehen und mit ihr spielen können, um effektreiche und innovative Formulierungen zu finden. Außerdem müssen Sie wissen, was in der Kultur, in der diese Werbeslogans gezeigt werden als angemessen, und was als Tabubruch gilt.

Aufgabe 2: Interview mit Katja Mai [15']
Im Fall «Interview mit Katja Mai» sehen Sie, wie sich Sprachprofis den Veränderungen stellen und mit Technologie umgehen. Schauen Sie sich den Auszug aus dem Interview mit Katja Mai an. Sie arbeitet seit vielen Jahren als Übersetzerin in der Generaldirektion Übersetzen der Europäischen Kommission und gibt einen Einblick in ihre Arbeit mit maschineller Übersetzung. Beschreiben Sie kurz,
  1. welchen Herausforderungen sie bei der Verwendung von maschineller Übersetzung begegnet und
  2. welche Tipps sie Post-Editors für ihre Arbeit mit Sprachtechnologien mitgibt.
Auszug: Minute 17 bis Ende

  1. False fluency, Inkonsistenz von Terminologie, Verschiebung von Betonungen in den maschinell übersetzten Texten
  2. Sprachmittler*innen sollten neue Sprachtechnologien nutzen und ihnen gleichzeitig mit Selbstbewusstsein begegnen. Der menschliche Mehrwert in der mehrsprachigen Kommunikation ist nämlich immer klar erkennbar. Beispielsweise können nur menschliche Post-Editors den Zusammenhang verstehen, in dem ein Text verwendet wird. Auch können nur sie auf Weltwissen zurückgreifen, das für die richtige Übersetzung vieler Texte notwendig ist oder interkulturelle Unterschiede erkennen, zwischen denen vermittelt werden muss.
Aufgabe 3: Blog [10']
Im Fall «Blog» erfahren Sie mehr über aktuelle und künftige Berufsfelder im Bereich mehrsprachige Kommunikation. An der ZHAW haben wir einen Blog zu Themen, die mit der Verwendung von Sprache und mit Sprachberufen zu tun haben. Außerdem porträtieren wir darin unsere Studierenden und Mitarbeitenden. Im Folgenden finden Sie einen interessanten Artikel über den Karrierestart einer Studentin, der Einblick gibt in das Leben von jungen Sprachprofis.
«Mit dem Bachelor Angewandte Sprachen in die Arbeitswelt – willkommen in der Softwarebranche»
https://blog.zhaw.ch/languagematters/2020/11/12/bachelor-angewandte-sprachen- softwarebranche/
Aufgabe 4: Interview mit Florian Faes [15']
Im Fall «Interview mit Florian Faes» erfahren Sie, wie lokale und globale Kommunikation zusammenhängen. Schauen Sie sich das folgende Interview mit Florian Faes, IUED Alumnus und Managing Director der einflussreichen Sprachindustrie-Plattform Slator an: https://tube.switch.ch/videos/58f27241
  1. Welche drei Schlüsselkonzepte erläutert Florian Faes in diesem Interview?
  2. Welche sechs Themenbereiche werden in diesem Interview besprochen?
Ein Aufgabenbereich von Sprachmittler*innen in der Sprachindustrie umfasst die Untertitelung. Dieses Video ist auf Englisch untertitelt worden, um den Inhalt Gehörlosen und Schwerhörigen Menschen zugänglich zu machen. Es demonstriert auch einige der Techniken, die Untertitler*innen anwenden, um gesprochene Sprache in Untertiteln zusammenzufassen und zu verdeutlichen.

Schlüsselkonzepte: globalization, localization, internationalization

Themenbereiche: Why there is a language industry - what drives it - the way the language industry is structure - how it serves its clients - the growing importance of artificial intelligence (AI) - the role and value-adding of humans in the loop

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Leseauftrag [40']

Lesen Sie den Aufsatz zum Thema Machine Translation Literacy von Lynne Bowker (Bowker, 2020, https://doi.org/10.1080/08963568.2020.1794739). Schreiben Sie dann kurz auf, was Machine Translation Literacy in Ihrem zukünftigen Beruf bedeutet.

Selbsttest [10']

1. Welche Aussagen zum Gender Bias treffen zu?
  1. Gender Bias bedeutet, dass man vor allem von Männern verfasste Texte im Internet findet.
  2. Die Maschine widerspiegelt oft die stereotypische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau.
  3. Gender Bias kann vermieden werden, indem man den Ausgangstext genderinklusiv verfasst.
  4. Nur mit dem Ausgangstext kann man wissen, ob die Geschlechter korrekt zugeordnet sind.
2. Welche Aussagen zu Sprachtechnologien treffen zu?
  1. CAT-Tools sind eine wichtige technologische Unterstützung für Übersetzungsprofis.
  2. Maschinelle Übersetzungstools erfüllen die gleichen Funktionen wie Online-Wörterbücher.
  3. Maschinell übersetzte Texte beinhalten auffällig viele Grammatikfehler.
  4. Das Online-Wörterbuch linguee.com basiert auf mehrsprachigen Textauszügen aus dem Internet.

1.

  1. trifft nicht zu
  2. trifft zu
  3. trifft nicht zu
  4. trifft zu

2.

  1. trifft zu
  2. trifft nicht zu
  3. trifft nicht zu
  4. trifft zu

 

Diskussion | Nuance entscheidet [20']
Lesen Sie den Presseartikel zu „Google Translate causes vaccine mishap“. Er handelt von einer Fehlübersetzung auf der offiziellen Webseite des Department of Health des US-Bundesstaates Virginia: https://multilingual.com/google-translate-causes-vaccine-mishap/
  1. Fassen Sie die Konsequenzen des Übersetzungsfehlers zusammen. Versuchen Sie, direkte und indirekte Konsequenzen zu berücksichtigen. Beantworten Sie dann folgende Fragen:
  2. Diese Fehlübersetzung befand sich auf der offiziellen Webseite einer staatlichen Institution, eben des Virginia Department of Health. Dort erwartet man eigentlich, dass Kommunikationsexpert*innen auf die Formulierung achten. Wie erklären Sie sich diesen Fehler?
  3. Wie hätte man eine solche Situation vermeiden können?
  4. Wie erscheint Ihnen selbst der Unterschied zwischen required und necessary?

Sprache und Zukunft

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Aufgabe 1: Doing Gender [10']

Der Begriff ‚Doing Gender‘ bezeichnet also den engen Zusammenhang zwischen dem, wie wir sprechen, uns verhalten oder geben und der Wahrnehmung unserer Geschlechtsidentität. Das Video Women vs Men von Bruno Bozzetto thematisiert bestimmte Verhaltensweisen, die häufig mit Geschlechtsunterschieden assoziiert werden und daher als Beispiele für ‚Doing Gender‘ verstanden werden können. Sehen Sie sich das Video an. Was wird hier als 'Doing Gender' sichtbar gemacht?

Der Videoclip nutzt in karikaturistischer Weise als Animation Stereotype über typisch männliches und typisch weibliches Verhalten, bezogen auf gesellschaftliche Alltagssitutionen. Genderunterschiede werden überdeutlich, karikierend-ironisch gezeigt. Die gezeigten Verhaltensweisen sind als Doing Gender verstehbar, als Ausagieren von genderspezifischen Verhaltensweisen, über die ein gesellschaftlich geteiltes Wissen besteht (in europäischen und anglosächsischen Gesellschaften). Interessanterweise haben Stereotype oft einen "wahren Kern", deshalb können wir uns wenigstens teilweise wiedererkennen, oder aber denken sofort an Situationen, die wir schon erlebt haben. Die Stereotype repräsentieren ein gesellschaftlich geteiltes Wissen (in europäischen Gesellschaften) mit dem Bezug auf historisch gewachsene Vorstellungen über das, was Männer ausmacht, und das, was Frauen ausmacht. Wir können uns auch vorstellen, welchen Effekt es hätte, wenn eine weiblich gekennzeichnete Figur die gezeigten männlichen Verhaltensrepertoires ausagieren würde.

 

Aufgabe 2: Doing Gender im Beruf [10']

‚Doing Gender‘ hat einen Einfluss darauf, ob wir als professionell oder kompetent wahrgenommen werden. Wir können diesen Einfluss jedoch mitbestimmen: indem wir Geschlechterstereotype unterlaufen oder mit ‚Undoing Gender‘ neue Akzente setzen. Reflektieren Sie die Bedeutung von 'Doing Gender' für Ihre Berufsperspektive. Wie können Sprachberufe und Berufe im Dienstleistungssektor mit ‚Un/Doing Gender‘ umgehen?

Das Inszenieren einer Geschlechtsidentität als Frau oder das Unterlaufen von klassischen Stereotypen der Geschlechtsidentität, beides kann in unterschiedlichen beruflichen Situationen eine Rolle für eine professionelle Selbstdarstellung spielen. Wenn Sie an das Beispiel der früheren britischen Premierministerin Margaret Thatcher denken: in politischen Ämtern und in Führungspositionen kann es Frauen helfen, Doing Gender eher in Richtung männlich assoziierter Verhaltensweisen zu inszenieren. Das Business-Kostüm oder der Powersuit in der amerikanischen Geschäftswelt sind Ausdrucksmittel des Doing Gender, um ein Bild einer starken Frau zu inszenieren. Die tiefe Sprechstimme und Modulation von deutschen Radiomoderatorinnen und Fernsehsprecherinnen ist ein anderes Beispiel, bei dem Genderstereotype unterlaufen werden und Doing Gender als Sichtbarkeit von Geschlechtsidentität mit Attributen inszeniert wird, die traditionell mit dem männlichen Doing Gender assoziiert werden. Undoing Gender, d. h. das aktive Absehen von Geschlechtsidentität und Geschlechterstereotypen kann gerade beim Lehren, Coachen und Beraten im Kontakt mit Klient:innen oder Kund:innen eine Rolle spielen. Es ist eine (auch situativ vielleicht unterschiedlich ausfallende) Entscheidung,  ob man sich stärker entlang gesellschaftlicher Geschlechterstereotype inszeniert oder diese unterläuft.

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Aufgabe 1: Sind Experten immer männlich? [10']

Gleichstellung ist nicht nur ein rechtliches und politisches Anliegen, sie findet ganz wesentlich sprachlich-kommunikativ statt. Eine gendergerechte, inklusive Sprache dient dazu, diskriminierungsfrei alle Personen als Teil der Gesellschaft zu benennen und sichtbar zu machen. Wie können einzelne Formulierungen der Gleichstellung dienen und Vorstellungen über die gesellschaftliche Realität prägen und verändern? Lesen Sie dazu bitte das folgende Beispiel, das als Fußnote in eine wissenschaftliche Arbeit eingefügt wurde:

"Die Verfasserin hat eine genderneutrale Sprache verwendet. Lediglich beim Begriff Expert*in hat sie im Sinne der Lesbarkeit nur die männliche Form verwendet. Gemeint sind alle Gender."

Was spricht dagegen, diese Lösung zu verwenden?

Orientieren Sie sich zu Argumenten z.B. unter

https://www.mentorium.de/warum-gendern-wichtig-ist/ [29.04.2022]

Es ist erwiesen, dass Männer und Frauen gleichermaßen sich überwiegend männliche Personen vorstellen, wenn nur die männliche Personenbezeichnung genannt wird. Überprüfen lässt sich das leicht, wenn man z.B. Personen folgenden Satz vorlegt: "Ein Wissenschaftler hat in Neu-Guinea eine bislang unbekannte Vogelart entdeckt." – Die meisten Menschen stellen sich einen Mann vor.

Damit Frauen auch als Expertinnen sichtbar werden, ist es wichtig, die männliche und die weibliche Form jeweils angemessen zu verwenden. Wenn man von der Bedeutung des Geschlechts für die Expertise absehen möchte, ist es empfehlenswert, eine inklusive Kurzform zu verwenden (z.B. Expert:innen) oder von "Befragten/Personen mit einer Expertise" zu sprechen.

Gerade wenn es darum geht, Expertinnen und Experten zu befragen und ihre Aussagen für eine wissenschaftliche Arbeit auszuwerten, kann das Geschlecht aber ein Faktor sein, der auch die professionelle Erfahrung und die Sicht auf eine Problematik mit bestimmt. Es sollte daher im Sinne einer redlichen Wissenschaft offengelegt werden, ob es sich um eine Expertin oder einen Experten handelte, deren Aussage zitiert wird.

 

Aufgabe 2: Stehen gendergerechte und inklusive Schreibweisen im Widerspruch zu einander? [10']

Im gesellschaftlichen Diskurs finden sich Positionen, die die rechtlichen und politischen Anliegen der barrierefreien Kommunikation und der gendergerechten Sprache gegeneinander ausspielen wollen. Erarbeiten Sie mit dieser Übung, warum es kein Entweder–Oder geben kann. Bitte lesen Sie den folgenden Ausschnitt aus: GENDER-GERECHTE SPRACHE UND BARRIEREFREIHEIT, http://www.netz-barrierefrei.de/wordpress/barrierefreies-internet/barrierefreie-redaktion/texte/gender-gerechte-sprache-und-barrierefreiheit/ [24.08.20]:

"In letzter Zeit werde ich häufig gefragt, ob gendergerechte Sprache generell barrierefrei ist. Hier meine Antwort. Ob eine gendergerechte Sprache sinnvoll ist, möchte ich hier nicht diskutieren. Lassen Sie mich vorneweg das Fazit ziehen: Da jede denkbare Variante bei Text und Sprache gängige Konventionen verändern muss, trägt keine mögliche Variante in unserem Sinne zur Barrierefreiheit bei. Es wäre wünschenswert, wenn sich die Betroffenen-Gruppen auf eine für alle Seiten akzeptable Variante einigen, das ist aber aktuell nicht absehbar.

Aktuell halte ich den Doppelpunkt für die beste Variante für blinde Personen. Der Doppelpunkt wird in der Standard-Konfiguration der gängigen Screenreader ignoriert, also nicht vorgelesen.

Wir gehen von Personen aus, die nicht täglich mit gendergerechten Texten zu tun haben. Fangen wir mit den Varianten an, die aus Sicht der Barrierefreiheit nicht optimal sind. [...]"

  1. Welche Position wird in dem Text vertreten?
  2. Leiten Sie aus Thesen und Aussagen des Textes eine Argumentation für inklusive, barrierefreie und zugleich genderechte Schreibweise ab!

a. Der Text vermittelt auf den ersten Blick eine ausgeglichene Position, inszeniert eine vermeintliche Neutralität. An verschiedenen Aussagen wird aber deutlich, dass die Grundhaltung gegen gendergerechte Sprache gerichtet ist und der barrierefreien Sprache eine höhere Priorität eingeräumt wird. Das wird z.B. daran deutlich, dass die Frage, ob gendergerechte Sprache generell barrierefrei sei, gar nicht beantwortet wird. Statt dessen wird der Sinn von gendergerechten Formulierungen überhaupt in Frage gestellt. Der Satz "Ob eine gendergerechte Sprache sinnvoll ist, möchte ich hier nicht diskutieren" tut zwar so, als solle darüber keine Diskussion eröffnet werden, durch die indirekte Frage nach dem Sinn ist genau dies aber thematisiert und damit zu einem Diskussionsgegenstand gemacht worden.Die Aussage "Da jede denkbare Variante bei Text und Sprache gängige Konventionen verändern muss, trägt keine mögliche Variante in unserem Sinne zur Barrierefreiheit bei" postuliert (mit "da") einen nicht belegten, wissenschaftlich nicht nachweisbaren Begründungszusammenhang. Weder ist "jede denkbare Variante" eine faktische Menge, von der auf jegliche mögliche Variante geschlossen werden kann, noch ist das Verändern von "gängigen Konventionen" grundsätzlich nicht barrierefrei. Im Gegenteil: für Barrierefreiheit müssen ggf. auch sprachliche Regeln und Konventionen angepasst werden. Besonders deutlich wird dies an den Regeln der Einfachen Sprache.

Dieser – nicht valide – Begründungszusammenhang dient dazu, die Möglichkeit einer gendergerechten und barrierefreien Schreibweise prinzipiell abzustreiten.

b. Einige Aussagen in dem Text sind mehr oder weniger diskriminierend, z.B die Aussage: "Es wäre wünschenswert, wenn sich die Betroffenen-Gruppen auf eine für alle Seiten akzeptable Variante einigen, das ist aber aktuell nicht absehbar" unterstellt zum einen den "Betroffenen-Gruppen" eine Unfähigkeit zu einem rationalen oder pragmatischen Konsens; zum anderen verlagert sie eine gesamtgesellschaftliche Problematik in die spezielle Verantwortlichkeit einer unterbestimmt bleibenden "Betroffenen-Gruppe", die so stereotypisiert, alterisiert wird.

An diesem Argument kann mit einer sachlichen Argumentation angesetzt werden, dass Sprache für alle Sprechenden und Schreibenden gleichermaßen handhabbar sein muss und zugleich muss sie diskriminierungsfrei und repräsentativ für die gesamte Gesellschaft sein, es ist also kein Sonderproblem von einzelnen "Betroffenen-Gruppen", die sich einigen müssten.

Das im Text für den Doppelpunkt genannte Argument: "Der Doppelpunkt wird in der Standard-Konfiguration der gängigen Screenreader ignoriert, also nicht vorgelesen" ignoriert zugleich die Bedeutung des zusätzlichen Zeichens im Wort, das nur für etwas stehen kann, wenn es auch bemerkbar wird, sei es beim Lesen oder beim Hören (durch den Glottisschlag vor der femininen Endung, der in der gendergerechten Sprechweise gemacht wird). Es tilgt also das Anliegen der gendergerechten Sprache gewissermaßen mit dem Lösungsvorschlag. Hier kann ein positives Argument hervorheben, wie wichtig auch in der barrierefreien Sprache die gendergerechte Umsetzung ist, weil rein demographisch gut die Hälfte der auf barrierefreie Sprache angewiesenen Personen auch von gendergerechter Sprache profitiert, indem ihre intersektionale Diskriminierung (Mehrfachdiskriminierung z.B. als Mensch mit einer Behinderung und als Frau) sprachlich angemessen reflektiert und verstehbar wird.

Schließlich wird ein Normalitätsargument im Text aufgebracht: "Wir gehen von Personen aus, die nicht täglich mit gendergerechten Texten zu tun haben." Diese Formulierung unterstellt die Alltäglichkeit von nicht gendergerechten Texten als akzeptable Normalität. Das Argument normalisiert damit eine nicht gendergerechte Welt weiter. Es ignoriert zudem, dass die Schweizer Bundesverfassung und das Schweizer Sprachengesetz eine gendergerechte Sprache seit langem vertreten und festgeschrieben haben. Eine Normalisierung von gendergerechter und inklusiver Sprache ist ein erklärtes Ziel in der Schweizer Politik und der Gesellschaft in der Schweiz.

 

Aufgabe 3: Kann das Deutsche geschlechtsneutral werden?  [10']

Die Schweizer Autorin Anna Stern hat in einem Roman damit experimentiert, wie es funktionieren könnte, in der deutschen Sprache Romanfiguren ohne spezifische Geschlechtsidentität zu entwickeln. In der Handlung des Romans versucht eine Gruppe befreundeter junger Menschen, den Tod einer Person aus ihrer Mitte zu verarbeiten. In Rückblenden werden Szenen bis zurück in die gemeinsame Kindheit geschildert, während in der erzählten Gegenwart eine Art Roadmovie-Geschichte entsteht. 

Lesen Sie den kurzen Ausschnitt aus dem Roman und achten Sie beim Lesen darauf, was bei Ihnen ausgelöst wird. Reflektieren Sie darüber, welche Sprachmittel und Kunstgriffe die Autorin einsetzt, und wie Sie das beim Lesen verarbeiten. Funktioniert es, sich die Personen ungeschlechtlich, nicht gegendert vorzustellen? 

Anna-Stern-Auszug

(Anna Stern (2020). das alles hier, jetzt. Roman, 2. Auflage. Zürich: Elster & Salis, S. 22–25).

Die Autorin verwendet eine spezielle Schreibweise und Perspektive: der gesamte Text ist in Minuskeln, also Kleinbuchstaben, geschrieben, und aus einer Perspektive des gegenwärtigen Erlebens, in der auf die anderen Figuren mit der Anrede „ihr“ Bezug genommen wird. Dadurch wirkt der Text wie eine fortlaufende innere Rede, in die man beim Lesen hineingezogen wird.

Die Personen haben Namen, die nicht eindeutig auf eine Geschlechtszugehörigkeit schliessen lassen (z. B. eden, avi, swann, egg). Sie werden immer mit dem Namen genannt, sodass keine geschlechtseindeutigen Personalpronomen (er, sie) verwendet werden. Es gibt kein „ich“, vielmehr wird beim Lesen deutlich, dass das „du“ das Ich der erzählenden Person repräsentiert. Das „du“, also das Ich der erzählenden Figur, ist damit zugleich Teil von dem „ihr“.

Es ist schwierig, sich beim Lesen Personen ohne Geschlechtsidentität vorzustellen. Beim Lesen kann es passieren, dass man sich eben doch gegenderte Personen vorstellt, dass anhand von bestimmten Tätigkeiten wie z. B. Schnitzen oder Feuer entfachen eine Vorstellung entsteht, eine Zuordnung versucht wird. Aber sobald man darüber nachdenkt und merkt, dass man versucht, eine Figur geschlechtlich einzuordnen, fühlt man sich ertappt: hier sind Geschlechter-Stereotype am Werk (von denen man vielleicht glaubte, dass man sie nicht hätte).

Mit diesen Kunstgriffen entzieht es sich immer wieder, eine Figur mit Bestimmtheit in die binären Geschlechterkategorien einzuordnen. Zugleich wird in der Reflexion greifbar, wie sehr Stereotype als kognitive Ordnungsschemata am Arbeiten sind, trotz einer sprachlichen Neutralisierung.

Deutlich wird an diesem Beispiel einerseits, dass viel sprachliche Arbeit und Anstrengung erforderlich ist, um Stereotype zu unterlaufen; andererseits zeigt sich daran, dass ein kreativer professioneller Umgang mit dem Deutschen geschlechtsneutrale Möglichkeiten des Ausdrucks eröffnen und dabei neue, ungewohnte Denkprozesse anstossen kann.

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Aufgabe 1: Das Kipp-Experiment [10']

Sie haben den paradoxen Zusammenhang von Genusobligatorium im Deutschen und dem sog. generischen Maskulinum kennengelernt. Noch immer wird häufig die These vertreten, dass in der männlichen Bezeichnung für Personen, Positionen oder Berufe die Frauen mitgemeint seien. Dass dies nicht zutrifft, lässt sich gerade an Aussagen über sog. „frauentypische“ Berufe (z.B. Grundschullehrer:in, Erzieher:in) vs. sog. „männertypische“ Berufe (z.B. Professor:in, Wissenschaftler:in) zeigen. Wann kippt ein scheinbar generisches Maskulinum ins reine Maskulinum?

Lesen Sie den Auszug aus einem anonymen Kommentar zu dem Artikel unter: https://www.studis-online.de/Studieren/art-2332-frauen-in-der-wissenschaft.php [30.07.2021]

«Diese politisch bestimmte Unattraktivität [von Professuren] dämmert den meisten Nachwuchsforschern erst, wenn sie nach dem Master auf einer Promotionsstelle sitzen und mitbekommen, wie der Alltag und speziell Berufungen verlaufen. Ich war selber mal als Student Mitglied einer Kommission für eine W2-Stelle im Bereich Grundschullehramt. Ca. 90% Frauen unter den Studenten und Grundschullehrern, aber keine einzige Frau unter den Bewerbern. Wegen des massiven Drucks der Uni-Leitung, die Stelle mit einer Frau zu besetzen, wurde überlegt, "gestandene" Grundschullehrerinnen anzusprechen, sich zu bewerben. Das wurde als aussichtslos angesehen, wegen 50% mehr Bruttogehalt (vor Steuern) macht man sich keinen Dauerstress mit 50-Stundenwoche, ständigen Evaluierungen, Kampf um Mittel für Tutoren usw. Eine Beamtenstelle als Grundschullehrer ist schlicht attraktiver als eine W2-Stelle, wenn man nicht gerade in die Wissenschaft als solche verliebt ist.»

Hier ist der textuelle Zusammenhang durch das Thema «Frauen in der Wissenschaft» gegeben, aber außer im spezifischen Fall der «Grundschullehrerinnen» wird nur die maskuline Form verwendet, die hier generisch für alle Geschlechter eingesetzt wird. Den letzten Satz kann man so verstehen, dass er sich spezifisch auf Männer bezieht, zumal die Überlegung aus der Perspektive eines Mannes und ohne wissenschaftlichen Beleg geäußert wird. Damit kippt das vermeintlich generische Maskulinum in ein reines Maskulinum, das Frauen ausschließt.

 

Aufgabe 2: Paradoxe Formulierungen [10']

Sie haben sich nun mit verschiedenen Formen des gendergerechten Formulierens und deren Tücken auseinandergesetzt. Wie schwer dem Sog des sog. generischen Maskulinums zu entkommen ist, zeigt der folgende Auszug aus einem Werbetext für einen experimentellen Roman von Anna Stern (2020). das alles hier, jetzt. Roman. Zürich: Elster & Salis.

«In jeweils kurzen Fragmenten des Jetzt und der Vergangenheit kontrastiert Anna Stern die trauernden Freunde mit der schillernden Welt der guten Erinnerungen, die durch geschlechtsneutrale, unbekannte Vornamen immer auch leicht entrückt wirkt. Im zweiten Teil des Romans, der linear erzählt wird und der Bewegung entsprechend Tempo aufnimmt, entdeckt der Leser eine bisher unbekannte erzählerische Seite von Anna Stern.» https://www.perlentaucher.de/buch/anna-stern/das-alles-hier-jetzt.html [05.05.2022]

Der Romantext verzichtet ausdrücklich auf die Zuschreibung von Geschlecht, indem nur geschlechtsunspezifische Namen, sowie keinerlei Personalpronomen verwendet werden. Im Klappentext wird dies auf der einen Seite als besondere Qualität des Romans hervorgehoben, auf der anderen Seite aber nicht ernst genommen: „die trauernden Freunde“ ist ein Maskulinum, an dem das Genusobligatorium wirksam ist und in dieser Formulierung nicht unterlaufen werden kann. Allenfalls könnte man umformulieren „die trauernden Freundinnen und Freunde“ oder die „trauernden Freund:innen“ oder „den trauernden Freundeskreis“. Abschließend wir gar nur „der Leser“ angesprochen: hier habe ich es tatsächlich beim ersten Lesen so verstanden, als würden nur Männer, die den Text lesen, diese Entdeckung machen (können), was wohl nicht beabsichtigt war. Es zeigt aber, dass für Leser:innen ein erhöhter kognitiver Aufwand entstehen kann, weil bei dieser Lesart erst noch einmal verarbeitet werden muss, dass tatsächlich alle Leser:innen gemeint sind. Die Formulierung dieses Werbetextes kollidiert mit dem sprachreflektierenden Ansatz der Autorin, in dem die Notwendigkeit einer Geschlechtsidentifikation der Romanfiguren gerade hinterfragt wird und der beim Lesen eine Auseinandersetzung mit den eigenen Geschlechterstereotypen verlangt. Tatsächlich entsteht beim Lesen immer wieder die Versuchung, anhand der beschriebenen Tätigkeiten die Romanfiguren z.B. als Vater, Mutter etc. identifizieren zu wollen – und diese Versuche, die ins Leere laufen, machen beim Lesen auch die eigene Befangenheit in Stereotypen präsent.

 

Aufgabe 3: Beispiel mitgemeint [10']

Nachdem in den Aufgaben 1 und 2 die Irritationen deutlich wurden, die Genusobligatorium und der Sog des sog. generischen Maskulinums auslösen können, stellen wir hier die Gegenfrage: Wann geht es, ein Nomen im Maskulinum zu verwenden und doch auch Frauen mitzumeinen? Lesen Sie das folgende Beispiel und überlegen Sie, wo und warum es in diesem Text tolerierbar sein könnte.

«Zahlen dazu [Frauen in Führungspositionen in Hochschulen] liefert das Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung (CEWS), angesiedelt beim Leibniz Institut für Sozialwissenschaften. Danach betrug der Anteil der Frauen an den höchst dotierten Professuren (Besoldungsgruppen W3/C4) 2016 gerade einmal 19,4 Prozent, deutlich unter dem EU-Mittel (23,6 Prozent) und weit hinter dem Spitzenreiter Litauen mit fast 40 Prozent. Von den „einfachen“ Professuren (W1/W2) war 2018 nur eine von vier von Frauen besetzt. Auch werden Hochschulen nur zu unter 25 Prozent von Rektorinnen und Präsidentinnen angeführt, während der Frauenanteil in den Hochschulleitungen (Prorektoren, Vizepräsidenten, Kanzler) bei knapp 29 Prozent liegt.»

Auszug aus: studis-online.de (2020). Forschung fest in Männerhand. Frauen in der Wissenschaft. Veröffentlicht 11.02.2020. https://www.studis-online.de/Studieren/art-2332-frauen-in-der-wissenschaft.php [30.07.2021]

In dem Ausschnitt werden "Frauen", "Rektorinnen" und "Präsidentinnen" ausdrücklich genannt. Lediglich bei der Erläuterung dessen, was als "Hochschulleitungen" verstanden wird, sind in der Klammer als Funktionsbezeichnungen für die Hochschulleitungen nur die männlichen Nomina genannt. Aufgrund der zuvor eindeutig in Bezug auf Frauen formulierten Textstellen und ihrer Nennung in diesen Funktionen ist der maskuline Anschluss in der eingeklammerten Erläuterung hier möglich und ist so interpretierbar, dass hier auch die 25% Frauen, die diese Positionen bekleiden, mit verstanden werden können.

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Aufgabe 1: «Sprachverbot»: Wer verbietet was? Wer und was wird dadurch eingeschränkt? [20']

Sie haben gesehen, dass es einen kontroversen medialen Diskurs um gendergerechte Sprache gibt. In diesem wird u.a. das Argument angeführt, dass Erlasse oder Reglements zur gendergerechten oder genderneutralen Sprache die freie Rede einschränken würden und dies einem Sprachverbot gleichkäme. Es lohnt sich, die medialen Beiträge zum Diskurs genauer anzusehen, die dahinter stehenden Positionen zu bestimmen und auch einen Vergleich mit den Schweizer Rechtsgrundlagen des Bundes zu ziehen.

Sehen Sie sich die Überschrift der Aargauer Zeitung unter dem folgenden Link an:

https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/sprachstreit-der-bund-stoppt-den-genderstern-buergerinnen-wird-nicht-amtlich-ld.2153738?reduced=true

und vergleichen Sie dies mit der Meldung unter:

https://afdkompakt.de/2021/06/22/bravo-schweiz-verbietet-gender-stern-in-behoerden/

Vergleichen Sie die Aussagen, die in diesen journalistisch-politischen Medien gemacht werden: Welche Informationen zu der Weisung der Schweizerischen Bundeskanzlei werden gegeben?

Welche Argumente werden genannt? Findet eine Wertung statt?

Sehen Sie sich die Weisung zu Genderstern und zur gendergerechten Sprache (BK-D-AF633401/197) auf der folgenden Seite an bzw. laden sie sich herunter:

https://www.bk.admin.ch/bk/de/home/dokumentation/sprachen/hilfsmittel-textredaktion/leitfaden-zum-geschlechtergerechten-formulieren.html

Was wird in den journalistischen Medien zu wenig differenziert oder sogar falsch dargestellt, sodass das Lesepublikum zu dem falschen Eindruck gelangen könnte, dass die schweizerische Bundeskanzlei eine gendergerechte Sprache nicht unterstützt?

In der Überschrift wird das Verbot des Gendersterns und ähnlicher Schreibweisen als zentrales Faktum dargestellt. Dass eine gendergerechte Schreibweise insgesamt davon nicht tangiert ist, d.h. weiterhin gilt und vom Bund vertreten wird (in Gesetzen und Richtlinien), gerät aus dem Blick, weil es nicht genannt wird. Der Genderstern wird m.a.W. nicht in seinen Bedeutungskontext als ein Element unter vielen, die einer gendergerechten, demokratischen Sprache dienen sollen, eingeordnet.

Die Rechtslage in der Schweiz ist durch die Bundesverfassung, das Sprachengesetz und das Gleichstellungsgesetz breit abgestützt. Zusätzlich sind in der Agenda 2030 des EDA die von den Vereinten Nationen verabschiedeten SDGs, die Ziele zur nachhaltigen Entwicklung, ausdrücklich aufgenommen. Ziel Nummer 5 betrifft die Umsetzung der Geschlechtergleichheit.

In der Diskussion um geschlechtergerechte Sprache wird von den Gegner:innen immer wieder ein Verbot des Genderns gerade für Behörden und die öffentlichen Bildungsinstitutionen, die diesen unterstehen, gefordert. Das Schweizer Sprachengesetz legt aber seit 2007 eine Bemühung um geschlechtergerechte Formulierungen für die Bundesbehörden fest. Dies wird ausdrücklich unter dem Artikel 7 zur Verständlichkeit genannt, weil eine Verständlichkeit für alle Bürger:innen nicht gegeben ist, wenn das generische Maskulinum verwendet wird. Die Unzulässigkeit des generischen Maskulinum wird im Leitfaden zur geschlechtergerechten Sprache der Bundeskanzlei von 2008/2013 sowie in der Weisung zum Genderstern von 2022 ausdrücklich genannt. Die Weisung des Bundes zum Nichtverwenden des Gendersterns und ähnlicher Symbole stellt zwar eine Einschränkung dar, beschränkt sich aber auf Bundesdokumente und empfiehlt ausdrücklich, genderneutrale Formen einzusetzen.

Am Beispiel der afd-Seite wird deutlich, dass rechtsgerichtete und antidemokratische Medien in ihrem Aufgreifen der Meldung den restriktiven Umgang mit der Sprache (das Verbot) betonen und befürworten und es nutzen, um demokratische Anliegen zu diskreditieren und zu veralbern sowie um politische Gegner zu verunglimpfen.

Das Schweizer Gleichstellungsgesetz, Art. 3 Diskriminierungsverbot stellt ausdrücklich unter Absatz 3 fest: Angemessene Massnahmen zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung stellen keine Diskriminierung dar.

Am Beispiel der afd-Seite wird deutlich, dass rechtsgerichtete und antidemokratische Medien in ihrem Aufgreifen der Meldung den restriktiven Umgang mit der Sprache (das Verbot) betonen und befürworten und es nutzen, um demokratische Anliegen zu diskreditieren und zu veralbern sowie um politische Gegner zu verunglimpfen.

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Leseauftrag [120']

Lesen Sie den Aufsatz „Und ob das Genus mit dem Sexus“ von Damaris Nübling Nübling, 2018 und notieren Sie dann drei Beispiele, die zeigen, dass im Deutschen das grammatische Genus eng mit Geschlechterstereotypen zu Männern und Frauen verbunden ist.

Wo spielt es in Ihrem Beruf eine Rolle, dass sich Männer wie Frauen gleichermaßen angesprochen fühlen? Welche sprachlichen Ausdrucksformen würden Sie zu diesem Zweck einsetzen, welche nicht (nachdem Sie den Artikel gelesen haben)?

Selbsttest [10']
1. Welche Aussagen zu gendergerechter Sprache (GS) treffen zu?
  1. Inklusive Sprache kann gendergerechte Sprache umstandslos ersetzen.
  2. GS bedeutet eine sprachliche Bevorzugung von Frauen.
  3. GS ist eine Ideologie der Political Correctness.
  4. GS umfasst grammatische und pragmatische Formen des Sprechens und Schreibens.
2. Welche Aussagen zum Sprachwandel treffen zu?
  1. Um Sprachwandel zu fördern, sind gesellschaftliche Diskurse notwendig.
  2. Gesellschaftliche Veränderungen ziehen Sprachwandel nach sich.
  3. Die Zukunft der Sprache hängt von den Menschen ab, die sie benutzen.
  4. Sprachwandel ist ein unumkehrbarer, natürlicher Prozess.

1 a.

Nein, trifft nicht zu, denn inklusive Sprache setzt meistens andere marginalisierte Gruppen ins Recht und "vergisst" oder vernachlässigt darüber eine gendergerechte Sprache, vgl. auch die Analyse der Argumentation in Aufgabe b2, in der es um inklusiv-barrierefreie Sprache vs. gendergerechte Sprache geht. Zwar umfasst Inklusive Sprache theoretisch und prinzipiell neben Gender weitere Dimensionen von Diversität, die zu einer Diskriminierung führen können, z.B. Behinderung, Alter, Religion, Hautfarbe. Das Geschlecht ist aber nach wie vor ein so zentraler Grund für Diskriminierung, vor allem gegenüber Frauen, dass die gendergerechte Sprache einen eigenen Stellenwert hat. Frauen sind häufig aus mehreren Gründen von Diskriminierung betroffen, z.B. Behinderung und Geschlecht, Hautfarbe und Geschlecht, Alter und Geschlecht (sogenannte Intersektionalität). Deshalb ist es wichtig, gendergerechte Sprache im Zusammenhang mit inklusiver Sprache zu sehen, aber nicht mit ihr gleichzusetzen.

1 b.

Nein, trifft nicht zu. GS macht die binären Geschlechtsphänotypen Mann und Frau gleichermaßen sichtbar und hat den Anspruch, auch die nicht-binären Geschlechtsidentitäten einzuschließen und mitdenkbar zu machen.

1 c.

Lösung a: Ja, wenn man Political Correctness als eine Ideologie betrachtet; allerdings ist das nur zulässig unter der Voraussetzung, dass auch die Nicht-Political Correctness als Ideologie verstanden wird. Die meisten Verfechter der These, dass Political Correctness eine Ideologie sei (und deshalb bekämpft werden müsse) sehen sich selbst dagegen nicht als ideologisch: das zeigt einen blinden Fleck in der Selbstwahrnehmung und leugnet die Tatsache, dass diskriminierenden Praxen in der Regel, auch wenn sie für "normal" gehalten werden, mehr oder weniger gesellschaftlich anerkannte Ideologien zugrunde liegen.

Lösung b: Nein, trifft nicht zu, denn Political Correctness funktioniert nicht wie eine (politische) Ideologie mit fixen Axiomen oder politischen Überzeugungen. Sie dient vielmehr als Sammelbegriff für Bemühungen, geltenden demokratischen Rechten, Pflichten und Umgangsformen Raum und Gehör zu verschaffen und sie für alle umzusetzen.

1 d.

Ja, trifft zu. Ein Beispiel für grammatische Formen der GS ist die Verwendung von Maskulinum und Femininum als Sexus-differenzierende Kategorien für Personen anstatt des sogenannten generischen Maskulinums, z.B. nicht von einer "Ärztegruppe" zu sprechen, die eine Studie durchführt, sondern von einem "Team aus Ärztinnen und Ärzten".

Ein Beispiel für pragmatische Formen des Sprechens und Schreibens ist das Innehalten (Glottisschlag) beim Sprechen vor der femininen Endung einer Personenbezeichnung und dessen Repräsentation in der Schrift durch Mediopunkt, Doppelpunkt, Gender-Gap o.ä. zusätzliche Notationsmöglichkeiten (z.B.: Beispiel Mediopunkt, Deutsch: "Die Beschwerdemöglichkeiten für Nutzer·innen müssen gestärkt werden – und die Inhaltsmoderation transparenter gestaltet werden. Nutzer·innen müssen nicht nur transparent informiert werden, wenn ihre Inhalte gelöscht oder ihre Accounts gesperrt werden – und aus welchen Gründen dies geschieht –, sondern sollen diese Entscheidungen auch mittels effektiven Beschwerdemöglichkeiten anfechten können."

https://algorithmwatch.ch/de/parlamentsanhorung-plattformregulierung/ Zugriff: 11.03.2022

2 a.

Ja, gesellschaftliche Diskurse fördern den Sprachwandel und sind wesentlich für Veränderungen, die eine Sprache durch ihre Verwendung erfährt. Zugleich kann man sich fragen, ob gesellschaftliche Diskurse zwingend notwendig sind, um einen Sprachwandel zu fördern. Z.B. kann Sprachwandel durch gesetzliche Vorschriften durch eine Regierung betrieben werden. Dass ein Sprachwandel per Dekret verordnet werden kann, zeigen z.B. die Säuberung der türkischen Sprache von Arabismen, der Umbau der deutschen Sprache in die nationalsozialistische Sprache des Hitler-Reiches in den 1920er-1940er-Jahren oder der Beschluss der deutschen Rechtschreibreform 2006. Diese wurden durch die politischen, juristischen und administrativen Organe des Staates durchgesetzt. Auch sie waren aber eingebettet in gesellschaftliche Diskurse, die letztlich diese politischen Maßnahmen ermöglichten und umsetzten. Der gesellschaftliche Diskurs spielt daher auch eine Rolle für die Durchsetzung einer Sprachpolitik. In demokratisch organisierten Gesellschaften haben gesellschaftliche Diskurse ein großes Potenzial, durch prägnante und innovative Sprachverwendung zu Veränderungen in der Gesellschaft und in der Sprache zu führen.

2 b.

Ja, in der Regel spiegeln sich gesellschaftliche Veränderungen in der Sprache, d.h. sie treiben Sprachwandel an. Z.B. war noch in der Generation der im 1. Drittel des 20. Jahrhunderts Geborenen der Ausdruck "Muslim" bzw. "Muslima" im Deutschen ungebräuchlich (es gab dagegen den abfälligen Ausdruck "Muselmann"). Durch Zuwanderung und die gesellschaftliche Sichtbarkeit des Islam sind im heutigen Deutschen zahlreiche Ausdrücke aus diesem Umfeld gebräuchlich und den meisten Sprecher:innen geläufig. Umgekehrt kann durch gesellschaftliche Diskurse – z.B. um Diskriminierung – ein Wandel im Sprachgebrauch entstehen, der dann auch gesellschaftliche Veränderungen bewirkt – GS ist dafür ein Beispiel. Sprachlicher und gesellschaftlicher Wandel sind so eng miteinander verbunden, dass es kaum möglich ist, von einer unidirektionalen Kausalität (dass der eine den anderen verursacht) zu sprechen.

2 c.

Ja, aber nicht ganz ausschließlich. Wenn wir unsere Sprachverwendung zunehmend auf datenbasierte und oft mit Bias versehene Big data-Korpora stützen, kann ein Bias in den Daten auch dazu führen, dass die Daten dann in der Folge unseren Sprachgebrauch prägen und zu einer stärker formelhaften und eingeschränkten Sprache führen, weil häufige Ausdrucksweisen sowie Fehler, die in den Daten sind (z.B. in Blogbeiträgen und Kommentaren, die grammatische Fehler enthalten) übernommen werden. Als Sprachprofis können und müssen wir dem mit unserem Wissen gegensteuern, dann stellen wir sicher, dass die Zukunft der Sprachen von den Menschen, nicht von den Maschinen abhängt.

2 d.

Nein, Sprachwandel kann z.B. durch sprachpolitische Korpusplanung eingedämmt und ein Sprachstandard kann auf eine vermeintlich "reinere", frühere Form festgelegt werden. Das ist dann kein natürlicher, sondern ein politisch gewollter Prozess. Natürlicher Sprachwandel in der Alltagssprache findet dann zwar trotzdem weiter statt, aber im öffentlichen Diskurs kann die Sprache z.B. durch politisch repressive Maßnahmen eingeschränkt, können bestimmte Formen tabuisiert werden. Diese Einschränkungen und Tabuisierungen können später auch wieder aufgehoben werden.

Recherche | Diskursprognose [60']

Recherchieren Sie, in welchen Zusammenhängen der Gender-Stern und gendergerechte Sprache in deutschsprachigen Zeitungen erwähnt oder thematisiert werden. Stellen Sie zusammen, was Sie gefunden haben, und geben Sie darauf basierend eine Einschätzung ab, wie sich der Diskurs in Zukunft entwickeln könnte.

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Aufgabe 1: Einstellungen für Prüfprogramme [10’]

Prüf- und Korrekturprogramme in Textverarbeitungsprogrammen können als Aktivitäten verstanden werden, die Korrektor:innen und Lektor:innen ausführen. In dieser Aufgabe erkunden Sie die Einstellungen zu Prüfoptionen und Korrektureinstellungen in dem Textverarbeitungsprogramm, das Sie am liebsten oder am häufigsten benutzen. Was davon ist eher «Grammatik», was ist eher «Stil»?

In MS Word muss für einen Text zuerst die richtige Sprache (etwa Deutsch oder Englisch) bzw. Sprachvarietät (also Deutsch – Schweiz oder Deutsch – Deutschland) ausgewählt werden. Die Option «Sprache automatisch erkennen» ist auch möglich, vor allem für Texte, in denen verschiedene Sprachen gemischt werden. Zum Beispiel für Arbeiten, die man auf Deutsch schreibt, aber dort englische oder französische Zitate verwendet.

Für MS Word 2019 für Mac sieht der Einstellungsdialog für Rechtschreibung und Grammatik zum Beispiel so aus:

Im neueren Feature „Editor“ in MS Word kann man verschiedene Bereiche testen lassen, diese Leiste sieht etwa so aus:

Die Einstellungen zum Prüfen kann man ebenfalls ändern (und diese verwenden oder nicht verwenden)

«Wiederholte Wörter» sind allerdings eher ein syntaktisches Problem, nicht eines der Rechtschreibung. Klein- und Großschreibung gehören dagegen eher in «Rechtschreibung». Für stilistische Merkmale lassen sich keine Einstellungen vornehmen, sie können nur gefunden werden und man muss dann selbst entscheiden, wie man reagiert.

Ob eine Prüfung für die eigenen Texte also sinnvoll ist oder nicht, muss man selbst austesten und dann entscheiden, ob man diese Prüfung vollständig ausschaltet oder jeweils gezielt damit arbeitet.

In iAWriter sieht das Fenster zu Einstellungen so aus:

Hier wird «Grammatik» als Option unter «Rechtschreibung» aufgeführt, man kann aber nichts mehr gezielt einstellen. Für «Stil» werden nur stilistisch eher negativ konnotierte Elemente (Füllwörter, überflüssige Wörter) aufgelistet. D.h., es wird nicht geprüft, ob etwas gelungen ist, sondern nur, ob etwas nicht gelungen ist. Diese Stil-Liste kann man erweitern.

 

Aufgabe 2: Spracheinstellungen [10’]

Prüf- und Korrekturprogramme verwenden sprachspezifische Regeln. In Textverarbeitungsprogrammen kann man die Sprache des Textes explizit angeben oder auch vom Programm erkennen lassen. Probieren Sie aus, wie gut das tatsächlich funktioniert.

Schreiben Sie in einem Textverarbeitungsprogramm einen kurzen Text, in dem einzelne Formen aus anderen Sprachen (z. B. code-switching Komposita wie «Cyberkriminalität», «Bitcoinaktivitäten») vorkommen oder ganze Phrasen/Sätze (z. B. kurzer Bericht zu Dolmetsch-/Übersetzungsepisode mit Beispielen). Oder kopieren Sie einen solchen Text hinein.

Beobachten Sie, ob die Sprache «automatisch» erkannt wird (z. B. in MS Word in der Fußzeile). Was wird als «Fehler» gekennzeichnet? Falls eine Erklärung zu einer Meldung verfügbar ist: Stimmt diese? Hilft sie, eine Korrektur vorzunehmen? Ist die vorgeschlagene Korrektur wirklich korrekt?

Sie werden zum Beispiel folgendes beobachten: Obwohl Komposita im Deutschen zusammengeschrieben werden, wird oft vorgeschlagen, diese als getrennte Wörter zu schreiben. Manchmal wird die Sprache automatisch korrekt erkannt, manchmal nicht. Wenn etwas rot unterkringelt wird als potentieller Rechtschreibfehler und Sie sind sich recht sicher, das Wort richtig geschrieben zu haben, lohnt es sich, die Prüfsprache zu kontrollieren. Manchmal ist es richtig, dass ein Fehler markiert wird, aber die Vorschläge sind nicht geeignet, ihn zu korrigieren.

 

Aufgabe 3: Silbentrennung [5’]

In dieser Aufgabe zur systematischen Erkundung der sprachbezogenen Einstellungen von Textverarbeitungsprogrammen geht es um Silbentrennung. Auch diese ist sprachspezifisch. Schreiben Sie oder kopieren Sie einen mehrsprachigen Text in ein Textverarbeitungsprogramm. Aktivieren Sie die Silbentrennung. Wie gut funktioniert das für alle Sprachen, die vorkommen? Woran liegt das?

Für jeden Textabschnitt muss kontrolliert werden, ob die Sprache richtig erkannt wurde. Um wirklich sicher zu sein, sollte man für jeden Textabschnitt die Sprache selbst korrekt einstellen. In vielen Fällen funktioniert eine deutsche Silbentrennung auch für englische Texte und umgekehrt. Die Regeln, woran Silbengrenzen erkannt werden, sind jedoch nicht komplett identisch. Darum werden Wörter wie „establish“ mit englischer Spracheinstellung so getrennt: es·tab·lish, mit deutscher Spracheinstellung jedoch so e·sta·blish. Falsche Silbentrennung ist daher auch ein recht zuverlässiger visueller Indikator für falsche Spracheinstellung in einem Dokument!

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Aufgabe 1: Intelligente Funktionen [10']

In dieser Aufgabe entwerfen Sie selbst eine intelligente Funktion, die Sie beim Schreiben unterstützen kann. Diese Funktion ist sprachbasiert, sie verwendet also linguistisches Wissen.

In der Vorlesung und im Buch wird als Beispiel für eine Modifikationsfunktion das intelligente Suchen und Ersetzen genannt, das beim Redigieren helfen soll, das Ersatzwort automatisch in der richtigen Form zu verwenden. Überlegen Sie, welche weiteren Funktionen es geben sollte. Orientieren Sie sich dabei daran, welche Überarbeitungshinweise Sie schon erhalten oder im Peerfeedback gegeben haben. Überlegen Sie, welche Änderungen Sie von sich aus häufig machen. Notieren Sie, aus welchen Teilschritten diese bestehen.

Gesucht ist also eine Funktion, die Sie im Textverarbeitungsprogramm aufrufen könnten und die dann die gesamte Änderung übernimmt. Sie müssen nur noch wissen, was Sie ändern möchten (bzw. was das Resultat sein soll), nicht mehr, wie Sie dieses Ziel erreichen).

Zum Beispiel:

  • mehr Nominalisierung verwenden (also Verben in Nomen wandeln)
  • Tempus im gesamten Text ändern von Präsens auf Perfekt
  • kurze Sätze verbinden als Relativsatzkonstruktion (z.B.Dieser Satz ist kurz. Der Satz enthält wenig Information. ändern zu Dieser Satz, der wenig Information enthält, ist kurz)

 

Aufgabe 2: Sprachwissen [5’]

Sprachbasierte Funktionen erlauben es, Informationen über den Text zu erhalten (Informationsfunktionen), im Text zu navigieren (Bewegungsfunktionen) und Text zu ändern (Modifikationsfunktionen). Überlegen Sie, welches Sprachwissen der Computer dafür benötigt.

Der Computer muss beim Schreiben Wörter und Sätze identifizieren können: Wo fängt ein Wort an, wo hört es auf, was gehört alles zu einem Satz? Die Strukturen im Satz müssen automatisch schnell bestimmt werden: Wörter, Phrasen, Klauseln etc. Für Wörter müssen automatisch die Wortart und die morphosyntaktischen Eigenschaften (für Nomen: Genus, Kasus, Numerus) bestimmt werden.

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Aufgabe 1: Ergänzungs-Challenge [10']

Testen Sie, wie gut predictive texting funktioniert: Lassen sich damit immer sprachlich korrekte und sinnvolle Texte erzeugen? Starten Sie in einer Gruppe aus mind. 3 Personen eine «Ergänzungs-Challenge» und schreiben Sie jede/r für sich eine Nachricht in WhatsApp oder einem anderen Kurznachrichtendienst, der Wortvorschläge anbietet: Alle beginnen mit denselben vier vorgegebenen Wörtern eines Satzanfangs und wählen dann jeweils den ersten/obersten Vorschlag für das nächste Wort aus. Vergleichen Sie Ihre Sätze. Wie ähnlich sind die so produzierten Sätze? Woran könnten Unterschiede liegen?

Die Sätze werden unterschiedlich sein und auch unterschiedlich lang. Wenn jemand mit seinem/ihrem persönlichen Gerät schreibt und solche Services regelmäßig benutzt, dann verwendet das Vorschlagsprogramm die Wörter, die diese Person am häufigsten auswählt oder schreibt. Wenn jemand so etwas eigentlich nie benutzt, dann werden Wörter vorgeschlagen, die statistisch am häufigsten als nächstes Wort folgen. Zusätzlich hängt es davon ab, ob ein Vorschlagservice andere Applikationen auf dem persönlichen Gerät benutzen darf (meistens ist das der Fall). D.h., alles, was jemand in anderen Programmen schreibt, wird mit einbezogen. Für zwei Personen, die solche Services sonst nie benutzen, unterscheiden sich die produzierten Sätze dann also doch.

 

Aufgabe 2: Chatbots [20']

Chatbots sind Maschinen, die auf Fragen oder Äusserungen von Menschen reagieren. Man kann sich mit ihnen «unterhalten». Die zugrundeliegende Technologie ist unterschiedlich, nicht immer merkt man sofort, dass das Gegenüber nur eine Maschine ist.

Testen Sie  einen chatbot, der in den 1960er Jahren von Josef Weizenbaum entwickelt wurde: ELIZA  (auf englisch http://www.med-ai.com/models/eliza.html und auf deutsch http://www.med-ai.com/models/eliza.html.de). Woran merken Sie, dass Sie sich mit einer Maschine unterhalten?

Probieren Sie dann einen chatbot, der mit aktuellster Sprachtechnologie arbeitet, z.B. ChatGPT von OpenAI https://chat.openai.com/chat (Sie können Ihren Google-Account dafür benutzen oder ein Benutzungskonto anlegen). Führen Sie «Unterhaltungen» in verschiedenen Sprachen, wechseln Sie innerhalb einer Unterhaltung die Sprache. Woran merken Sie, dass Sie sich mit einer Maschine unterhalten? Was sind die  grössten Unterschiede zu ELIZA?

Kriterien sind zum Beispiel, ob der Chatbot auf die gleiche Frage, die im Gespräch mehrfach gestellt wird, unterschiedlich antwortet – hat er also «vergessen», wie die Frage beim ersten Mal beantwortet wurde. Kann der Chatbot sich an etwas «erinnern», was fünf oder zehn Sätze zuvor gesagt wurde? Menschen können das und sich auf vergangenes zurückbeziehen. ELIZA kann das nicht. Moderne chatbots wie ChatGPT können das schon recht gut: vorher produzierte Aussagen werden als Kontext verwendet, um weitere Aussagen zu produzieren.

 

Aufgabe 3: Leichte Sprache [10']

Man könnte die Umformung von Behördentexten in Texte in leichter Sprache als Übersetzung auffassen oder als Generierung von Texten ausgehend von den notwendigen Fakten. Wodurch unterscheiden sich die beiden Herangehensweisen? Schauen Sie sich zum Beispiel die Webseite des Büros für Leichte Sprache Pro Infirmis an: (http://www.buero-leichte-sprache.ch) und suchen Sie nach anderen Angeboten oder Erklärungen.

Das Büro für Leichte Sprache Pro Infirmis (www.buero-leichte-sprache.ch) bietet einen solchen Service an: Texte werden auf Verständlichkeit entsprechend Sprachstufen geprüft durch Personen, die die Sprache im Zielniveau beherrschen. Und Texte werden in leichte Sprache übersetzt. Hier wird ganz klar von «Übersetzen» gesprochen. Ausgangstext ist ein «normaler» Text, Zieltext ist der Text in leichter Sprache.

Das Generieren von Texten in leichter Sprache (genauer: in einer leichten Version einer natürlichen Sprache) ausgehend von Daten und Fakten, ist genauso schwierig oder einfach wie das Generieren von Texten in einer Standardversion einer natürlichen Sprache: Je regelhafter und strukturierter die benötigten Texte sind, desto einfacher ist das. Wetterberichte und Fußballspielreportagen zum Beispiel. Das Generieren von Gedichten oder ganz neuartigen Informationsblättern ist dagegen schwierig. Dann ist es sinnvoller, einen guten Quelltext zu formulieren, diesen automatisch übersetzen zu lassen und diese Übersetzung dann noch nachzubearbeiten. Oder direkt Menschen für die Übersetzung anzufragen.

 

Aufgabe 4: Was ist Textgenerierung? [20']

Mit moderner Sprachtechnologie lassen sich Texte automatisch generieren. In dieser Aufgabe nehmen Sie die Perspektive von Journalist:innen ein und denken über Konsequenzen von automatischer Textgenerierung nach. Lesen Sie Einschätzungen zu und Beispiele von automatisch generierte journalistischen Texten:
https://www.theguardian.com/commentisfree/2020/sep/08/robot-wrote-this-article-gpt-3 und https://www.newyorker.com/magazine/2019/10/14/can-a-machine-learn-to-write-for-the-new-yorker

Diskutieren Sie in der Gruppe: Gibt es durch automatisch generierte Texte mehr Chancen für journalistische Arbeit oder mehr Gefahren?

 

Aufgabe 5: Textgenerierung ausprobieren [20']

Mittlerweile ist automatische Textgenerierung für jede:n zugänglich. In dieser Aufgabe erkunden Sie Textgenerierung systematisch. Lesen Sie den Beitrag von Philipp Wampfler «Automatische Texte mit GPT-3: Das Ende der Aufsatzdidaktik»: https://schulesocialmedia.com/2021/11/29/automatische-texte-mit-gpt-3-das-ende-der-aufsatzdidaktik/

Probieren Sie den dort verlinkten Service aus, Sie können sich mit Ihrem Google-Account anmelden, dann «personal use» auswählen und hier etwas aussuchen: https://beta.openai.com/examples.

Testen Sie die Möglichkeit, die wichtigsten Aspekte für Begriffe und Konzepte oder Erklärungen generieren zu lassen: https://beta.openai.com/playground/p/default-study-notes?model=text-davinci-002 Erhöhen Sie die «maximum length» auf etwa 2000, belassen Sie die anderen Einstellungen. Dann sollte es etwa so aussehen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle: Screenshot von https://beta.openai.com/playground/p/default-study-notes?model=text-davinci-002 mit den genannten Einstellungen, 30.4.2021

Verwenden Sie zum Beispiel diese Fragen:

  • Was ist Korpuslinguistik und warum ist es wichtig?
  • Was sind die 7 wichtigsten Schritte in der Korpusanalyse?
  • Erkläre ein Beispiel für die Verwendung von Korpusanalyse beim Übersetzen!
  • Erklären ein Beispiel für die Verwendung von Korpusanalyse in der Organisationskommunikation!

Vergleichen Sie, ob Sie jeweils die gleichen Antworten erhalten! Probieren Sie auch, die gleiche Frage in verschiedenen Sprachen zu stellen, z. B. Englisch und Französisch. Sind die Antworten Übersetzungen voneinander?

Wie gut eignen sich die Antworten, wenn diese Anfragen Prüfungsfragen in einer mündlichen Prüfung wären?

Wie gut eignen sich diese Antworten für jemanden, der/die sich (noch) nicht mit Angewandter Linguistik beschäftigt hat?

Probieren Sie alle Schritte auch mit ChatGPT (siehe Aufgabe 2) aus. Unterscheiden sich die Texte, die Sie erhalten? Woran könnte das liegen?

Beispielausgaben für die 4 Anfragen an GPT-3 im Playground. Die erste auch auf französisch und englisch.

Wichtig: für die gleiche Anfrage in verschiedenen Sprachen sind die Antworten nicht einfach Übersetzungen voneinander, es wird jeweils eine neue Antwort erzeugt.

Beispiellösungen für die anderen Fragen:

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Aufgabe 1: Diktieren [10']

Diktieren ist eine Anwendung von speech-to-text. Testen Sie, wie gut das funktioniert und finden Sie Bedingungen für zufriedenstellende Resultate heraus.
Testen Sie ein Diktierprogramm. Zum Beispiel die in MS Word eingebaute Funktionalität «Bearbeiten --> Mit Word-Diktat beginnen» oder die für Mac in Word verfügbare Funktion benutzen «Bearbeiten --> Diktat starten»:

  • Einen beliebigen kurzen Text diktieren (evtl. selbst etwas vorlesen), welche Wörter oder Phrasen sind fehleranfällig? Diktiert man schneller, als man schreibt?
  • Gezielt testen: die Sprache des Dokuments in der Voreinstellung ist eine andere als die Sprache, die diktiert wird – was passiert?
  • Dialekt oder standardfern diktieren
  • Mehrsprachig diktieren (code-switching oder kurzer Bericht über eine Übersetzungs-/Dolmetschsituation mit Beispielen)

Wie gut funktioniert das, was ist teilweise schon recht gut, was funktioniert gar nicht? Überlegen Sie, woran das liegen könnte!

 

Aufgabe 2: Vorlesen [10']

Einen Text vorlesen lassen ist eine Anwendung von text-to-speech. Testen Sie, wie gut das funktioniert und ob automatisches Vorlesen ein akzeptabler Ersatz für das Vorlesen durch einen Menschen ist.
Lassen Sie sich einen selbst geschriebenen Text vorlesen. Zum Beispiel mit der eingebauten Vorlesefunktion in einem Textverarbeitungsprogramm. In MS Word ist das die Funktion «Laut vorlesen» unter «Überprüfen».

Benutzen Sie anschließend die allgemeine Systemfunktion «Vorlesen» Ihres Computers für einen beliebigen Text in einem beliebigen Programm oder für einen Text auf einer Webseite:

  • Experimentieren Sie mit Spracheinstellungen: Wie klingt es, wenn die Systemsprache nicht mit der Textsprache übereinstimmt? Ist das Empfinden analog zu «einen Akzent haben»?
  • Lassen Sie einen Text von einer Person vorlesen und anschließend vom Computer  Hören Sie einen Unterschied? An welchen Stellen? Woran kann das liegen?
  • Was müsste man beim Schreiben eines Textes beachten, der vom Computer vorgelesen werden soll, damit das Vorlesen «natürlicher» klingt?

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Leseauftrag [30']

Lesen Sie im Aufsatz von Cerstin Mahlow und Robert Dale zu „Writing as using tools in media convergent environments“ (https://doi.org/10.1515/9783110220674.209) nach, wie Schreibwerkzeug und Ihr Schreiben zusammenhängen (Mahlow & Dale, 2014). Notieren Sie drei Punkte, wie Ihre Schreibwerkzeuge, also bestimmte Programme auf bestimmten Geräten, Ihr Schreiben beeinflussen.

Selbsttest [10']
1. Welche Aussagen zu Prüfprogrammen treffen zu?
  1. Lektoratsprogramme überprüfen die Rechtschreibung eines Textes.
  2. Korrekturprogramme überprüfen den Stil eines Textes.
  3. Prüfprogramme können Grammatik nicht prüfen.
  4. Wenn Prüfprogramme nichts markieren, ist ein Text korrekt.
2. Welche Aussagen zum Einsatz des Computers als Sprachassistent sind zutreffend?
  1. Sprachbasierte Funktionen erlauben die Umkehr von maschineller Übersetzung: Man kann sich den Ausgangstext anzeigen lassen.
  2. Automatisch generierte Texte können nicht automatisch übersetzt werden.
  3. Text-to-Speech und Speech-to-Text helfen beim Erstellen und Überarbeiten von Texten.
  4. Die Korrektheit (Rechtschreibung/Grammatik) diktierter Text hängt von der Aussprache ab.

1.

  1. trifft nicht zu
  2. trifft nicht zu
  3. trifft nicht zu
  4. trifft nicht zu

2.

  1. trifft nicht zu
  2. trifft nicht zu
  3. trifft zu
  4. trifft nicht zu

 

Diskussion [30']

Welche sprachtechnologischen Komponenten müsste man wie miteinander kombinieren, um Funktionen zu erhalten, die Übersetzen-beim-Diktieren oder Übersetzen-beim-Vorlesen heißen könnte?

Zum Beispiel:

  • Ich diktiere Englisch, aber der geschriebene Text ist direkt deutsch.
  • Ich schreibe einen französischen Text, aber vorgelesen wird die italienische Übersetzung (die nicht als Text existiert und ausgedruckt werden könnte!).

Gibt es andere Kombinationen von Funktionen, die für eine bestimmte Aufgabe oder einen bestimmten Bereich nützlich wären?